Das politische Jahr 2025 und seine Bilder

Wie kommt man dazu, einen Jahresrückblick zu schreiben,  wenn gerade erst die Blätter gefallen sind?

Der Capo und die Oligarchen: America’s tech leaders can’t stop praising Donald Trump 

Das politische Jahr 2025 begann mit der 2. Trump-Wahl am 5. Nov. 2024, gleich am nächsten Abend liess die FDP die Ampel platzen.
Zwei Einschnitte an einem Tag, die seitdem mit der Zeitgeschichte des 21. Jahrhunderts verbunden sind.

Der Machtwechsel in den USA brachte einen Bruch in der Substanz und im Stil: Angriffe auf Institutionen, autoritäre Machtdemonstrationen, einen Abbau demokratischer Konventionen und Spielregeln,   Provokationen  gegen Verbündete.
In Lateinamerika nennt man es Autogolpe/Selbstputsch, wenn ein legal gewählter Politiker schrittweise die demokratischen Institutionen untergräbt.
Ein gewählter Amtsträger nutzt legale/semi-legale Mittel, um demokratische Checks and Balances auszuhebeln. Die Erosion demokratischer Institutionen erfolgt von innen.
Die USA haben ein anderes Gewicht.  Ihr Status als Weltmacht gründet sich – neben wirtschaftlicher und militärischer Dominanz – auf das kulturelle Modell einer liberalen Demokratie. Ihr Imperialismus war, bei aller Kritik daran, darin eingebunden. Auch der Aufbau der digitalen Kultur wurzelte in einem utopisch-emanzipatorischen Selbstverständnis.
Eine entscheidende Rolle im Richtungswechsel spielt Cyberlibertarismus,  eine Ideologie, in der techno-utopische mit marktradikalen Ideen zu einer Fundamental- Opposition gegen jede Form gesellschaftlicher Regulierung des Internet verwuchsen (vgl. Text).
Aus einem sendungsbewussten Selbstverständnis der City upon the Hill wird ein Imperialismus ohne zivilisatorische Mission.  Peter Thiel, einer der einflussreichsten BigTech Oligarchen, konstatierte:  Most importantly, I no longer believe that freedom and democracy are compatible.

Im Frühjahr hatte ich in einer ausführlichen Analyse die gegenseitige Überlagerung von  Rechtspopulismus und digitalem Kapitalismus, zwischen Maga und BigTech als ein Mash-Up bzw. eine Verklumpung dargestellt. Eine Analyse, die auch zum Jahresende weitgehend zutrifft.
Das Bündnis besteht über Einzelpersonen hinaus. Elon Musk nahm zu Beginn eine zentrale Stellung ein.  Der Konflikt zwischen Trump und Musk war absehbar, beide verkörpern narzisstische Machtansprüche, die gegeneinander kollidieren.

Flood the world with Shit -Der Präsident im Königskostüm nimmt den Slogan wörtlich

Die Einschnitte zeigen sich drastisch in Bildern, die um die Welt gingen. Entscheidend waren die von Trumps Inauguration, die eine Bündelung politischer, wirtschaftlicher und medialer Macht vor Augen führten. Tech-Oligarchen huldigten dem Präsidenten, als wären sie Höflinge eines neuen Königtums.
Ähnliche Bilder gab es nochmals Anfang September bei einem Dinner mit den versammelten Tech CEOs (s. Bild oben). Alle waren erschienen, auch Bill Gates, Tim Cook von Apple und Sam Altman von Open AI, denen man nicht unbedingt eine Nähe zum Trumpismus nachsagt. Ein skurriles Szenario: Die versammelten CEOs, die den mächtigsten Konzernen der Geschichte vorstehen, werden von Trump – der wie ein Capo der Mafia auftritt – herumdirigiert. Und sie können nicht aufhören, ihn zu preisen. So sieht ein Machtsystem aus (Link zum Video).
Dazu passt Trumps pompöse Stilwelt mit Gold und Marmor, die an Autokraten wie Putin und Erdogan erinnert.

Würdelos zeigte sich Trump in seiner Reaktion auf Proteste gegen ihn. Der Präsident der westlichen Führungsmacht generiert ein KI-Video, auf dem er mit Königskrone auf dem Kopf einen Jet steuert und sein Volk mit Exkrementen beschiesst! Der Slogan Flood the zone with shit wird wörtlich genommen. Ein markantes Beispiel von Dezivilisierung.
Es sind solche Bilder, die sich eingeprägt haben. Trump, der als scheidender Präsident den Sturm auf das Kapitol – das Monument der US-amerikanischen Demokratie – anfeuerte, wurde mit tatsächlicher Mehrheit zu ihrem obersten Repräsentanten gewählt.

Herrenrunde mit Portionsfläschchen und Konferenzgebäck

Ganz anders sind die Bilder aus Deutschland, denen jede pompöse Inszenierung fehlt – sieht man etwa vom Video-Auftritt  Elon Musks beim AfD- Parteitag ab.
Gerade in seiner piefigen Schlichtheit erregte ein Bild aus der Führungsriege der Union Aufsehen. Sechs Männer, keine Frau, an einem Konferenztisch, wie er tausendfach in Büroetagen steht. Portionsfläschchen, Konferenzgebäck, Mappen. Ein Selbstverständnis, das gar nicht inszeniert werden muss.
CDU und CSU haben diese Bundesrepublik geprägt – 52 Jahre Regierungszeit, Unterbrechungen gelten als Ausnahme. Ohne jeden Zweifel sehen sie sich als legitime Inhaber der Macht. So schlicht das Bild wirkt, führt dieser Politikwechsel zu einer Agenda, die v.a. das rückgängig machen will, was nicht in ihre Kontinuität passt. Man kann es  Gegenreformation oder Restauration nennen.
Träger dieser Politik ist in erster Linie der rechte Flügel der Union, eingezwängt zwischen einer erstarkenden AfD und  einem noch vorhandenen liberalen Flügel. Von der SPD ist kaum etwas zu bemerken. Betrachtet man die Lage genauer, erscheint das deutsche Parteiensystem instabiler denn je. 

Eine autoritäre Wende gibt es nicht, aber immer wieder Schwenks zu rechtspopulistischen  Positionen. Die verbalen Aggressionen richten sich gegen die Grünen und die mit ihnen verbundenen Programmpunkte, so sehr, dass Zusammenarbeit mit ihnen,  zumindest dieses Flügels, schwer vorstellbar ist. Simple Themen wie Gendern und vegane Produkte werden ideologisch aufgebauscht. Konzepte wie Nachhaltigkeit, Klimaschutz oder Tech-Ethik werden nicht explizit zu feindlicher Ideologie erklärt, aber grundsätzlich angegriffen.  Einfluss und Lobbyarbeit der fossilen Energiewirtschaft sind deutlich spürbar. Das Gesellschaftsverständnis ist eher das einer Standortgemeinschaft.
Auf europäischer Ebene kam es zu ersten Zusammenarbeiten mit Rechtsradikalen. 

Sumaid pal Singh Unsplash+

KI ist 2025 weiterhin das dominierende Thema – wenn nicht noch mehr als in den Jahren 2023 und 2024.  Die spekulativen Phasen des Hype sind  allerdings vorüber. Die Diskussionen wurden konkreter. KI ist weniger Projektion als eine vielfach präsente und genutzte Technologie. An Chatbots in der Kundenkommunikation, Coding mit KI, Anwendungen im Gesundheitswesen, in  Bildung, Verkehr und Verwaltung hat man sich gewöhnt.
Verbreitet gibt es eine pragmatische Einstellung, eine abwägende Zustimmung. Die meisten Nutzer haben Erfahrungen gemacht, wann KI nützlich ist und ihre Möglichkeiten ausprobiert.  Die Perspektiven auf KI sind differenzierter geworden: breite Nutzung, mehr Anwendungen, aber auch scharfe Kritik.
Social Media haben das Konzept Öffentlichkeit verändert – von einer medial synchronisierten Realität zu parallelen Realitätsblasen. KI verändertwie wir Wissen produzieren und darauf zugreifen, – mit noch nicht absehbaren Folgen.

.Generative KI ist ein Konzentrat des öffentlich zugänglichen Internets – hauptsächlich text-basiert, überwiegend englischsprachig, westlich dominiert. Sie funktioniert durch Mustererkennung und die Rekombination trainierter Daten. KI steht heute für eine neue Stufe von Intermediarität – eine Vermittlungsinstanz zwischen den Teilnehmern der digitalen Informationssphäre. Ein qualitativ neuer Datenrohstoff entsteht: das Aggregat aus allem digital Verfügbaren. Texte, Bilder, Code verschmelzen zu einem statistischen Magma, aus dem KI neu synthetisiertes Wissen generiert – ohne Rückbezug auf Quellen, nur Rekombination von Mustern. Nicht nur sinnvolle Inhalte, sondern auch massenhaft produzierter Slop/ Müll

KI-Systeme haben sich das Wissen der Welt einverleibt

Grundsätzliche Kritik gibt es v. a. auf zwei Ebenen. Die Aneignung von Kultur und Wissen. Kreative Kulturproduzenten sprechen vom größten Diebstahl der Menschheitsgeschichte – und gemessen am Datenvolumen ist das nicht übertrieben. Generative KI hat sich das Wissen der Welt einverleibt: Texte, Bilder, Musik, Code – alles wird zu Trainingsdaten. Ohne zu fragen, ohne zu zahlen, ohne Urheber zu nennen. Aus diesem angeeigneten Material generieren LLMs neue Werke, die mit den Originalen konkurrieren. Illustratoren, Texter, Programmierer sehen ihre Arbeit entwertet.Im weiteren die Instrumentalisierung durch autoritäre Kräfte. Generative KI ist nicht neutral. Sie kann leicht von autoritären und faschistoiden Bewegungen vereinnahmt werden – und wird es bereits.

KI hat einen Börsen-Hype erzeugt, aber es wurde noch kein profitables Geschäftsmodell aufgebaut. Big-Tech-Konzerne haben in zwei Jahren über 500 Milliarden Dollar investiert, die Einnahmen liegen bei 35 Milliarden. Die Blase kann platzen – die Infrastruktur bleibt – aber in wessen Händen?

Seit November 2024 hat sich das politische Klima massiv nach rechts verschoben, global, in den USA, in Europa, in Deutschland. Trump folgt dem Muster illiberaler Autokraten wie Orbán oder Erdoğan. Demokratische Institutionen bestehen formal weiter, werden aber gezielt entkernt. Die USA haben aber stärkere institutionelle Schutzmechanismen  Föderalismus, eine Rechtskultur, eine lebendige Zivilgesellschaft , entscheidend ist deren tatsächliche Widerstandsfähigkeit
Tech-Unternehmen verfolgen einen Imperialismus ohne Staat – eine  extraterritoriale Macht durch digitale Infrastruktur. Ihre Allianz mit autoritären politischen Kräften ist nicht zufällig, sie folgt gemeinsamen Interessen.
Die tatsächliche Widerstandsfähigkeit hängt von fragilen Faktoren ab: politischer Kultur, der Bereitschaft der Zivilgesellschaft zum Widerstand, der Unabhängigkeit der Justiz – und dem Willen, diese zu verteidigen.

vgl. die Blogbeiträge zu Cyberlibertarismus, Tech- Faschismus – Ein Mash-Up als Machtsystem , KI und Neuer Faschismus  und KI und der Wert von Kulturarbeit. — Nach Klick werden alle Bilder in voller Grösse auf einer neuen Seite angezeigt 



Kommentar verfassen

SideMenu