Demokratiedämmerung? – Der Winter der Oligarchen

Blickt man  auf das Jahr 2024 zurück, bleibt man an einem Datum hängen: dem 6. November – der Tag der zweiten Trumpwahl: Am Morgen wurde die Wahl bestätigt, am Abend flog die Ampel auseinander – zwei Einschnitte an einem Tag.
Die zweite Trumpwahl war kein Unfall mehr. Trump, der lächerliche Prahler, der short fingered vulgarian¹, der keine Vulgarität und keine absurde Anschuldigung auslässt, der als scheidender Präsident den Sturm auf das Capitol, das Monument der US- amerikan. Demokratie anfeuerte, wurde mit tatsächlicher Mehrheit zu ihrem obersten Repräsentanten gewählt.
Sein Wahlsieg verdankt sich u.a. dem Bündnis mit dem derzeit reichsten der BigTech Oligarchen, dem Hektomilliardär Elon Musk, größter Einzelspender und lautstärkster Befürworter von Trumps Wahlkampagne.  Belohnt  wurde Musk mit dem für ihn massgeschneiderten Department of Government Efficiency.
Neu dabei ist, dass ein Geschäftsmann an politischen Entscheidungen beteiligt ist, die sich auf ihn selber auswirken. Schon jetzt nahm er bereits eine parastaatliche Position ein, da sich seine zahlreichen Technologieunternehmen immer mehr in internationale Angelegenheiten einmischen (vgl. The New Yorker).

Die beiden Einschnitte rückten dann kurz vor Weihnachten in einen ganz direkten Zusammenhang. Musk mischte sich persönlich in den deutschen Wahlkampf auf Seiten der Rechtsaussen- AfD  ein. Deren Kandidatin fühlte sich geschmeichelt, was zu erwarten war.
Noch mehr überraschte der folgende Tweet: Christian Lindner, noch wenige Wochen zuvor Finanzminister und Dritter im Rang der Exekutive biederte sich als alternativer Ansprechpartner zur AfD an, und bat um ein Date …

Es folgte der in der Welt am Sonntag platzierte Wahlaufruf, nach aussen als Meinungsäusserung verbrämt. Seitdem Beschimpfungen und eine weitreichende Empörung – gut möglich, dass sich Musks Übergriffigkeit in ihrer Wirkung umdreht.
Lässt sich von einem Schulterschluss von Rechtspopulismus und BigTech, sprechen? Zumindest von dem einiger exponierter Vertreter. BigTech  Milliardäre haben soviel Macht angehäuft, dass sie sich als politische Akteure in der Grössenordnung von Staaten verhalten.
Grundsätzliches Problem ist, das sich wirtschaftliche, mediale und politische Macht, ohne öffentliche Kontrolle verbinden. Der US- amerikanische Präsident ist nicht mehr Führungsfigur der Freien Welt, sondern steht als Primus in einer Achse von Autokraten und Oligarchen. 

Kekius Maximus: Eine Inkarnation des Oligarchen -ein Mix aus Internet-Insiderhumor, Machtsymbolik,  bewusster – rechtsextremer – Provokation  + Verweis auf den  Namen eines Kryptocoin  (Quelle:X)

Schaut man auf drei der aktuell mächtigsten Männer der Welt –  Trump, Musk, Putin: ohne jeden Zweifel Machtmenschen, die sich für charismatisch und unersetzlich halten und denen wenig an konstitutioneller Verankerung liegt.

Flood the zone with shit² – meint den öffentlichen Diskurs so stark mit Desinformation – Bullshit – zu  überschwemmen, dass es nahezu unmöglich wird, Fakten von Fiktionen zu unterscheiden. Es geht um den manipulativen Einsatz digitaler Medien. Eine  Strategie, die von Trump und Musk, aber auch von Putin genutzt wird. Medien und soziale Plattformen werden zur Disruption von Öffentlichkeiten und liberaler Demokratie eingesetzt.
Trump nutzt soziale Medien intensiv, oft mit beleidigenden und provokanten Inhalten. Musk kontrolliert seit 2022 das vormalige Twitter, als X immer noch eine der  bedeutendsten Plattformen digitaler Öffentlichkeit. Putin kontrolliert intern staatliche Medien, extern setzt er eine Armee von Trollen zur Destabilisierung demokratischer Gesellschaften ein.
FunFact: Putin hatte eine Obsession mit dem Buchstaben Z – der als Symbol seines Angriffskrieges gegen die Ukraine diente – Musk mit dem X, dass in seinen Unternehmungen immer wieder auftaucht, ebenso beim Namen seines Sohnes: X Æ A-12 .

Die Wiederherstellung nationaler Grösse ist eines der zentralen Themen  in populistischen Bewegungen, so auch das Motto Trumps MakeAmericaGreatAgain – entsprechende Parallelen gibt es in fast allen Ländern – mit den  jeweiligen nationalen Besonderheiten. Auch der besonders aggressive Anspruch auf Grossrussland zählt in diese Reihe. 
Was eint eine Achse von Populisten und Oligarchen? Es geht v.a. um das Ausspielen und Durchsetzen von Machtpositionen. Dennoch gibt e unterschiedliche ideologische Hintergründe – und darin liegen durchaus Konfliktpotentiale, etwa zwischen MAGA und den global ausgerichteten Interessen von BigTech.

Liberal und libertär entstammen derselben Wortwurzel, stehen aber für politisch konträre Positionen: Liberal ist ein zwar dehnbarer Begriff, aber mit dem Konzept der liberalen Demokratie verbunden: Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit sichern individuelle Freiheitsrechte gegenüber Machtstärkeren.
Libertär lässt sich bis auf den Marquis de Sade zurückverfolgen, meinte einmal eine heroisch- anarchistische Pose, den radikalen Bruch mit Konventionen. Die heutige Vorstellung wurde mit der Autorin Ayn Rand im Silicon Valley populär. Für Libertäre stellt der Markt das Äquivalent zu Gesellschaft dar. Der Markt ist die Gesellschaft.
Einen Schritt weiter geht Anarcho- Kapitalismus. Mit dem klassischen Anarchismus hat er wenig gemein, ausser der Ablehnung des Staates und einer Rhetorik des Individualismus. Es geht um uneingeschränkte Privatwirtschaft und Eigentumsrechte, Ideal ist eine Privatrechtsgesellschaft. Hierarchische Strukturen, die aus kapitalistischer Marktordnung entstehen,  werden begrüsst.

Cyberlibertarismus war zunächst eine Art ideologischer Treiber der digitalen Revolution. Das Internet erschien als Electronic Frontier, als Raum unbegrenzter Möglichkeiten jenseits staatlicher Kontrolle. Damit verbunden waren eine Demokratisierung des Wissens, die Umgehung bestehender Hierarchien und die Entstehung neuer digitaler Gemeinschaften.

Ambivalenzen traten später hervor – als aus StartUps digitale Machtzentren herauswuchsen. Positionen, wie die Ablehnung staatlicher Regulierung, der absolute Glaube an Marktmechanismen, das Ideal des genialen Entrepreneurs wurden weiterhin vertreten. Der aus dem Cyberlibertarismus stammende Freiheitsbegriff verkam mehr und mehr zur  Legitimation ungehemmter Gewinnmaximierung der mittlerweile kapitalstärksten Unternehmen der Geschichte.  Their freedom doesn’t mean your freedom – heisst es in einem Video zu den im BigTech– Umfeld umlaufenden Ideologien.

Persönlich hat mich das Modell der Machtbalance und der Interdependenzen von Norbert Elias seit langem überzeugt: Macht ist erst durch das Mitdenken der Gegenkräfte jeder Macht verstehbar. Machtbalancen sind demnach überall dort vorhanden, wo eine funktionale Abhängigkeit  – Interdependenz –  zwischen Menschen besteht.  
Was balanciert die Macht von Oligarchen? Oligarchen zeichnet  ökonomische Macht durch Kontrolle wichtiger Wirtschaftszweige und
eine enge Verflechtung mit politischen Entscheidungsträgern aus –   als Krönung die Verfügung über Medien mit grosser Reichweite. Ihre Macht und ihr Einfluss reicht weit über den wirtschaftlichen Bereich hinaus. In funktionierenden Demokratien wird kumulierte Macht durch gesellschaftliche Kontrolle balanciert. Ansonsten entwickeln Oligarchen parastaatliche Strukturen.
Oligarchen steigen auf in Zeiten des Umbruchs – das traf auf das Ende der Sowjetunion zu, als die Macht vakant war.
Tech-Oligarchen stiegen auf, als sie in den neu entstehenden digitalen Infrastrukuren Quasi- Monopole aufbauten. Technische und regulatorische Lücken ermöglichten ein systematisches Abschöpfen von Nutzerdaten, darauf aufbauend wurden neue Märkte geschaffen und dominiert.
Tech-Oligarchen legitimieren ihren Einfluss mit Innovation und Disruption.  bauen aber gleichwohl auf kollektiver Leistung und staatlicher Förderung auf.

Elon Musk ist der reichste und lauteste, aber nicht der einzige Tech- Oligarch. Etwas diskreter agiert der deutschstämmige  Peter Thiel, der sein Vermögen mit Palantir, Facebook und Paypal gemacht hat und  offen anti-demokratische Positionen vertritt, bis hin zur  Abschaffung des Wahlrechts für Frauen.  Anders als nach der ersten Trumpwahl arrangieren sich andere Tech- Granden, wie Jeff Bezos von Amazon, Marc Zuckerberg von Meta/ Facebook, und Alphabet/ Google mit Trump. Auch ihr Auftreten, ihr Habitus nimmt mehr und mehr die Züge von Oligarchen an.

Nur wenige Tage, und das Jahr 2025 hat schon ein iconisches Bild: der brennende Tesla vor dem Trump- Hotel in Las Vegas – erinnert mich an David Lynch

Titel wie Demokratiedämmerung haben seit einigen Jahren Konjunktur. Ausgangspunkt ist  Twilight of Democracy: The Seductive Lure of Authoritarianism (dt.: Die Verlockung des Autoritären) von Anne Applebaum, 2020.
Solche Titel passen wohl zu einer Stimmung, sollten aber nicht bedeuten, dass es sich um eine zwangsläufige Entwicklung handelt. Der zeitweilige (?) Erfolg der internationalen populistischen Rechten kann mit einer ganzen Reihe von Modellen erklärt. Die Ausführung des Politikwissenschaftlers
Veith Selk (10/23) wurden relativ breit rezipiert.  Er setzt an der Progessions– These an, die liberale Demokratie sei durch eine progressive Entwicklungstendenz gekennzeichnet, die auf der Annahme der Kumulation von Fortschritten beruht. Ansätze, die eine nähere Betrachtung wert sind.
In der Folge interessiert mich selber die Bedeutung des Cyberlibertarismus. Dazu habe ich mir das Buch von David Golumbia Cyberlibertarianism: The Right-Wing Politics of Digital Technology 8/2024) vorgenommen.
Er argumentiert, dass der digitale Evangelismus zu einer weltweiten Verschiebung nach rechts geführt hat.  Golumbia stützt sich auf mehr als ein Jahrzehnt Forschung, um aufzuzeigen, wie cyberlibertäre Rhetorik und Strategien die Diskussionen über digitale Technologie, Regierung, Politik und soziale Themen prägen. Er hinterfragt die vorherrschende Ansicht, dass das Internet von Natur aus freiheitsfördernd und dezentralisierend sei.  Dazu in Kürze mehr. 

¹vgl. Sueddeutsche Zeitung 12.04.2017 Franz C. Mayer, LL.M. (Yale) Demo­k­ra­tie­däm­me­rung. Was folgt auf Trumps Wahlsieg  Ali BrelandElon Musk’s X Endgame: The world’s richest man has become a new kind of oligarch. The Atlantic 20.12.2024Kyle ChaykaHow Elon Musk Rebranded Trump. The New Yorker.  13.11.2024  YouTube, Google & Co: Die Elefanten, gegen die unsere Medien kaum eine Chance haben? Telepolis. 16.12.2024. Maura Reynolds: ‘Everything Is Subservient to the Big Guy’: Fiona Hill on Trump and America’s Emerging Oligarchy. Politico 28.10.2024 Martin AndréeElon Musk, WamS und rechte politische Bündnisse. (WDR- Audio) 30.12.2024. : Means TVWhy Is Elon Musk Like That? – Introduction to Cyberliberatarianism. ² Steve Bannon, zitiert nach Michael ZürnWie kann eine demokratische Gesellschaft ihre Vernunft ver­lieren? – FAZ 30.12.2024 – Niklas MaakDas Zeitalter des Elonismus ist angebrochen. FAZ. 5.01.2025 Anne Applebaum: Twilight of Democracy: The Seductive Lure of Authoritarianism. 07/2020 – deutsch:Die Verlockung des Autoritären: Warum antidemokratische Herrschaft so populär geworden ist . 2022  Veith Selk: Demokratiedämmerung. Eine Kritik der Demokratietheorie. 10/2023. Gerhard Oberlin: Demokratiedämmerung.Wie der Wohlstand die Demokratie gefährdet. 06/ 2023.

 



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