
Was derzeit in den USA geschieht, hat historische Dimensionen. Nennt man es Machtergreifung – oder ist es eine Freak- Show die vorbeizieht?
Die Brüche sind da. Im Inneren der Beginn der deconstruction of the administrative state (Steve Bannon) – nach dem Muster von Hugo Chávez (Venezuela) oder Viktor Orbán (Ungarn). Regimewechsel nennt es Anne Appelbaum. Autogolpe nennt man in Lateinamerika den Selbstputsch, bei dem ein legal gewählter Politiker schrittweise die demokratischen Institutionen untergräbt.
Nach aussen werden Wahrheiten umgeschrieben, mal ganz einfach auf der Landkarte, dann wird der Ukraine vorgeworfen, von Russland angegriffen worden zu sein: You should never have started it. Nach drei Jahren des Angriffskrieges stellt sich die neue US- Regierung dann in den UN an die Seite des Agressors Putin.
Es bedeutet das Ende, zumindest eine Unterbrechung, der von den USA angeführten auf Verträgen und Kooperation basierenden liberalen Weltordnung. Eine neue Weltordnung hätte die autoritären Züge der Welt von vorgestern: Mächtige Männer führen mächtige Staaten und ordnen die Welt durch zwischen ihnen ausgehandelte Deals.
Das durch komplexe Bindungen regulierte Europa stört dabei nur. Die USA von Trump und Musk bedeuten einen Zivilisationsbruch.
With this guy, every troll is a trial balloon* – die Beschreibung als Troll im britischen Guardian charakterisiert Trumps politische Kommunikation wohl am besten. I like making deals, preferable big deals. That’s how I get my kicks – ist seinem Buch The Art of the Deal vorangestellt. So geht es immer wieder um ein möglichst offensives Auftreten, egal ob gegen Freund oder Feind, und darum, niemals eine Niederlage zuzugeben.
Trump wurde bekannt als Figur des Gossip mit Bling-Bling und vulgärer Selbstdarstellung, nicht wirklich ernst zu nehmen. Popularität gewann er durch die Reality TV- Show The Apprentice. Mobbing/ Bullying zählen zu den Herrschaftstechniken bzw. Führungsmethoden. Dasselbe von Machtinstinkt geleitete Verhalten findet sich nun auf der politischen Ebene. Es geht darum, Schwächen zu erkennen und SOFORT auszunutzen.
Die Basis der Anhängerschaft lässt sich als Fangemeinde/Fandom bis Gefolgschaft beschreiben: Trump wird nicht einfach gewählt, er wird verehrt als Celebrity, wie Elvis, und als Führungsperson.
Man kann es Mash-Up* nennen, diese gegenseitige Überlagerung von Rechtspopulismus und digitalem Kapitalismus zu einem neuen Machtsystem. Zwangsläufig ist die Verbindung nicht, noch während der ersten Trump- Administration blieb die Tech World Terrain der Demokraten. Digitaler Fortschritt war lange Zeit eine Erzählung die parallel zu einem gesellschaftlichen Fortschritt verläuft.
Mit der Plattformisierung verstärkte sich die Macht der Tech- Konzerne – ihre Landnahme. Digitale Plattformen ermöglichen zielgerichtete Streuung von Aufmerksamkeit und begünstigen populistische Kommunikationslogiken.
Überwachungskapitalismus und autoritärer Populismus teilen Kontrollinteressen. Rechtspopulismus, in den USA mit dem Label MakeAmericaGreatAgain, und BigTech entwickeln beide imperiale Ambitionen: Ersterer mit der Berufung auf vergangene Größe und Stärke. Der Digitale Kapitalismus von BigTech mit dem Ziel einer technologisch determinierten Zukunft. Ein ideologischer Hintergrund lässt sich im Cyberlibertarismus zusammenfassen. Im Rechtspopulismus finden sich dazu Überlieferungen der White-Supremacy Strategies, die in zeitgenössische Diskurse eingebettet sind – rassistische Haltungen werden implizit weitergetragen.

Musk, ungewählt, aber finanziell stark engagiert, inszeniert sich als Co-Präsident, als Absolutist der freien Rede und als Lautsprecher einer libertären Internationale mit ununterbrochener Medienpräsenz.
Die wirtschaftliche und mediale Macht von BigTech wird immer stärker als übergross empfunden – sie beruht auf der Kontrolle digitaler Infrastrukturen. Derzeit verbündet sich diese Macht der Plattformen mit einer politischen Macht, die konstitutionelle Regeln angreift. Ein Machtüberhang, der Demokratie und den sozialen Zusammenhalt gefährden kann.
Das Bild eines Techno- Feudalismus kann hier anschliessen. Ein moderner Feudalismus mit KI- Technologie anstelle von Bürokratie und einer fortlaufenden Risikokapitalmaschine, die immer neue Tech-Hypes gebiert. Mit einem ungekannten Einsatz von Automatisierung, prädiktiver Datenanalyse und KI-Technologie – so wäre etwa ein Ausblick.
Wie haltbar ist die Allianz mit dem Rechtspopulismus? Einige Bruchlinien werden deutlich: Steve Bannon, einer der Hauptarchitekten des modernen Rechtspopulismus, nannte Musk einen Parasitic Illegal Immigrant. Technokratie steht dann gegen den Traditionalismus amerikanischer Werte. Ohne Regulierung bleibt Freiheit nur für jene, die die Plattformen besitzen.
Was in den USA geschieht, hat globale Auswirkungen: The leading nation of the world ist nicht nur politisch und ökonomisch tonangebend. American popular culture hat einen globalen Einfluss: Filme, TV-Serien, Popmusik, kulturelle Trends, die Ausprägungen der Consumer Culture, bis hin zu den Mustern von Handlungs- und Managementmethoden.
In den letzten ca. 15 Jahren haben die Tech-Plattformen diese Dominanz weiter verstärkt. Silicon Valley ist das globale Vorbild der Tech-Kultur – Wie das Valley denkt ist eine Frage, die weltweit Berater und Zukunftsforscher interessiert.
Disruption ist ein zentrales Konzept der digitalen Wirtschaft: Brüche des Bestehenden werden durch Innovationen ausgelöst. Das Aufbrechen bestehender Strukturen wird als notwendiger Fortschritt legitimiert. Während klassische Disruption oft punktuell bestimmte Bereiche, einzelne Geschäftsmodelle oder Kommunikationswege revolutioniert, steht Absolute Disruption für einen totalen, systemischen Wandel.
Der Begriff Absolute Disruption stammt von dem Philosophen Jason Ānanda Storm. Gemeint ist ein radikaler Bruch mit den bisherigen Ordnungen, in dem herkömmliche Machtstrukturen als überholt erscheinen. Storm meint damit einen fundamentalen Umbruch in der Art, wie wir Wissen generieren und validieren – eine Meta-Disruption, die unsere grundlegenden Denk- und Verstehenskategorien betrifft.
Mit den aktuellen Ereignissen hat Storms Text wenig zu tun. Absolute Disruption kann genauso eine gesellschaftlich progressive Disruption bedeuten. Der Begriff spiegelt die Erwartung einer Neugestaltung. Aktuell wird sie von einer – noch sehr fragmentarischen – Allianz aus BigTech und autoritärem Rechtspopulismus bestimmt. Wünschenswert ist sie mit gesellschaftlicher Beteiligung und Kontrolle.
Dieser Text überschneidet sich zum Teil mit dem vorhergehenden Beitrag Trumpismus- Muskismus – die Ereignisse und Berichte überschlagen sich, von Tag zu Tag. Frage ist, wie sind diese Ereignisse in längerfristige gesellschaftliche Prozesse eingebunden?
The New Yorker 20.02.25: The Trump Administration Trashes Europe and NATO — What Could Happen if the U.S. Abandons Europe. 21.02.25 – Trump’s Putinization of America. 20.02.25 – The New York Times 3.02.25. Marc Saxer: Wer zu spät kommt … Die USA stellen das transatlantische Bündnis und die liberale Ordnung infrage. 17.02.25 Jannis Brühl: Der Seitenwechsel – wie die Oligarchen rechts wurden 21.02.25 SZ. Anne Appelbaum: There’s a Term for What Trump and Musk Are Doing. The Atlantic 13.02.25 – Elizabeth Lopatto: Elon Musk’s first month of destroying America will cost us decades. The Verge 21.02.2025. Philip Liste: Transnationale Disruption . – Zur staatspolitischen Bedeutung von J. D. Vance’s Rede in München 18.02.25. Jason Ananda Josephson Storm: Metamodernism. The Future of Theory. Chicago 9/2021. 360S. Blog: Absolute Disruption — * CPAC= Conservative Political Action Conference. . *The Guardian 21.02.25. – Sheila Mysorekar Donald Trump und der Putsch in den USA. nd 21.02.25. Steffen Mau: Die Revolution der Erschöpften. Der Spiegel 21.02.25