One more thing … Spatial Computing

One more thing iPhone Momente wurden wachgerufen, als Apple CEO Tim Cook am 5. Juni die Vision Pro auf der Keynote zur WWDC23 (World Wide Developpers Conference) vorstellte. Apple hat es immer verstanden, neue Produkte in Szene zu setzen. Apple steht für das Primat der User Experience/ Nutzungserfahrung: aufeinander abgestimmte Hard- und Software, ausgereiftes Produktdesign. Kein Konzern hat mehr Fans, und diese ganz besonders in der Creative Class; Apple Produkte sind statusbeladene Accessoires, bis hin zum Airpod werden höhere Preise akzeptiert.
Wahrscheinlich hätte sich auch ohne das iPhone das mobile Internet durchgesetzt. Doch die bruchlose Verbindung von Internet, Telephonie, Kamera, Musik und die Anschlussfähigkeit der so vielfältigen Drittangebote setzte Maßstäbe, liess das SmartPhone innerhalb weniger Jahre zum unverzichtbaren Zugang zu einer neuen – global verbreiteten Infrastruktur- werden.
iPhone Moment  bedeutet v.a. eine Erwartungshaltung auf einen Prototypen für den Zugang zu neuen immersiven Welten, für ein Internet nach dem Monitor. Vorerst mit zeitlicher Verzögerung: In den Verkauf kommt Vision Pro erst Anf 2024 – der hohe Preis begrenzt zudem die Verbreitung.

Metaverse blieb ausgespart – stattdessen Spatial Computing –  ein Begriff, der 2003 von Simon Greenwold in seiner Abschlussarbeit am MIT* (download) definiert wurde:  human interaction with a machine in which the machine retains and manipulates referents to real objects and spaces. “Aus technischer Sicht integriert Spatial Computing mittels Software die Benutzeroberfläche des Computers nahtlos in die dreidimensionale physische Welt” – so Valentin Heun 2021. Entscheidend ist dabei, dass physische Signale wie Gesten, Stimme, Blickrichtungen als Eingaben für interaktive digitale Mediensysteme dienen, so wie Klicks, Mouseover oder Tastatureingaben beim Zugang  über Display.

Metaverse setzt Spatial Computing voraus – ohne Interaktion mit physischen Signalen kein Agieren im virtuellen Raum – als Konzepte betonen sie aber ganz andere Möglichkeiten: Spatial Computing erweitert das bestehende Internet um Funktionen;  Metaverse ist qua seiner Definition** ein überwölbendes Konzept einer miteinander verbundenen virtuellen Sphäre – und daran schliessen sich Fragen nach gesellschaftlichen Implikationen und Konsequenzen an: welche Folgen haben Verhalten und Handlungen in einem Metaverse? Was für eine Form von Öffentlichkeit entsteht in einer parallelen immersiven Welt?

Spatial Computing: mehr Bauprojekte als Avatare. Bild: Viktor Forgacs. unsplash.com

Einsatzmöglichkeiten gibt es genug, Apple spricht sehr weitgefasst von Spielen, Kommunikation und den Konsum von Inhalten. Vermutlich stehen Entwickler in den Startlöchern, für visionOS, das Betriebssystem der VisionPro angepasste Anwendungen zu produzieren.  Heute (22.06.) berichtet t3n von der Freigabe eines robusten Sets von Tools für Entwickler:innen.  Hier scheint sich das Modell iPhone zu wiederholen:  Apple stellt Hardware und Betriebssystem – Drittanbieter entwickeln die Anwendungen. Wahrscheinlich  wären etwa Bauprojekte, Trainings, Entwürfe grosser Veranstaltungen, im medizinischen Bereich, im Verkehr, bei Produktpräsentationen bis hin zu Einrichtungsentwürfen u.v.m,…  Ganz heruntergebrochen wird Spatial Computing erst wenig social sein, mehr im BtB- Bereich und wird weniger Beigeschmack von Science Fiction haben, das Thema der miteinander verbundenen Welten, das das Metaverse ausmacht, kommt kaum vor.

Konzerne wie Disney, denen man Erfahrung in Sachen Inszenierung des Fiktiven zuschreibt, haben sich mittlerweile vom Projekt Metaverse  zurückgezogen.  Überraschenderweise findet die ursprüngliche Idee immer wieder Anklang in der Mode- Branche, mit Überschriften wie Digitale Mode ist die Zukunft der Branche  und etwa dem virtuellen Raum Vogue Meta- OceanWas macht virtuelle Mode interessant, Avatar- Fashion? Es geht um Luxus- Marken, bei denen das finanzielle Limit  hoch gesteckt ist – und es geht anscheinend um den asiatischen Markt.  Eine Frage, inwieweit technische Innovationen an ältere kulturelle Muster anknüpfen. Ein Tor, über das ein Metaversum eine breitere Öffentlichkeit erreicht?

Sieht das Internet der Zukunft wie Spatial Computing aus? Ein Zugangswerkzeug, wie die Datenbrille wird so schnell nicht in den Alltag vordringen, bleibt besonderen Abläufen, oder auch Vorführungen vorbehalten.  Das SmartPhone ist viel zu praktisch, als dass es in absehbarer Zeit ersetzt werden würde. Es bündelt derart viele im Alltag verbreitete, nützliche und unterhaltsame Funktionen – es lenkt zwar viel mehr ab, als es sich viele wünschen,  beansprucht aber auch nicht die volle Aufmerksamkeit. Niemand verbindet den Gebrauch mit dem Abtauchen in eine parallele Welt,  es ist ganz von dieser Welt.  Als das iPhone 2007 eingeführt wurde, waren Mobiltelephone, manche mit Internetzugang bereits weit verbreitet. Das Bild des Cyberspace lag damals schon weit zurück.

Der Hype um Metaverse scheint abgebrochen bzw. in eine Richtung gelenkt, die vorerst keine übermässigen gesellschaftlichen Auswirkungen – that will revolutionize everything  hat. Erkennbar gibt es einen Drang zum Hype: narrative Spekulationen zu  technischen Neuerungen, die die Welt – zumindest wesentliche Teilsysteme – verändern. Es gibt viel Geld in den Kassen der GAFAM- Konzerne, dass erfolgversprechende Investition sucht, es gibt eine breite technisch gut ausgebildete Klasse, die in technologischen Zukunftsvisionen als einen Kick erlebt. Metaverse – bzw. die Vision einer nicht- körpergebundenen parallelen Realität – ist dabei ebenso wie KI/AI ein wohl immer wieder kehrendes Motiv. Manches davon wird in den Raum der Nützlichkeit überführt, es bleibt aber auch ein Raum der nahezu archetypischen Spekulation.
Ausgeblendet wird oft der gigantische Bedarf an Rechenleistung und damit dem Energieverbrauch – das gilt für alle Hypes: Web3, Metaverse und auch die grossflächige Nutzung von KI/AI.

s. auch: Simon Greenwold: Spacial ComputingMaghan McDowell: Apple’s AR glasses are here. Fashion is watching– Vogue Business June 5, 2023  – Thomas Riedel: Alle Fakten zum MR-Headset, Apples Spatial Computing Strategie und eine Einordnung in den aktuellen XR-Markt – zum Podcast:   *MIT = Massachussetts Institute of Technology. t3n/ Andreas Floemer (22.06.23): Apple veröffentlicht VisionOS-SDK für Entwicklung von Vision-Pro-Apps.  ** vgl. die Definition von Matthew Ball unter The Metaverse – And How It Will Revolutionize Everything Valentin Heun: Was ist Spatial Computing und wie setzt man es ein?  (Industry of things.de 22.01.21) 



Eine Antwort auf „One more thing … Spatial Computing“

  1. Das ist das große Versprechen der AR-VR-Szene. Und es wird nicht fliegen, wie bei der 3-D-Brille. Im Kontext der Industrie sehe ich Anwendungen. Nicht für den Massenmarkt.

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