Demokratie braucht Begegnung

Demokratie braucht Begegnung um zu funktionieren (19) – Begegnung, Öffentlichkeit und Demokratie sind untrennbar miteinander verbunden: Begegnungen ermöglichen Austausch, Öffentlichkeit bietet den Raum dafür, und Demokratie ist das politische System, das von diesem Austausch lebt.

Liberale Demokratie beruht auf zwei Prinzipien: das Volk ist der Souverän, der über sein eigenes Schicksal entscheidet. Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit garantieren individuelle Freiheitsrechte und schränken so die Macht der Mehrheit ein. Demokratie erfordert die Aushandlung von Konflikten und Entscheidungen; Kompromisse sind die Regel. Sie lebt davon, dass ihre Mitglieder sich als legitime Andere anerkennen.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt braucht Vertrauen – gegenseitig und in demokratische Institutionen – über engere Zugehörigkeiten hinaus. Nur so sind tragfähige Kompromisse möglich. Dazu braucht es Orte bzw. Räume, in denen Vertrauen entstehen und sich entwickeln kann – Orte an denen nicht-medialisierte, direkte Erfahrungen gemacht werden können.

Demokratie fehlt Begegnung – hat Rainald Manthe, Soziologe aus Berlin,  sein Buch über Alltagsorte des sozialen Zusammenhalts genannt.  Im Titel steckt bereits die Feststellung eines Mangels, des Verschwindens, zumindest einer markanten Veränderung der Orte der Begegnung.
Begegnung ist synchron, besteht in der direkten, nicht- zeitversetzten Interaktion, bedeutet den Austausch in irgendeiner Form. Nonverbale Signale spielen eine grosse Rolle. Begegnungen können ebenso sehr Irritationen auslösen, lassen aber meist den Spielraum der Aushandlung bzw. Klärung.
Klassische Orte von Begegnung sind/ waren meist an lokale Gegebenheiten geknüpft. Exemplarisch nennt Manthe die Dorfkneipe – genauso können es alle anderen Orte sein, die von einer Vielzahl von Menschen aufgesucht oder genutzt werden, wie Märkte, Parks, Sportplätze, Bibliotheken, Theater oder eben auch öffentliche Verkehrsmittel.
Daneben gibt es  Begegnungsorte, die von vornherein als solche gedacht sind, von der einfachen Parkbank, dem Viertels- Treff mit Repair- Café  zu Projekten der politischen Bildung.
Die meisten solcher Orte verbinden Menschen mit gleichen bzw. sich ergänzenden Interessen, sie stabilisieren die Teilhabe an lokaler, an kultureller Öffentlichkeit.

Für eine Gesellschaft ist es aber ebenso bedeutsam, dass sich Menschen anderer Lebensrealitäten und anderer Lebensziele zur Kenntnis nehmen, begegnen und austauschen.
Gerade eher unspezifische Alltagsorte sind Schnittstellen zwischen oft sehr unterschiedlichen Milieus, ermöglichen zufällige Begegnungen, informellen Austausch, die Wahrnehmung anderer Lebensrealitäten. Sie können dazu beitragen, sich gegenseitig als “legitime andere” zu akzeptieren – die Interessen dieser Anderen zu erkennen und zu berücksichtigen, Kompromisse mitzutragen. Als Erfahrung
entscheidend ist die selbstverständliche Interaktion im öffentlichen Raum, die ohne Barrieren oder besondere Voraussetzungen stattfindet.

Autor Manthe sieht ein Schwinden vieler Begegnungsorte: Der Abbau öffentlicher Infrastrukturen trifft auf eine Gesellschaft, die immer individualistischer (9) wird. Die nachlassende Bindekraft der grossen Massenorganisationen, Kirchen, Gewerkschaften, Parteien – oft auch Träger von Vereinsleben – ist schon länger ein Thema. Posttraditionale Vergemeinschaftungen entwickeln zwar neue Begegnungsorte, die aber geographisch viel weiter gestreut sind.
Segregation verstärkt sich auch durch den angespannten Immobilienmarkt.  In Wohnorte wird man immer seltener hineingeboren – bzw. sozialisiert, man muss sie sich leisten können.
Clubs, Kneipen, Cafés stehen seit der Pandemie unter verstärktem wirtschaftlichen Druck. Das gilt noch mehr für ländliche und suburbane Räume. Das Wirtshaus im Dorf gibt es kaum mehr, nur dann, wenn ein besonderer Einsatz oder besondere Umstände dafür sorgen. Nicht- geförderte Begegnungsorte müssen Umsätze erzielen, um sich zu halten. 

Gesellschaftliche Polarisierung wird zwar oft beklagt – ist aber empirisch wenig bestätigt. Es gibt keine grossen Lager die einander ablehnen. Als Standard aktueller Gesellschaftsanalyse dazu scheint Triggerpunkte von Steffen Mau et al. (2023) akzeptiert zu sein.  Eine Micro- Quintessenz daraus: Konflikte: vorhanden, Polarisierung: kaum, politisierte und radikalisierte Ränder ja.
Der Autor bestätigt in Verweisen auf andere Studien, dass der soziale Zusammenhalt erstaunlich gut (26) ist. Dass ein ausreichendes Vertrauen in das grosse Ganze und in unsere Mitmenschen vorhanden ist, ist wichtig für gesellschaftliche Handlungsfähigkeit (26). Allerdings nimmt ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung, genannt wird ein Drittel, kaum mehr an Diskussionen über die Ausgestaltung des Gemeinwesens teil. Bei den jüngeren (unter 29) liegt derAnteil  höher, bei 45 %.  Zugenommen hat eine Politik(er)ferne, man spricht von einem übergreifenden Repräsentationsdefizit (29) – es sind diese letzten beiden Erkenntnisse, die aufhorchen lassen.
Auffallend ist, dass die nähere Umgebung meist als besser empfunden wird, als die Gesamtgesellschaft eingeschätzt wird.

Ort von Begegnung: Forum Groningen (NL)

Wie lässt sich die Bedeutung  der Begegnungsorte  mit anderen  Konzepten verbinden?
Auf das Konzept des  Common Meeting Ground  war ich während der Corona- Lockdowns gestossen – in einer Zeit,  als die Frage auftrat, was es für eine Gesellschaft bedeutet, wenn Öffentlichkeit – damit auch Begegnungen  –  fast ausschliesslich über Medien vermittelt wird.
Der Begriff geht auf den Schweizer Soziologen Kurt Imhof (✝2015) zurück: Jede Gesellschaft braucht einen Common Meeting Ground gemeinschaftlich als wichtig empfundener Themen, um darüber verhandeln und selbst bestimmen zu können, was in ihr als relevant gilt und kollektiver Problemlösungen bedarf (2008).

Common Meeting Ground lässt sich zum einen als eine Medienöffentlichkeit verstehen, die einen Informationsstand soweit synchronisiert, dass er einen konsensuellen Boden  öffentlicher politischer Kommunikation bietet.  Ein Boden – in diesem Falle abstrakt – auf den Themen, Lösungsansätze, Ansprüche in einen übergreifenden Diskurs gestellt werden können – zu denen Entscheidungen, also meist Kompromisse, ausgehandelt werden.
Ebenso lässt sich Common Meeting Ground als der lebensweltliche, physische Ort verstehen, an dem Gesellschaft erlebt und erfahren wird.  In dem als relevant empfundene Themen und akzeptables Verhalten verhandelt werden. Nicht in Form medialisierter Inhalte, sondern als selbst erlebte Eindrücke und der Resonanz darauf: Wahrnehmung, Reaktion und Interaktion.
Gesellschaft bedeutet nicht Gleichartigkeit, sondern zunächst miteinander auszukommen, dann Austausch, Begegnung . Es geht um die Erfahrung  gegenseitiger Bezogenheit, in der Folge um Prozesse der Aushandlung:  von Umgangsformen, von Akzeptanz, darüber, welche Sprache angemessen ist.  Und auch darüber, was schön ist – so entsteht etwa ein Streetstyle aus  Begegnungen im öffentlichen Raum.

In einer der trübsten Phasen des Lockdowns im Januar 2021 gab es den kurzen Hype der Plattform Clubhouse. Clubhouse kam gefühlt einer physischen Öffentlichkeit näher als andere Social-Media-Formate – die Kommunikation verlief nicht zeitversetzt, sondern sie erfüllte ein wesentliches Merkmal von Begegnung, Synchronität. Clubhouse wurde verglichen mit Barcamps,  mit Thementischen und Cafés, wo man sich an den Tisch dazu setzen kann, mit Late- Night Talks und Partygesprächen – kurzum Begegnungsorten der analogen Welt.
Der Hype versandete rasch – zeigte aber deutlich ein aufgestautes Verlangen nach Austausch und Begegnung.

Digitale Räume haben durchaus Potenzial, Orte von Begegnung zu sein,  Demokratie zu stärken. Ob sie das sind, hängt von ihrer jeweiligen Beschaffenheit ab.
Das von einem Pioniergeist geprägte frühe Social Web, Web 2.0, wurde damals als neuer Ort von Begegnung erlebt. Nutzer verstanden sich als Pioniere, die einen neuen Meeting Ground gestalteten. Vernetzung bedeutete die Summe von Begegnungen, , die nicht mehr so leicht verloren gingen.  Man verstand sich als Community/ Netzgemeinschaft. 
Die Welt der Social Media in den 20er Jahren stellt sich anders dar: Plattformen betreiben ihre Agenda, haben ihre Einflusszonen entlang sozialer Graphen eingenommen. Algorithmen regieren.
Es haben sich neue Formen einer Influencer & Creator Ökonomie entwickelt, die zwar einige Spielräume für Begegnungen lassen, v.a. aber den Gesetzmässigkeiten einer Aufmerksamkeitsökonomie nachkommen. Der Ton hat sich verändert – Pöbelei – aggressive Kommunikation ist keine Seltenheit mehr.
Das grösste Problem: Digitale Begegnungsorte sind im Besitz weniger Konzerne – BigTech. Für die Weiterentwicklung spielen demokratische Prozesse keine Rolle. Es zählen Unternehmensentscheidungen – ein Eigentümerwechsel, wie das Beispiel Twitter/ X zeigt, oder eine Änderung der Unternehmensziele, kann Plattformen rapide umkrempeln.

Begegnung steht an der Basis gesellschaftlicher Wirklichkeit – Menschen können sich überall wo sie sind, begegnen – und entscheiden, wie sie zueinander stehen und wie sie miteinander umgehen.

Ein weiteres soziologisches Konzept lässt sich anfügen: Das Begriffspaar  Community vs Consociality. Community wurde oft überstrapaziert, bedeutet bereits eine Zugehörigkeit über gemeinsame Identität, Interessen, Ziele. Der Begriff steht in einer Tradition des Konzepts Gemeinschaft bei Ferdinand Tönnies.
Bei Consociality geht es nicht um Gemeinschaft, sondern um Begegnungen in einem weiteren gesellschaftlichen Rahmen.

Rainald Manthe: Demokratie fehlt Begegnung. Über Alltagsorte sozialen Zusammenhalts, 139 S. Transcript Verlag, 2024. auch: Alltägliche Begegnungsorte der Demokratie, 11.10.2024. 24 Vgl. auch : Christian Schwarzenegger: Medienöffentlichkeit als Raum der Begegnung, Heinrich Böll Stiftung, Juni 2019, 25 S – Sarah Wohlfeld, Laura-Kristine Krause: Begegnung und Zusammenhalt: Wo und wie Zivilgesellschaft wirken kann, 2021. 27 S. Kurt Imhof: Theorie der Öffentlichkeit als Theorie der Moderne. In C. Winter, A. Hepp & F. Krotz, Theorien der Kommunikations- und Medienwissenschaft (2008, S. 65–89) .- Zahlenangaben in Klammern nennen die Seitenzahl im Buch “Demokratie fehlt Begegnung”

 



Grünes Wachstum – ein neues sozio- ökonomisches Regime?

So sieht Adobe Firefly “Grünes Wachstum”

Verkaufte Zukunft von Jens Beckert hat einige Diskussionen aufgeworfen  – das Buch selber, in kleinem Kreise auch meine Rezension.

Fasst man Verkaufte Zukunft kurz zusammen, geht  es um einen pessimistischen Realismus, der mit dem Glauben daran  aufräumt, dass die Eindämmung der Klimakrise entlang der auf Konferenzen beschlossenen Klimaziele verläuft.
Die angemessene Reaktion auf den Klimawandel wäre eine Vollbremsung, die schnelle Reduzierung der verschiedenen Belastungen unter die vereinbarten  Grenzen. Ein Lösungsweg, der an wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Hemmnissen und Konsequenzen scheitert.
Die weiterführende Frage ist die, wie sich denn die von Beckert genannten Hemmnisse, bzw. deren Zusammenwirken überwinden lassen.

Ganz aktuell (5/24) hat Beckert ein Plädoyer für eine realistische Klimapolitik* veröffentlicht – grösstenteils identisch mit dem Schlusskapitel des Buches Wie Weiter (177 – 200).
Man kann es als eine Relativierung des Pessimistischen Realismus sehen – vielleicht ist dieser auch Voraussetzung, um eine realistische Zuversicht zu entwickeln.  Ist der Tenor des Buches  in seinem  längsten Teil – der Logik der kapitalistischen Moderne nach – fundamental pessimistisch –  wendet er sich zum Abschluss bzw. in der Nach- Publikation zu einer Motivation zum Bewusstseins- und Handlungswandel. Ohne geht es eben nicht weiter.

An mehreren Stellen hatte sich Beckert wohl anerkennend ( … Beispiele, die zeigen, wie soziales Leben in einer nicht auf ständiges Wachstum und Steigerung des Konsums angelegten Gesellschaft aussehen könnte, 137),  aber dennoch eher bedauernd über Entwürfe, wie Gemeinwohlökonomie, Slow Cities, Transition Towns geäussert.  In ihrer Grössenordnung liegen sie weit unter den Investitionen in fossile Energien.

Klimakrise ist keine Krise des Ja oder Nein, sondern eine des Mehr oder Weniger – je weniger Anstrengungen, desto mehr Klimakrise. Man kann  nicht einfach weitermachen, sich mit den Folgen abfinden und dann daran anpassen. Mehr Emissionen bzw. Belastungen bedeuten auch wieder mehr und weitreichendere Folgen.
Letztlich geht es nicht nur ums Klima,  sondern um die Gesamtheit  natürlicher Lebensgrundlagen bzw. der biologischen Lebenswelten des Planeten. Zu sehr sind sie in der Ganzheit von menschlichen Aktivitäten beeinträchtigt. Die Grenzen der physischen Landnahme sind längst erreicht, eine Ausdehnung in den Weltraum, ist SF- Spekulation.

Eher nebenbei führt Beckert ein Konzept der Regimes zur Steuerung wirtschaftlicher Ordnung ein. Der Ansatz stammt ursprünglich aus dem Kontext der Regulationstheorie.
In der Entwicklung des Kapitalismus zeigt sich eine Abfolge solcher Regimes. Sie definieren den Rahmen des Entscheidungshandelns.  Diese Grossen Narrative drücken sich in vielen Details der Gesellschaft aus: in  Investitionsströmen, technologischen Innovationen, in den gesellschaftspolitischen Leitlinien, wie etwa der Vorstellung von Wohlstand durch Wachstum und Fortschritt.
Verständlich wird das Konzept beim Einblick in die zurückliegenden Stufen: Fordismus ist geläufig als das Regime der Standardisierung, der Massenproduktion und Verbreitung des Massenkonsums. Gesellschaftlich brachte er breite Beteiligungen am Wohlstand, aber auch einen starken Anpassungsdruck. Im Rückblick wird diese Epoche immer wieder Objekt nostalgischer Idealisierung: Wirtschaftswunder, Trentes glorieuses, Great America (again).
Das folgende marktliberale Regime stellte den Markt als Ordnungsprinzip voran. Wahrscheinlich trifft Der neue Geist des Kapitalismus (Boltanski/ Chiapello 1999)** die Integration von Markt- und gesellschaftlich/ kultureller Liberalität am treffendsten. Unter dem Dach des marktliberalen Regimes fand so die Entdeckung der Kreativität als Wirtschaftsfaktor statt. Prinzipien wie z.B.  durch eigene Anstrengung kann sozialer Aufstieg gelingen – fanden verbreitete Akzeptanz. Souveräne Konsumentscheidungen gehören zum Kern des marktliberalen Freiheitsbegriffes (116).
Ökologische Folgen des Wirtschaftswachstums wurden zwar zunehmend thematisiert,  waren aber in beiden Regimes nicht vorrangig. 
Periodisierungen von Gesellschaft
gibt es zu Genüge – man denke an Abschnitte der Moderne, incl. Post- und Metamoderne, verschiedenen Stufen von Industrialisierung und kulturellem Wandel –  dazwischen lassen sich aber Parallelen entdecken.

Bedeutet Grünes Wachstum ein neues Regime zur Steuerung wirtschaftlicher Ordnung? Ein erneuerter Kapitalismus bedeutet hier, dass  Investitionsströme, technologische Innovationen, Konsumverhalten in Richtung Klimaneutralität  gelenkt werden.
Unternehmen als grösste Organisationskörper moderner kapitalistischer Gesellschaften² machen das nicht von alleine. Die Geschäftschancen entstehen erst durch das Zutun des Staates, nur wenn dieser langfristig stabile Rahmenbedingungen schafft, kann der Motor privater Investitionen ins Laufen kommen (s. 144).  Die Veränderung wirtschaftlichen Handelns kann daher nur in der Umgestaltung von unternehmerischen Anreizstrukturen bestehen, in  finanziellen Anstößen wie durch regulative Vorgaben.
Das ist eine Seite der – eher – optimistischen Perspektiven. Die andere ist eine mehr zivilisatorische des Bewusstsein- und Handlungswandels.

Das sind Veränderungen, die im wesentlichen von der Zivilgesellschaft ausgehen, von unten nach oben. Es geht um Verbreiterung von Bildung und Engagement. Beckert führt auf, dass Maßnahmen zur Klimaanpassung besonders dann Unterstützung finden, wenn sie als soziale Norm wahrgenommen werden, Menschen sie als zielführend erkennen und sie für sich selbst Möglichkeiten sehen, sich daran zu beteiligen (194).
Wege zur Schaffung neuer zivilisatorischer Standards. Oder auch Neue Narrative – Sprache ist das Betriebssystem unseres Bewusstseins, von daher rühren Narrative an Handlungsentscheidungen. Es geht darum, wie eine demokratische soziale Ordnung unter Bedingungen einer unzuverlässiger werdenden Natur und der unvermeidlichen Umverteilung vorhandener Ressourcen weiter entwickelt wird.

Es gibt sicher viele Ansätze zu einem Bewusstsein- und Handlungswandel . Verweisen möchte ich auf Die Neuerfindung des Unternehmertums von Reinhard Pfriem, wo es um den Anteil der Unternehmen geht.
Mit den Thesen von Philipp Staab in Anpassung – Leitmotiv der nächsten Gesellschaft  konnte ich mich nicht wirklich anfreunden. Der Begriff der Anpassung ist zunächst immer  relational – Anpassung ohne An was? hat wenig Aussagekraft. Anpassung kann sowohl ein sich einfügen in bestehende Strukturen bedeuten, wie auch den Rahmen der Möglichkeiten zu erkennen. Im positiven Sinne kann Anpassung bedeuten, Strategien zum Erhalt von Handlungsfähigkeit und der Sicherung erwünschter Zustände in einer Nachmoderne zu entwickeln.

Chat GPTs Image Generator hat ein etwas weniger idylliisches  Bild vom Grünen Wachstum

Soweit eine Ergänzung zu der vorhergehenden Rezension. Ein wenig überschneiden sich beide Texte.
Was ein pessimistischer Realismus an Zuversicht zulässt: Die bestehende wirtschaftliche Handlungslogik hemmt Veränderungen. Die Verbreitung Neuer Narrative kann sie anstossen, evtl. eine nachhaltige kulturelle Dynamik auslösen.  Es gibt Gegenströme – und es gibt eine noch unklare Rolle des Neuen Internet mit AI/KI und Spacial Computing/ Metaverse,

 

Jens Beckert: Verkaufte Zukunft – Warum der Kampf gegen den Klimawandel zu scheitern droht.  Suhrkamp Verlag, März 2024. 200S.  + Anmerkungen — * Jens Beckert: Zwischen Utopie und Resignation. Plädoyer für eine realistische Klimapolitik In: Blätter für Deutsche und Internationale Politik, Mai 2024. — ¹das Konzept der sozio- ökonomischen Regimes geht zurück auf den Aufsatz Expectations, Narratives, and Socioeconomic Regimes von Robert Boyer, erschienen in dem 2018 von Beckert et al. herausgegebenen Sammelband Uncertain Futures.  Vgl auch:  Robert Boyer: Economie politique des capitalismes: Théorie de la régulation et des crises 2015.   **Luc Boltanski & Ève Chiapello: Der Neue Geist des Kapitalismus . 1999. ²vgl. Reinhard Pfriem: Die Neuerfindung des Unternehmertums – Solidarische Ökonomie, radikale Demokratie und kulturelle Evolution (2021)

 



Verkaufte Zukunft – Warum der Kampf gegen den Klimawandel zu scheitern droht (Rez.)

Klimawandel ist Überthema der letzten zwei Jahrzehnte, ein Menetekel drohender Unbewohnbarkeit des Planeten,  eine massive Einschränkungsflanke aller Zukunftsvisionen. Dass Handlungsbedarf besteht, wissen wir seit Jahrzehnten, der Aufschub von Entscheidungen führt zu unumkehrbaren Entwicklungen (12). Dennoch wurde der entscheidende globale Ausstoss von Kohlendioxyd nicht zurückgefahren, sondern hat sich seit den 70er Jahren verdreifacht (9).
Warum sind Gesellschaften nicht in der Lage, dem Klimawandel Einhalt zu gebieten? 

Macht- und Anreizstrukturen der kapitalistischen Moderne und ihre Steuerungsmechanismen blockieren eine Lösung des globalen Problems (12) – das ist die zentrale These, die Jens Beckert, Direktor am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln, in Verkaufte Zukunftaufstellt – und dieser These entlang reiht sich das ganze Buch auf.
Es beginnt mit der Genese der kapitalistischen Moderne (24ff) und ihrer gesellschaftlichen Strukturen, in der sich das System wettbewerbsorientierter Märkte und privater Eigentumsrechte herausbildete: ein historisch einmaliges System nahezu unbegrenzten Wachstums, gekennzeichnet durch kontinuierliche Landnahme – der Einbeziehung immer neuer Regionen, Objekte, Akteure und der Zukunft (28).  Beckert setzt Bezüge zu Klassikern, wie Max Weber, Polanyi und Schumpeter.

Weltweiter Energieverbrauch 1800- 2022 (31)* – nach Klick in voller Auflösung

Fossile Energieträger ermöglichten die Dynamik der Industrialisierung: ohne Kohle keine Dampfmaschine, keine Eisenbahn und keine Stahlwerke, ohne Öl keine Autos und Flugzeuge. Die gesamte Geschichte der letzten zwei Jahrhunderte wäre ohne fossile Energieträger undenkbar.
Genauso   bedeutet die Verfeuerung dieser in Jahrmillionen angesammelten Reserven die Freisetzung des gespeicherten CO², die das Klima verändert. Das alles ist soweit bekannt, das Wissen darüber verbreitet.

Kapitel Big Oil (46ff) thematisiert Macht, Einfluss und Lobbyarbeit der fossilen Energiewirtschaft. Leugnung der Klimakrise ist heute keine gangbare Strategie mehr, die Konzerne pflegen eine neue Selbstdarstellung: Pläne zu verändertem Verhalten werden offensiv kommuniziert. Märkte für erneuerbare Energien wachsen, bei insgesamt steigendem Energieverbrauch bedeutet dies aber keine tatsächliche Wende.
Die Gewinne aus der Förderung von Öl und Gas sind weitaus höher als die Investitionen in erneuerbare Energien. In einer Welt mit steigendem Energiebedarf wird trotz massiven Ausbaus erneuerbarer Energien nicht weniger, sondern mehr Öl, Gas und Kohle verfeuert (54).
Drei entscheidende Kräfte lassen sich zusammenfassen, die einen Wandel hemmen: Neben den auf Gewinnmaximierung orientierten Unternehmen, sind es der auf wirtschaftliche Prosperität angewiesene Staat und der Gegendruck von BürgerInnen, die um Arbeitsplätze und gewohnte Konsum- und Lebenspraktiken bangen. Konsum konstruiert auch soziale Ordnung.

Nützlich und anschaulich ist das von Beckert übernommene Konzept der Abfolge sozio-ökonomischer Regimes¹ (142)  der Steuerung wirtschaftlicher Ordnung.  Grosse Narrative, die sich in den Details ausdrücken: in Investitionsströmen, technologischen Innovationen, aber auch in den gesellschaftspolitischen Leitlinien, wie etwa der Vorstellung von Wohlstand durch Wachstum und Fortschritt.
Fordismus ist geläufig als das Regime der Massenproduktion und Verbreitung des Massenkonsum. Das folgende marktliberale Regime stellte den Markt als Ordnungsprinzip voran. Ökologische Folgen des Wirtschaftswachstums blieben in beiden Regimes ausser Sichtweite.
Grünes Wachstum lässt sich als Wechsel zu einem neuen sozioökonomischen Regime verstehen (143). Unter dem Etikett Grün wird ein steigender Anteil der Investitionsströme, technologischen Innovationen und auch des Konsums in Richtung Nachhaltigkeit geleitet. Bei Wirtschaftsplanern wird Grünes Wachstums zum Megathema, das historische Investitionsmöglichkeiten eröffnet.
Beckerts folgende Analyse ist allerdings ernüchternd: Die Veränderungen bleiben weit hinter dem zurück, was notwendig wäre.  Grünes Wachstum ist für Investoren nicht deshalb attraktiv, weil  es  natürliche Lebensgrundlagen erhält. Auch der grüne Kapitalismus ist darauf angelegt, weiteres Wachstum herbeizuführen – das anderswo zu ökologischen Kollateralschäden führen kann.
Etwas anders verhält es sich mit den neuen Narrativen von Gemeinwohlökonomie, Slow Cities etc. –  Ihr messbarer Einfluss ist geringfügig, wer will kann sie spöttisch als hochgejubelte Kleinsterfolge oder symbolische Ersatzhandlungen bezeichnen. Dennoch schaffen sie neue Modelle, verbreitern ein Bewusstsein. Darin besteht ihre Wirksamkeit.
Sicher verbreitet sich der Konsum nachhaltiger, klimafreundlich klassifizierter Produkte (134) zuerst im Konsumverhalten ökologisch aufgeklärter Mittelschichten. Oft wird er zudem mit einem gewissen Distinktionsverhalten verbunden.  Dennoch sollte man beides nicht miteinander koppeln. Bewusster Konsum ist kein schichtspezifisches Merkmal.
Bekannt ist allerdings im gesamten Bereich der Nachhaltigkeit ein ausgeprägter Bruch zwischen Einstellungen und tatsächlichem Verhalten –   auch Say Do Gap genannt.

Nicht weiter thematisiert werden die Energieanforderungen von dem, was sich als nächstes Internet zusammenfassen lässt. Im Falle Blockchain/ Web3 war der CO² Imprint eines der wesentlichen Argumente dagegen.  Ein Metaverse bzw. Spatial Computing, das tatsächlich  auch die Erfahrungen vermittelt, die es verspricht, verbraucht ein noch unbestimmtes Ausmass an Energie – ähnliches gilt für KI- Anfragen. Inwieweit die Nutzung von Metaverse und KI anderswo Ressourcen einspart ist möglich, aber Spekulation.

Verkaufte Zukunft ist pessimistischer Realismus pur – bei aller nüchternen Analyse ein engagiertes und aufrüttelndes Buch,  beileibe keine Dystopie oder eine fatalistische Hinnahme. Dass beschlossene Klimaziele nicht eingelöst werden können, wird wohl längst stillschweigend eingesehen. Eine ökologische Transformation wird mehr Zeit brauchen, als man es sich wünscht.  Greenwashing gibt es umso mehr.

Was das Buch leistet ist eine sozialwissenschaftlich stringente Ausführung der Konfliktlinien, die die Durchsetzung der Klimaziele hemmen. Aufgabe der Politik scheint es u.a. zu sein, die Investitionsströme der Finanzmärkte in gesellschaftlich sinnvolle Felder zu lenken.
Die aus zivilgesellschaftlichem Engagement gewachsenen Initiativen spielen grössenmässig nur eine geringfügige Rolle – dafür aber mehr als Modelle, in der Diskussion und in der Ausbildung von Meinungen und Haltungen. Es geht nicht ohne positive Zielsetzungen.
Klimawandel ist nur ein Teil einer umfassenden ökologischen Krise. Mittlerweile  ist der gesamte planetare Raum, von der Antarktis bis zur Stratosphäre und zum Microplastik in der Tiefsee derart von seiner menschlichen Bewirtschaftung belastet ist,  dass sich die weitere Perspektive auf planetare Belastungsgrenzen richtet (vgl. 167).

Es gibt eine Geschichte globalen Handelns, die dem Anschein nach als Muster dienen könnte. In einem Interview mit der NZZ (11.03) äusserte sich Beckert zum Ozonloch auf der Südhalbkugel,  lange Zeit ein grosses Umweltproblem. Die Ursache lag in der Verwendung von Fluorkohlenwasserstoffen (FCKW) in Sprühdosen und Kühlschränken.
Eine ähnliche Koalition von Wissenschaftlern, Umweltschützern und schließlich auch Politikern,  mobilisierte die Weltöffentlichkeit, mit dem Montréal-Protokoll 1987 wurde ein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag zum Schutz der Ozonschicht durchgesetzt. Die Maßnahmen zeigen Wirkung, das Ozonloch hat sich allmählich stabilisiert und beginnt sich zurück zu bilden – bis dahin ein Erfolg.
Als Muster für die Durchsetzung der Klimaziele taugt sie aber nicht: Es ging nur um das Verbot einer einzigen Chemikalie, das keine grösseren Opfer verlangte. Das Problem der zentralen, hemmenden  Logiken wurde  nicht berührt.

Jens Beckert im Gespräch mit Gert Scobel; Stadtbibliothek Köln, 10.04.24

Die Buchpräsentation in der Kölner Stadtbibliothek hatte mich tatsächlich noch stärker überzeugt als das Buch selber –  wahrscheinlich  lassen sich die Gedanken. und  Konfliktlinien in dieser Form kompakter darstellen. Ein Koffer voller Diskussionsargumente.

Der folgende Beitrag – Grünes Wachstum – ein neues sozio- ökonomisches Regime? – schliesst auch inhaltlich an

 

Jens Beckert: Verkaufte Zukunft – Warum der Kampf gegen den Klimawandel zu scheitern droht.  Suhrkamp Verlag, März 2024. 200S.  + Anmerkungen   ¹ das Konzept der sozio- ökonomischen Regimes geht zurück auf den Aufsatz Expectations, Narratives, and Socioeconomic Regimes  von Robert Boyer, erschienen in dem 2018 von Beckert et al. herausgegebenen Sammelband Uncertain Futures.
*Data source: Hannah Ritchie, Pablo Rosado and Max Roser (2023) – “Energy” Published online at OurWorldInData.org. Retrieved from: ‘https://ourworldindata.org/energy’ [Online Resource]. Chart 48 of 241. Note: In the absence of more recent data, traditional biomass is assumed constant since 2015.
Renée Cho: AI’s Growing Carbon Footprint. In: State of the Planet. New from the Columbia Climate School. 6/23



Community vs Consociality- Digitale Sozialität

So sieht Chat GPT *Community

Im letzten Beitrag zur Aktualisierung des Netnographie–  Ansatzes hatte ich die  Unterscheidung Community – vs. Consocialitybased Netnography thematisiert.
Beide Begriffe bezeichnen Vorstellungen von Sozialität. Der eine Begriff – Community – ist weit verbreitet, allerdings oft überstrapaziert, mit einer breiten Bedeutungsstreuung. Consociality ist wenig geläufig und erklärungsbedürftig.

Die Gegenüberstellung beider Konzepte öffnet den Blick auf Entwicklungen digitaler Sozialität, über den engeren Kontext hinaus. Es gibt Parallelen zu Ferdinand Tönnies Gemeinschaft und Gesellschaft (1887), doch sind die Konzepte des 19. Jh. so nicht übertragbar – dazu abschliessend mehr.

Community bedeutet grundsätzlich eine freiwillige Vergemeinschaftung  auf der Basis identitätsbestimmender  Merkmale, gemeinsamer Interessen, Ziele  etc – entscheidend ist ein Gefühl von Zu- und Zusammengehörigkeit.  Mittlerweile im deutschen gebräuchlich, liegt die Bedeutung in etwa zwischen Gemeinde und Gemeinschaft.
Es ist eines der ältesten Konzepte in den Sozialwissenschaften. Als soziale und kulturelle Wesen leben Menschen in Gemeinschaften. Sie bedeuten das interaktive Umfeld aus dem sich Identität und Selbstverständnis der Einzelnen ableiten.
Der Community– Begriff im heutigen Sinne verbreitete sich mit den Cultural Studies von ethnisch definierten Communities (Ethnicity), wie z. B. black/ aboriginal/ migration diaspora  Community über solche, die sich abseits der Mehrheitsgesellschaft sahen (wie gay/ deafCommunity),  zu einer Vielzahl subkulturell definierter  Gemeinschaften, die sich in Popular- und Jugendkulturen  herausbildeten. Manche davon als Fankulturen, bis hin zu den Fans von Marken/ Brands- oft nach sehr vagen Kriterien: Style constitutes a group of identity ( Barker & Jane, 559)
Mit dem Konzept der Tribes gibt es Überschneidungen – so v.a. die gefühlte Gemeinsamkeit. Communities weisen aber ein gewisses Mass an Organisiertheit auf.

Online- Communities sieht der Image Creator so. – Promptings mit Konflikt- Bezügen führt der Chat Bot aber nicht aus

Digital Communities waren von Beginn an ein zentrales Konzept digitaler Sozialität. Oft herausgewachsen aus bereits bestehenden Sub- und Fankulturen, wie etwa zu Star Trek, im Gaming und im Tech- Umfeld, zu erlebnis- intensiven Sportarten, als Selbsthilfe, zur Verbindung mit Gleichgesinnten u.v.m. Identitäten abseits des Mainstream nahmen sich ihren Platz. Oft genug wurden Digital Communities zu einem wichtigen Teil des  Lebens ihrer Mitglieder.  
Allein die Möglichkeit der translokalen Vernetzung brachte Interessengruppen jeder Art zusammen. Community passte zum basisdemokratischen Aufbruchsgefühl des Web 2.0: Freie, nicht- hierarchische Assoziation auf der Grundlage gemeinsamer Interessen. Die digitale Öffentlichkeit als Ganzes wurde oft als Netzgemeinde angesprochen. Das geschieht heute kaum mehr – hingegen hat sich die Ansprache als Community in vielen Branchen und ihrem Umfeld verbreitet.

Moderierte bzw. gemanagete Communities stellen eine besondere Ausformung dar. Meist werden sie von Organisationen, Medien, Sendern und anderen Unternehmen betrieben – entscheidend ist aber auch hier ein Gefühl von Verbundenheit, die Entwicklung einer Beziehung untereinander über die Plattform hinaus.  So gibt es Bezüge zur Unternehmenskommunikation, evtl. CoCreation, die Moderation hält v.a. einen Fixpunkt und einen Standard digitaler Öffentlichkeit in manchmal schwierigen Feldern aufrecht. (vgl die Links zu Definitionen von Online- Communities unten)
Die Frage ist immer, was eine Community zusammengebracht hat – bzw. was sie zusammenhält.

So weit es auch gefasst ist, deckt das Konzept Community nur einen Teil digitaler Sozialität ab. Wie weit reichen Konzepte wie Gemeinschaft, Kultur, Identität in digitalen Umgebungen? Die tatsächlichen Erfahrungen sind oft von instabilen Kontexten bestimmt.

Consociality stellt der Image Creator weniger eingängig dar

Consociality, wurde als Consociation zuerst in The trouble with community (Amit/ Rapport, 2002) thematisiert. Gemeint waren kontextuelle Gruppierungen, meist abhängig von bestimmten Aktivitäten, in denen sich aber kaum kollektives Bewusstsein entwickelt. Es ist die Vielzahl oft alltäglicher und instrumenteller oder beiläufiger sozialer Ereignisse, die vormals oft keine Rolle gespielt haben – unter den Bedingungen von Social Media aber eine eigene Bedeutung erlangen.

In einem älteren Beitrag hatte ich dafür das Bild des #Hashtag gewählt: Soziale Verortung mit einzelnen Attributen. Menschen mit gleichen bzw. kompatiblen Interessen – oder auch nur Impulsen und Affekten – werden so zusammengeführt. Contextual fellowship bedeutet noch keine Gemeinschaft – erhält aber auf den Plattformen Bedeutung.
Consociality bezieht sich auf die physische und/oder virtuelle Kopräsenz sozialer Akteure in einem Netzwerk, die eine Möglichkeit zur sozialen Interaktion zwischen ihnen bietet. Übereinstimmungen, Kompatibilitäten, Ansichten, Impulse werden so relevant und bieten sowohl Möglichkeiten der Kooperation – wie sie sich auch einfach summieren und aufschaukeln können.

Mittlerweile ist ein grosser Teil des Alltags mit dem Internet verbunden. Digitale Sozialität  wird massgeblich durch die Plattformen strukturiert. Aktionen und Verhalten richten sich oft strategisch danach aus.
Ein endloser Strom von Nachrichten – echt und fake – Bildern, Video- Clips, Eindrücken, unterschiedlichster Provenienz setzt oft neue, manche noch in ihrer Konsequenz unbekannte Dynamiken in Gang.

Themen wie Online- Kultur, Communities, posttraditionale Vergemeinschaftungen etc. wurden bis vor ca. 10 Jahren in grösserem Umfang diskutiert. Damals waren sie oft mit positiven Zukunftsvorstellungen belegt – wahrscheinlich wurden einige davon auch verwirklicht und werden heute als selbstverständlich wahrgenommen. Andere Entwicklungen werden als problematisch wahrgenommen, als eine Verwahrlosung der digitalen Öffentlichkeit – in den USA Enshittification – thematisiert.
Ein Rückbezug zu Tönnies: Grundsätzlich kann man eine Polarität Gemeinschaft/ Gesellschaft als allgemeingültig annehmen: Hier die Ebene der Verbundenheit – dort die formalisierte Gesellschaft. Man braucht aber nur daran zu erinnern, dass die Grenzen der Gemeinschaft zu Tönnies’ Zeiten für die meisten Menschen einengend waren.
Community ist ein mit Werten verbundener Begriff (was nicht immer stimmen muss) – Consociality/ Consozialität kann ein Konzept sein, mit dem die Realität digitaler Sozialität besser beschrieben werden kann.

We are all interrelated beings in an interdependent world

Vered Amit, Nigel Rapport: The trouble with community: anthropological reflections on movement, identity and collectivity. Pluto Press, London 2002,  192 S.  Hanell, F.  &  Jonsson Severson, P.: Netnography: Two Methodological Issues and the Consequences for Teaching and Practice. The 6th Digital Humanities in the Nordic and Baltic Countries Conference, Uppsala, Sweden,  3/ 2022   Kozinets, Robert V.: Netnography. The Essential Guide to Qualitative Social Media Research.. 3d Edition 2019, SAGE Publications Ltd. 460 S. ., Ronald Hitzler, Anne Honer, Michaela Pfadenhauer: Posttraditionale Gemeinschaften. Theoretische und ethnografische Erkundungen, 2009 358 S.  – Chris Barker & Emma A. Jane: Cultural Studies. Theory and Practice, Sage Publ. 2016, 760 S.
Definitionen von Online- Communities: Tanja Laub 3/21 auf Community-Management.deVivian Pein  9/23 auf –socialmediamanager.de –  auch: Tom Klein: Manipulative Kommunikation…. kurz und knapp erklärt .. Whitepaper 2024

 



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