Hayek’s Bastards – Die neoliberalen Wurzeln der populistischen Rechten – (Rez.)

Hayek’s Bastards The Neoliberal Roots of the Populist Right von Quinn Slobodian erschien vor wenigen Wochen (15.04.)  – und behandelt primär die ideologischen und intellektuellen Entwicklungen bis in die frühen 2020er Jahre. Aktuelle  Bezüge zu den Ereignissen seit November 2024 sind nicht zu finden.
This is a revolution of white Euro- Males – Der Satz von Murray Rothbard steht dem zweiten Kapitel The Rock of Biology voran.  Es geht um ihre Belange, die bedroht sind – die da sind: taxes, regulations, environmentalism, gun control, foreign aid etc. – und ganz sicher Migration (60).
Rechtspopulismus
wird oft als Reaktion auf Neoliberalismus und Globalisierung gedeutet. Als eine Art Aufstand der Enttäuschten, der Verlierer. Rechtspopulisten inszenieren sich als Vertreter des wahren Volkes, als die wahren Demokraten, die sich gegen eine korrupte Elite erheben, damit das Volk sein Schicksal bestimmen kann. Nur, wer wie das Volk denkt, wer seine Vorstellungen von Normalität, Anstand, Moral, teilt, kann auch für das Volk sein – so schreibt es etwa Marcel Lewandowski in Was Populisten wollen* (2024).

Quinn Slobodian, kanadischer Zeithistoriker,  stellt dem entgegen, dass die Strömungen der extremen Rechten innerhalb der neoliberalen intellektuellen Bewegung entstanden sind und nicht gegen sie.
Was in den letzten Jahren an ideologischen Gegenreaktionen zur neoliberalen Globalisierung beschrieben wurde, ist kein einfacher Backlash – also keine Gegenbewegung gegen einen bestehenden Trend – sondern ein Frontlash*+: eine Bewegung, die sich gegen eine bereits eingesetzte Gegenbewegung richtet.
Es ist keine Rückkehr zu einer alten Ordnung, sondern eine interne Radikalisierung der bestehenden neoliberalen Prinzipien, gerichtet gegen neue politische und soziale Forderungen.

Der Titel Hayeks Bastards – The Neoliberal Roots of the Populist Right ist eine Hommage an Voltaire’s Bastards: The Dictatorship of Reason in the West (John Ralston Saul, 1992).
Ralston Saul hatte die gewundene Geschichte von Vernunft und Rationalität in westlicher Philosophie und Politik neu erzählt. Rationale Prinzipien der Aufklärung und Ideale der Wissenschaftlichkeit wurden in einer Form  fetischisiert, dass technokratische Eliten zu primären Entscheidungsträgern wurden. Demokratische Prinzipien wurden unter dem Vorwand von Effizienz und Expertise untergraben –  es  entstand eine Kaste von Managern und Bürokraten.
Eine ähnliche Dynamik sieht Slobodian heute bei den Epigonen von Hayek und Mises. Hayeks Bastarde – gemeint sind  Vertreter
diverser Spielarten des Libertarismus und Anarcho- Kapitalismus – die sich allesamt einer Rhetorik der – wirtschaftlichen – Freiheit bedienen, die auf Hayek (und Mises) zurückgeht.  Die Beschränkung auf ökonomische Aspekte und die Vernachlässigung sozialer Dimensionen eröffnete einen Raum, der von libertären Bewegungen genutzt wurde, um ihre spezifischen Ideologien zu entwickeln – die dann die Kurve zu Rechtspopulismus- und extremismus nahmen. 

Cheerleader mit der Kettensäge: Musk & Millei auf der CPAC – 20.02.15

Für sich allein lösen die Bezeichnungen und ihre Rhetorik zunächst Irritationen aus. Was sie ausmacht, ist oft nur das Radikale des Wirtschaftsliberalismus: Freier Markt als Fetisch, als Naturgesetz, als unbedingte Wahrheit. Anderen – grundlegenden – liberalen Freiheiten steht man feindlich gegenüber. Egalitarismus, globale ökonomische Gleichheit und Solidarität über nationale Grenzen  sind Sündenfälle. Das Bild der Kettensäge verdeutlicht die fortlaufende Radikalisierung, die Logik der Disruption.
Manchmal erinnern sie an evangelikale Bewegungen: Es gibt Erweckungserlebnisse, Schriften, auf die man sich beruft. Es gibt den Gedanken der Reinheit der Lehre und ihrer Befolgung. Komplexe Realitäten werden auf einfache Grundprinzipien heruntergebrochen.
Libertaristische Strömungen hatten beträchtlichen Einfluss auf das Projekt 2025 der  Heritage Foundation – dem Bauplan zur Machtergreifung Trumps. 

Eigentlich hatte das Ende des Kalten Krieges den Triumph des Kapitalismus über den real existierenden Sozialismus bedeutet. Zudem war die keynesianische Wirtschaftsordnung der 70er Jahren bereits zuvor, zumindest in der angloamerikan. Welt unter Thatcher und Reagan in eine neoliberale umgewandelt worden.
In den Augen seiner glühendsten Verfechter war dieser Sieg aber nicht vollständig. Socialism is dead, statism is not. Das Feindbild drehte auf die Folgen der sozialen Bewegungen der 1960er und 1970er Jahre, den demokratischen Staat, der gleiche Rechte für alle garantierte.
Was die meisten Menschen – oder eben der Mainstream – als gesellschaftlichen Fortschritt erlebten, war für sie der reine Schrecken: Die sozialen Bewegungen hatten dem politischen System das Gift der Bürgerrechte, des Feminismus, der affirmative action und des ökologischen Bewusstseins eingebracht.  Begonnen hatte all das  mit dem Civil Rights Act von 1964 – gleiche Rechte auf Kosten von Effizienz, Stabilität und Ordnung. Auch die Europäische Integration  wurde als neue Gefahr betrachtet und zum Feindbild.
Woke wurde zum Trigger- Wort – zum übergreifenden Feindbild aufgebaut. Berücksichtigung der Rechte  von Minderheiten abgelehnt. 

Welchem politischen Spektrum Hayek heute zuzurechnen wäre, bleibt Spekulation. Sicher ist: Sein Erbe wird von einem breiten ideologischen Spektrum beansprucht – von wirtschaftsliberalen Konservativen bis hin zu rechtslibertären und autoritären Akteuren.
Hayek war in erster Linie ein Verfechter rechtsstaatlich eingebundener unternehmerischer Freiheit und individueller Eigenverantwortung. Er entstammte einem bürgerlich-konservativen Milieu, das stark von Skepsis gegenüber staatlicher Intervention geprägt war.
Dass er bereit war, mit autoritären Regimen wie dem unter Pinochet in Chile zu kooperieren – oder sie zumindest zu rechtfertigen –, zeigt die Grenzen seines Demokratieverständnisses: Entscheidend war für ihn nicht die demokratische Form, sondern der Schutz marktwirtschaftlicher Ordnung.
Hayek war kein Vordenker eines rechten Autoritarismus. Aber ebenso wenig war er ein überzeugter Verteidiger liberaler Demokratie im heutigen Sinn. In seinen späten Schriften trat die Vorstellung eines formalen Rechtsstaats oft deutlicher hervor als jene einer egalitären, partizipativen Demokratie.

Er selber wird mit der Aussage zitiert, dass Neoliberalismus eine erlernte, zivilisatorische Disziplin sei, die den tief verwurzelten Instinkten der Menschheit zunächst widerspreche.
Einige seiner Nachfolger sahen das anders und argumentierten mit genetisch bedingten Ungleichheiten – soziale und ökonomische Hierarchien seien das Resultat natürlicher und unveränderlicher Unterschiede zwischen den Menschen. Damit öffneten sie den Weg zu Argumentationen  rassistischer Rechtfertigung von Ungleichheit.
Slobodian nennt diese Verbindung von Mainstream-Neoliberalismus mit der  Argumentation genetisch gerechtfertigter Ungleichheit New Fusionism – ein Revival des Rassismus.  

Charles Murray wurde mit The Bell Curve (1994) bekannt – ein Buch, in dem er Intelligenz und soziale Schichtung mit Ethnizität verknüpfte. Deutsches Äquivalent  wäre etwa Thilo Sarrazins Deutschland schafft sich ab – beide Bücher fachten  ähnliche Diskussionen an, und hatten ähnliche Wirkungen. Diese Thesen stießen auf erhebliche Kritik und wurden von vielen als pseudowissenschaftlich und rassistisch eingestuft. Murray argumentierte, dass Intelligenz ein wesentlicher Faktor für den sozioökonomischen Status sei und dass es Unterschiede im durchschnittlichen IQ zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen gebe – Thesen, die eine kognitive Elite  legitimieren sollten.

Murray Rothbard (1926-1995) – nicht zu verwechseln mit dem eben genannten Charles Murray, wird als Vordenker  beschrieben, der Libertarismus und Rechtspopulismus miteinander verband. Es sind die von ihm entworfenen Strategien, die den aktuellen autoritären Rechtspopulismus prägen. In einem anderen Essay setzt Slobodian Rothbard in Bezug zu Lenin – von ihm entlehnte er nicht nur dessen Revolutionshoffnungen, sondern war wie dieser bereit dazu, aus vergangenem Scheitern zu lernen und seine Analyse entsprechend anzupassen (vgl. Slobodian & Bebnowski 1/25).
Paleo- Libertarismus klingt zunächst wie die Rückführung auf anthropologisch legitimierte Verhältnisse. Tatsächlich ist es ein machtpolitisches Zukunftsmodell mit einem enormen Einfluss auf die moderne politische Rechte: Right-Wing Populism, die Verbindung zwischen radikalem Libertarismus, kulturellem Konservatismus und Autoritarismus.
Outreach to the Rednecks – mit diesem Motto  entwarf Murray Rothbard die Strategie, die den Aufstieg populistischer Politik vorwegnahm. Er skizzierte  dabei eine politische Taktik, bei der ein charismatischer Führer die traditionellen Medien umgeht und direkt mit der Bevölkerung kommuniziert. Zielgruppe der Ansprache waren in erster Linie die  Rednecks,  das Middle America, jene Bevölkerungsgruppen, die sich von der politischen Elite vernachlässigt fühlten. Auch der Slogan America First stammt von ihm.

Kernstück der Strategie ist die gebündelte massenmediale Aufmerksamkeit und die damit einhergehende affektive Aufladung. Mit Social Media wurden die Möglichkeiten in vorher unbekannter Weise Wirklichkeit. Rothbards Strategien fanden in den Trump- Wahlkämpfen Anwendung-  viele der Details, die uns heute verwundern und erschrecken wurden von ihm konzipiert. Nicht nur in den USA – auch in den präsidialen Regierungssystemen Südamerikas Brasilien (Bolsonaro), Argentinien (Milei) und El Salvador (Bukele) gelang der Aufstieg ins höchste Staatsamt.
Präsidiale Regierungssysteme mit einer starken Exekutive können anfälliger für autoritäre Tendenzen sein als parlamentarische Systeme. Der tatsächliche Widerstandsfähigkeit eines Systems gegenüber autoritären Tendenzen hängt aber von anderen Faktoren ab, wie der politischen Kultur, der Stärke der Zivilgesellschaft und der Unabhängigkeit der Justiz.

Hans-Herrmann Hoppe, deutscher Volkswirt, aber lange in den USA wirkend, gilt als weitere Schlüsselfigur. Hoppe, der bei Habermas promoviert hatte, entwickelte er sich zum offenen Befürworter antidemokratischer Positionen. Er verknüpft das auf Privateigentum begründete Recht auf Ausschluss, Exklusivität und Diskriminierung mit kulturell-konservativen Vorstellungen einer idealisierten, prämodernen Gesellschaft. Das Ergebnis ist ein Gesellschaftsmodell, das letztlich auf autoritäre Herrschaft durch Eigentümer – vergleichbar mit CEOs – hinausläuft. New Fusionism zwischen radikalem Marktdenken und kulturellem Traditionalismus.

Curtis Yarvin (*1973) und Richard Hanania (*1985) vertreten eine jüngere Generation.  Yarvin steht dem aktuellen US-Vize Vance und dem Oligarchen Peter Thiel nahe. Er vertritt  autoritäre, technokratische Herrschaftsformen -eine Privatisierung der Öffentlichkeit.
Von Hanania erschien 2023  The Origins of Woke: Civil Rights Law, Corporate America and the Triumph of Identity Politics – von Thiel gelobt:  Hanania shows we need the sticks and stones of government violence to exorcise the diversity demon.
Yarvin
wie Hanania bauen ihre Argumentationen auf dem Fundament einer vermeintlichen unbequemen Wahrheit auf – dem Gedanken, dass menschliche Gleichheit eine noble Lüge sei, die an der biologischen Realität scheitere.

Libertarismus tritt mit einer Reihe unterschiedlicher Attribute auf:  Cyberlibertarianismus hatte ich vor einiger Zeit in der Rezension zu David Golumbias Buch beschrieben. Er wirkt zusammen mit der immensen ökonomischen und medialen Macht von BigTech.
Libertarismus in all seinen Spielarten hat keine überzeugende Antwort auf die Frage nach dem Gemeinwesen, nach dem, was Menschen jenseits vertraglicher Beziehungen zusammenhält. Er bietet keine Erzählung des Kollektiven, keine Vision von Gesellschaft jenseits atomisierter Individuen. Das macht  ihn anschlussfähig für andere ideologische Strömungen – sei es  nationalistischen Populismus oder einen  Silicon-Valley-Technokratismus. In der Realität begünstigt er eine Verklumpung, ein Mash- Up von Machtsystemen.

Slobodian ist Kanadier, sein Blick v. a. auf Nordamerika, daneben Grossbritannien gerichtet. Dennoch finden die Verhältnisse in Deutschland Beachtung (152 ff). Als frühe Kristallisationsfigur nennt er den bereits erwähnten Thilo Sarrazin, dessen Synthese von Freihandel, nationaler Geldpolitik und biologischem Rassismus.
Weiteren Raum nehmen die Verbindungen zur Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft ein, die personell von rechtskonservativen bis – radikalen Netzwerken durchsetzt ist, so sind Beatrix von Storch Peter Boehringer (Bundestagsabgeorneter der AfD) Mitglieder, bin 2021 auch Alice Weidel. 
Kaum angesprochen wird allerdings das Völkische Substrat in der AfD. – das in der AfD wohl eine grössere Rolle spielt. 

Libertarismus ist in Slobodians Darstellung eine Radikalisierung neoliberalen Denkens, das in den strategischen Konzepten Murray Rothbards und dessen  Verbindung mit autoritären Strömungen den konstitutionellen Rahmen sprengt. Die Grenze zwischen beiden verläuft nicht entlang ökonomischer Details, sondern an ihrem Verhältnis zur Demokratie. Neoliberales Denken zielt auf Märkte innerhalb eines rechtsstaatlichen Rahmens – mit Verfassung, Institutionen und Regeln. Libertäre hingegen misstrauen jeder Form kollektiver Steuerung, auch wenn sie demokratisch legitimiert ist.
Sie wollen den Staat auf ein Minimum reduzieren oder ganz zurückdrängen – und stellen damit auch den gesellschaftlichen Pluralismus und das Prinzip politischer Teilhabe in Frage. An diesem Punkt kippt die marktwirtschaftliche Ordnungsidee in ein autoritär-libertäres Projekt, das demokratische Grundlagen unterläuft.
Hayek dient als Legitimationsfigur, als intellektueller Stammvater, dessen Autorität man sich borgt, selbst wenn seine Ideen in Richtungen weiterentwickelt werden, die er nicht gebilligt hätte.

Quinn Slobodian: Hayek’s Bastards: The Neoliberal Roots of the Populist Right , 4/25  Quinn Slobodian & David Bebnowski Der Vordenker des neuen Rechtspopulismus Beiträge zur polit. Ökonomie 25.01.25. Quinn Slobodian: The bastards of neoliberalism. The eccentrics of the new right aren’t rebelling against our political regime – they are its twisted successors. The New Statesman . 19.04.25.  Otmar Tibes: Liberalismus mit der Kettensäge. Beiträge zur politischen Ökonomie – 25.04.25   Sven Reichardt: Neuerfindung des Faschismus. FAZ am Sonntag, 20.04.2025. Philipp Inman: It’s not poverty that’s breeding the new populism. It’s wealth. The Guardian. 19.04.25 *In: Marcel Lewandowsky: Was Populisten wollen (2024).. s. Rez.  **Frontlash bezeichnete die Gegenréaktion auf die Politik der Bürgerrechte in den 60er Jahren (vgl.: Link

Von demselben Buch gibt es zwei Versionen: Mir liegt die britische Ausgabe, die bei Penguin Books erschienen 15.04.25  vor: Hayek’s Bastards: The Neoliberal Roots of the Populist Right.  Sie richtet sich primär an ein britisches bzw. internationales Publikum und betont in ihrem Titel die ideengeschichtlichen Wurzeln des Rechtspopulismus im Neoliberalismus. Gleichzeitig erschien die US- Ausgabe bei zone – Books unter dem Titel Hayek’s Bastards: Race, Gold, IQ, and the Capitalism of the Far Right. 



Cyberlibertarianism – The Right Wing Politics of Digital Technology

Im gereizten Klima der letzten Wochen – seit der zweiten Trumpwahl, dem Bruch der Ampel, der Parteinahme von Elon Musk für die AfD, dem Kotau Zuckerbergs vor Trump usf. – gibt es ein starkes Interesse an Erklärungsmodellen  zum Schulterschluss von BigTech mit dem autoritären Rechtspopulismus von Trump und seiner Bewegung MakeAmericaGreatAgain.

Demokratisierung des Wissens, Freiheit der Information, der Aufbau digitaler  Gemeinschaften – all das unter Umgehung bestehender Hierarchien – zählten lange Zeit zur Agenda des Digitalen Fortschritts.
Digitaler Fortschritt war und ist in seinen vielfältigen Stationen aufs engste mit der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung im  späten 20. und im 21. Jahrhundert verbunden.
Manche Branchen und Institutionen zerschlug es, insgesamt wurde Digitaler Fortschritt aber mit Zuversicht bis Begeisterung aufgenommen, als Erweiterung der persönlichen Möglichkeiten und Spielräume.
Jahrzehntelang war das Netz der Ausgangsort von Veränderung. Vom frühen Cyberspace, zum Web 2.0., zu den Social Media etc. – Medienöffentlichkeiten und ihre Möglichkeiten änderten sich immer wieder, sie waren Teil der populären  Kultur. Ganze Generationen wurden mit  bestimmten Formaten medialisiert, ihr Ablauf als persönliche (Medien-) Biographien erlebt. Technologie bot immer wieder die Mittel zur Umgehung bestehender Institutionen und ihrer Restriktionen.

Cyberlibertarianism The Right-Wing Politics of Digital Technology erschien im November 2024. Autor David Golumbia (1963–2023) verstarb kurz vor Vollendung des Buches.  Peer-Reviews waren bereits abgeschlossen, einige noch bestehende Lücken wurden von George Justice anhand von Manuskripten  vervollständigt
Golumbia geht davon aus, dass Right- Wing Politics von Beginn an sowohl in der technischen wie in der sozialen Konstruktion der digitalen Welt angelegt waren. Bereits 2016 hatte er in The Politics of Bitcoin: Software as Right-Wing Extremism: Bitcoin, Digital Culture, and Right-Wing Politics  Verbindungen von rechtspopulistischen und techno-libertären Ideen im Umfeld der Kryptowährungen offengelegt.

Als Begriff tauchte Cyberlibertarismus seit den 90er Jahren auf, so in den Debatten zu J.P. Barlows Declaration of the Independence of Cyberspace (1996). Deklariert wurde damit der Anspruch auf ein sich selbst regierendes Internet und seine Unvereinbarkeit mit staatlichem Zugriff und staatlichen Regulierungen.
Eine passende Beschreibung stammt bereits aus dieser Zeit: a collection of ideas that links ecstatic enthusiasm for electronically mediated forms of living with radical, right-wing libertarian ideas about the proper definition of freedom, social life, economics, and politics (Langdon Winner, 1996).

Libertär stand ursprünglich für eine anti-autoritäre, anti-kapitalistische Haltung, für individuelle Freiheit als Rebellion gegen gesellschaftliche und moralische Beschränkungen.
Eine Umdeutung erfolgte in den USA der Zeit des kalten Krieges hin zum  Marktradikalismus unter dem Einfluss der Chicago school of economics, der Schriften von Ludwig v. Mises, und auch Anarcho- Kapitalisten wie  Murray Rothbard
In den aktuellen Diskussionen bezeichnet libertär meist marktradikale Strömungen, die individuelle Marktfreiheit, radikale und uneingeschränkte Eigentumsrechte sowie oft Vorstellungen von Ungleichwertigkeit vertreten: the shared view is that the most important expression of “individual freedom” is found in the individual’s ability to profit (28).
Im Tech- Kontext verschmolz die Bedeutung mit techno-utopischen Ideen und wuchs zur Fundamental- Opposition gegen jede staatliche Regulierung des Internet. Alle Einschränkungen, wie Anti- Trust Gesetze, Umweltauflagen etc. seien ein Affront gegen die Freiheit. In ihren Extremen, wie man sie etwa bei Peter Thiel sehen  kann, geht es um die Überwindung demokratischer Strukturen zugunsten einer technokratischen Elite.  Auch Elon Musk ist dieser Richtung zuzuordnen,  mehr affektiv als ideologisch unterfüttert. Wie soll man es nennen? vollkommen enthemmten, aber wirkungsbewussten Opportunismus? Ein Milliardär, der austestet, wie weit er gehen kann?

Cyberlibertär wird hauptsächlich als analytische Fremdbezeichnung verwendet – neben dem Autor Golumbia u.a. von Lincoln Dahlberg und Langdon Winner (s.u.).
Golumbia verweist auf entscheidende Glaubenssätze, die bereits früh angelegt waren:  … the view that ‘centralized authority’ and ‘bureaucracy’ are somehow emblematic of concentrated power, whereas ‘distributed’ and ‘nonhierarchical’ systems oppose that power (61) ).
Diese Einstellung lässt sich oft auf die Ansicht reduzieren, dass demokratische Regierungen das Internet nicht regulieren können oder dürfen – oder, daraus folgernd, dass das Internet ein Ort sein sollte, für den Gesetze nicht gelten.
Dabei stösst man schnell auf das entscheidende Paradox: Cyberlibertarismus lehnt gesellschaftliche Regulierung ab – die doch auf rechtsbasierten Regeln beruht – gleichzeitig wird ein weitgehend unregulierter freier Markt  befürwortet –  auf dem sich zwangsläufig Machtkonzentrationen und hierarchische Strukturen herausbilden. Letztlich bedeutet das freie Hand für Oligarchen.

Cyberlibertarianism lässt sich als unvollständige Ideologie, als Sammlung kulturell gewachsener Denk- und Handlungsmuster, oft als opportunistisch genutzte Legitimation verstehen.
Das Buch spiegelt die kulturelle und politische Geschichte der USA – mit einer Betonung auf Kalifornien und das Silicon Valley –  von den 1950er Jahren bis zur Gegenwart. Es bietet einen umfassenden Blick auf die Zusammenhänge zwischen der technokulturellen Entwicklung und dem politischem Denken, was aktuell sehr brisant ist – written by the most optimistic pessimist you could ever meet (George Justice im Vorwort). 

Symbole der kalifornischen Ideologie: Lady Liberty auf dem Burning Man Festival. Foto: Jeremy Bishop unsplash.con

Californian Ideology ist eine beliebte Story zu dem, was in der Innovationskultur zusammenkam:  die Counterculture der Hippies und die vorhergende der Beatniks, ein ausgeprägter Hedonismus, die neuen Möglichkeiten der Technologie-  dazu eine Landschaft und ein Klima, die alles bieten, weltbekannte Universitäten und Forschungseinrichtungen  und schon früh viel Geld v.a. aus dem Verteidigungsetat. Im gleichnamigen Text wurden bereits 1996 wesentliche Elemente, die auf  Cyberlibertarismus zutreffen, beschrieben (s.u.¹)

Das Internet wurde schliesslich zur Electronic Frontier, zum neuen grenzenlosen Raum individueller Freiheit, frei von staatlicher Kontrolle – unreguliert.  Dazu passt auch das Ideal eines autarken Individuums.
Statt der Freiheitsideen der Hippies verbreiteten sich längerfristig die  genannten wirtschaftlichen Freiheitsideen. Ein spezifischer Habitus und informelles  Auftreten blieben, verweisen aber nicht auf eine Aufweichung von Machtstrukturen.
Zur Expansion der Tech Unternehmen gibt es eine ganze Reihe von Modellen. Das Modell der Landnahme schliesst anschaulich an das der Electronic Frontier an: der Ausbau von Reichweiten, die Erschliessung und Strukturierung des Digitalen Neulands.  Aufbau und Verbreitung der Plattformen ist ein zentrales Ergebnis der digitalen Landnahme. Digitale Sozialformate haben sich daran entwickelt. 

Der zentrale Konflikt zwischen staatlicher bzw. gesellschaftlicher Regulierung vs. der Reichweiten- Macht von BigTech bleibt. Die propagierte Freiheit befördert  letztlich  die Entstehung von Privat-Monopolen.
Der wesentliche Kipppunkt liegt dort, wo die digitale Ordnung der Dinge bedeutender wird als die bislang bestehende. Zunächst werden die Plattformen als neue Möglichkeiten erlebt. Sind sie soweit gewachsen. dass sie unumgehbar für die Teilhabe an Medien, Kultur und Geschäftsmöglichkeiten sind, werden sie zu einem faktischen Monopol.
Hier trifft der Anspruch von demokratisch legitimierten Staaten, Bedingungen zu regulieren, auf die wachsende Macht von Tech-Unternehmen, die inzwischen zu den kapitalstärksten globalen Akteuren gehören.
In libertärer Lesart wird diese Marktmacht jedoch nicht als Problem, sondern als natürliche Folge individueller Freiheit und unternehmerischer Autonomie betrachtet. (Cyber-)libertäre Ideologie wird so zunehmend zur Rechtfertigung der immer stärkeren Präsenz und des Machtanspruchs großer Tech-Unternehmen genutzt. Their freedom doesn’t mean your freedom – heisst es in einem Video zum Thema.
Digitale Konzerne können durch ihre enorme Marktmacht faktisch wie private Gesetzgeber agieren, es entsteht ein Markt- Pseudo-Staat, dessen Regeln weder demokratisch legitimiert noch rechtlich angemessen kontrolliert sind.

In der Praxis läuft Cyberlibertarismus oft mit technologischem Determinismus zusammen: Plattformen wie Google, Meta oder Amazon propagieren, dass ihre Technologien unaufhaltsame Fortschritte bringen – deterministisch – während sie gleichzeitig betonen, dass diese Fortschritte den Einzelnen und freien Märkten zugutekommen – libertär.
Soweit zu den Grundlinien des Cyberlibertarismus. David
Golumbia beleuchtet in Cyberlibertarianism eine ganze Reihe weiterer Stränge, manchmal esoterischer und kryptischer bis hin zu cyberfaschistischer Art im politischen Denken des Silicon Valley. So finden sich jeweils ausführliche Abschnitte zu  Nick Land and the Cybernetic Roots of Contemporary Fascism (381ff),  zur Alt- Right Bewegung etc. und auch zu Vorstellungen posthumanistischer Welten. 

Einige wesentliche Bezüge ziehen sich durch den ganzen Text:
Surveillance Capitalism von Shoshana Zuboff (2018/19) war die erste massive Kritik an den Geschäftsmodellen von BigTech- sie traf v.a. Google: the human expectation of sovereignty over one’s own life and authorship of one’s own experience” (521)werde von digitalen Technologien bedroht. Als einzige Lösung sieht Zuboff, dass Demokratien über Gesetzgebung und Regulierung wieder Hoheit über den politischen Raum beanspruchen. Zwar schärfte ihre Kritik die öffentliche Diskussion und veränderte die Wahrnehmung von Big Tech, führte jedoch nicht zu grundlegenden Veränderungen.

Überraschend kritisch steht Golumbia zu Julian Assange, dem er vorhält sich als heroische Zentralfigur eines Anti-Establishment-Kampfs zu inszenieren. Seine vermeintlich anarchistischen Positionen habe faktisch rechtspopulistische Narrative unterstützt. Generell sieht er immer wieder in vermeintlich techno-utopischen oder cyber-anarchistischen Positionen ein Einfallstor, das in der Praxis rechten Bewegungen in die Hände spielt.

Der Blick auf das ganze Bild  zeigt eine breite, v.a. in der kalifornischen Bay- Area angesiedelte Szene, die die Möglichkeit hatte, eine neu entstehende digitale Welt zu gestalten. Technisch getrieben, aber auch mit popkulturellen Wurzeln (Verweis auf die Grateful Dead). Angeschoben durch Geldströme  aus staatlicher Förderung und Venture Capital. Hervorgebracht hat sie die Blockchaim, den Überwachungs- Kapitalismus, das Metaverse auf der Wunschliste. Mental oft berauscht durch die Erfolge der Umsetzung.  Schliesslich eine machtbewusste kleine Elite, die sich zunehmend als globaler Machtfaktor sieht.

Golumbias Urteil ist knapp und vernichtend: An einer Stelle (279) heisst es: Cyberlibertarian politics in a nutshell: antidemocracy portraying itself as both democracy and “above” politics, when it is anything but.
Zusammenfassen lässt sich sein Fazit so:  Demokratische Werte können nur dann behauptet werden wenn wir das Digitale wieder in unseren eigenen Händen verankern. Ansonsten wird es zur Spielwiese weniger Akteure bzw. einer kleinen Elite, die einem neuen Autoritarismus den Weg ebnen.

Oligarchie – Konsequenz des Cyberlibertarismus?

Das Buch ist erst vor zwei Monaten erschienen – der Text von Golumbia war spätestens im Sommer 23 fertig gestellt. Seitdem haben sich Weltlage und der globale Vibe so sehr verändert, wie man es kaum für möglich gehalten hatte.
Exakt während des Lesens und des Schreibens dieser Rezension folgte die nächste Stufe der Eskalation: Trumps Inauguration. Eine Inszenierung von Macht und Geld mit dem Spalier der Milliardäre aus der Tech- Branche. Territorialansprüche werden an verbündete Staaten gestellt.  Der Nazigruss von Elon Musk als inszenierte Provokation.

Offen bleibt, wie stabil die Machtstrukturen sind. Wie stabil ist die Achse von MAGA und Big Tech? Wie stark sind die Protagonisten tatsächlich?  Musk tritt derzeit als globaler Toxiker auf, der massiv wirtschaftliche und mediale Macht politisch einsetzt, dabei auch den deutschen Wahlkampf aufmischt. Wäre etwa ein Metaverse aus dem Hause Meta/Facebook als erweiterter gesellschaftlicher Raum wünschenswert? .

Ein Meinungs- Fundstück zum Nazigruss von Elon Musk:  It was a display of power, and a signal: the tech oligarchy is here, and it will do what it wants.

 

David Golumbia und George Justice: Cyberlibertarianism: The Right-Wing Politics of Digital Technology, 481 S. 11/2024. David Golumbia: The Politics of Bitcoin. Software as Right- Wing Extremism. University of Minnesota Press. 2016.  Cyberlibertarianism: . Clemson University. 2013 Means TVWhy Is Elon Musk Like That? – Introduction to Cyberliberatarianism – Maik Fielitz & Holger Marcks. Digitaler Faschismus. Die sozialen Medien als Motor des Rechtsextremismus. Duden Verlag, Berlin 2020. Langdon Winner: Cyberlibertarian Myths and the Prospects for Community 1997/2018 Lincoln Dahlberg: Cyber-Libertarianism 2.0: A Discourse Theory/Critical Political Economy Examination. Cyberlibertarianism
¹Information technologies … empower the individual, enhance personal freedom, and radically reduce the power of the nation-state. Existing social, political and legal power structures will wither away to be replaced by unfettered interactions between autonomous individuals and their software. Indeed, attempts to interfere with these elemental technological and economic forces, particularly by the government, merely rebound on those who are foolish enough to defy the primary laws of nature. aus: Barbrook, Richard, and Andy Cameron. 1996. “The Californian Ideology.” Science as Culture 44-72.  



Metaverse 2 – Building the Spatial Internet

Metaverse war der Hype vor dem KI- Hype – das räumliche Internet in 3D als neue technologische Entwicklungsstufe des WorldWideWeb. Mittlerweile wird überwiegend von Spatial Computing oder dem räumlichen Internet gesprochen – eine Evolution der ursprünglichen Metaverse-Vision.

Zum Hype wurde Metaverse als sich Facebook im Oktober 2021 zu Meta umbenannte und in der Folge 36 Mrd $¹ in seine Entwicklungsabteilung Reality Labs investierte. Der Name ist dem dystopischen Science Fiction- Roman  Snowcrash  von Neal Stephenson (1992) entlehnt.

So verbreitete sich eine bestimmte Vorstellung des Metaverse (Meta/ Über -versum) als einer parallelen Welt mit nach Wunsch und Vermögen eingekleideten Avataren und virtuellen Grundstücken – zugänglich über VR- Headsets.  Manchmal phantastisch, zumindest eskapistisch.
Eine mögliche, aber nicht zwingende Vorstellung. Spatial Computing betont dagegen eine nüchterne,  anwendungsorientierte Vision des räumlichen Internet:  digitale Informationen werden in physische Räume integriert. Es gilt der Nutzen von Simulationen, technischen (XR-)  Anwendungen aller Art, z.B. Entwürfe für die Bauwirtschaft, 3D-Visualisierungen, Remote-Zusammenarbeit.

Hintergründe bzw. Voraussetzungen zum Hype waren zum einen technische Fortschritte, so in der Graphikleistung, schnellere Internetverbindungen, kulturell  auch die Gewöhnung der Nutzer an digitale Räume in der nur kurze Zeit  zurückliegenden Pandemie. Blockchain und NFTs spielten anfangs als potenzielle wirtschaftliche Grundlage eine Rolle, verloren aber an Überzeugungskraft und Akzeptanz.

BigTech-Konzerne waren im Social Web reich geworden und drängen in Successor States des heutigen Internet – in die Next version of the Internet. Es geht um das Aufspüren und die Entwicklung neuer Geschäftsbereiche und die  Aufrechterhaltung von Marktmacht. Manche der bestehenden Geschäftsmodelle zeigen Sättigungserscheinungen. Zukunftserzählungen werden oft als unausweichlich und bombastisch inszeniert: futures appropriation. Technologie-Berichterstattung ist daran oft mehr interessiert als an aktueller Realität. Jede Entscheidung, jede Handlung, kann Folgen für den Aktienkurs haben.

Zwei wesentliche Merkmale sind festzuhalten: Das aktuelle Internet basiert technisch auf der Übertragung von Datenpaketen, die in kleinen Partikeln bei Bedarf gesendet werden (wie beim Zugriff auf Webseiten und z.B. auch bei Video-Konferenzen). Das räumliche Internet erfordert eine kontinuierliche Datenübertragung und Synchronisation für die gemeinsame virtuelle Umgebung.
Das Nutzungserlebnis des Metaverse ist das eines durchgängig verbundenen virtuellen Raums – technisch eine persistente, kontinuierliche 3D-Umgebung. Das  (Uni-)Verse im Metaverse impliziert dazu eine universelle, offene soziale Sphäre.

Als First- Mover inszenierte Meta/ Facebook den Hype, andere Konzerne zogen mit unterschiedlichen Schwerpunkten nach: Microsoft, Google investierten in VR-Headsets, in Plattformen  und technologische Infrastruktur.
Gaming-Plattformen wie Roblox, Fortnite und Minecraft boten bereits virtuelle Welten an, die als eine Art Proto-Metaverse erlebt wurden. Diese Plattformen hatten bereits Millionen von Nutzern und zeigten, dass immersive, gemeinschaftliche Erlebnisse in virtuellen Welten einen breiten Anklang finden können.
Apple vermied den Begriff Metaverse, investierte aber in AR/VR-Technologien, lancierte dann im Juni 2023 mit der  Apple Vision Pro den Begriff Spatial Computing – der dann als Spatial Internet den Begriff Metaverse verdrängte. Diese Entwicklung markierte einen Wendepunkt weg von der Vorstellung einer parallelen virtuellen Welt, hin zu einer möglichst nahtlosen Integration digitaler Elemente in die physische Umgebung.
Das Nutzungserlebnis von Spatial Computing ist das einer digital erweiterten physischen Realität – eine möglichst nahtlose Überlagerung und Integration digitaler Elemente in die physische Umgebung. Anwendungen werden für ihren jeweiligen Gebrauch erstellt bzw. programmiert.

Autor Matthew Ball, einer der einflussreichsten Analysten und Vordenker des Metaverse, hatte 2022 auf dem Höhepunkt des Hype mit ‘The Metaverse – And How It Will Revolutionize Everything‘ ein umfassendes Compendium veröffentlicht. Seine Definition des Metaverse wurde weithin als Standardreferenz akzeptiert* (s.u.).
Im August 24 erschien eine Revised and Updated Edition mit dem bezeichnenden Untertitel Building the Spatial Internet. Mehr als 70% des Inhalts wurden neu geschrieben. Im Grunde ein neues Buch, zumindest eine neue Kontextualisierung von Metaverse.
Gegenüber der Auflage von 2022 sind rund 130 Seiten und einige Kapitel hinzugekommen: insbesondere die Rolle der KI, die Weiterentwicklung der XR- Zugangsgeräte und die Integration von Spatial Computing in bestehende Technologie-Ökosysteme.

Was hat sich in den zwei Jahren an der Zukunftsvision verändert? Eine Relativierung ist sofort sichtbar:  Der Satz And How It Will Revolutionize Everything wurde gestrichen – nicht nur als Subtitle.
Nach dem Hype verschwand das Metaverse nicht. Zahlreiche Technologien und Konzepte finden  im Gaming Anwendung; Weiterentwicklung und aktuelle Diskussion finden auf den zugehörigen Plattformen statt. Monatliche Teilnehmerzahlen erreichen dort überraschende Grössenordnungen: Epic Games Store (Fortnite) nennt z.B. 75 Millionen monatlich aktive  Nutzer.
In der Gaming- Szene trifft eine an virtuelle Welten gewöhnte, sehr technikaffine Nutzerbasis auf eine ausgebaute Infrastruktur – und ist auch bereit dafür Geld auszugeben.

Spatial Computing. Foto: Erik Mclean/ Unsplash

Die Plattformen zeigen Merkmale des Metaverse: Es gibt soziale  Aktionen in virtuellen Räumen, eine Creator Economy, die auch so heisst (Fortnite), sie bieten einen gewissen Rahmen für soziale und kommerzielle Interaktionen, die über das reine Gaming hinausgehen.
Sog. Islands bieten interaktive Orte auf den Gaming- Plattformen.  Es sind bedingt soziale, experimentelle und kreative Räume die den Regeln und der wirtschaftlichen Kontrolle der Plattformbetreiber unterliegen und einen bestimmten Nutzertypus ansprechen.  Nutzungen wie virtuelle Geschäfte, soziale Treffpunkte, Markenrepräsentationen oder Aktionen wie Kunstevents und Modenschauen bleiben aber eher experimentell.
Plattformen wie Sandbox und Decentraland bestehen zwar weiterhin, haben aber deutlich an Aufmerksamkeit verloren und erreichen nur einen Bruchteil der Besucherzahlen der Gaming- Plattformen.
Einen kompakten Einblick in die Vorstellungen zum Spatial Computing gibt es übrigens in einem Rundgespräch mit Matthew Ball, Epic- Games CEO Tim Sweeney und Metaverse- Autor Neal Stephenson vom 16.07. diesen Jahres.
So sehr Gaming- Plattformen eine bedeutsame Reichweite erreicht können und so technisch gelungen sie sind –  sie bleiben subkulturelle Phänomene. Sie sind stark an spezifische Gaming-Communities gebunden, mit eigenen Codes, Ästhetiken und Kommunikationsformen, die sich auf die jeweiligen Plattformen konzentrieren.
Subkulturell bedeutet in diesem Kontext, dass es keine breitere gesellschaftliche Durchdringung gibt und kaum eine Überschneidung kultureller Grenzen. Eine universelle, offene soziale Sphäre oder immersive globale Öffentlichkeit – wie sie als collective virtual open space konzipiert wurde – ist derzeit nicht in Sicht.

Zum Hype geht Ball in Distanz. Ein immersives, räumliches Internet hält er aber für zwangsläufig: I’m certain that the future will be increasingly centered around real-time- renderes 3D virtual worlds and networks (379). ²
Die Schwankungen von Hypes, Flops, Investitionen und Rückzügen sind da nur Teilstücke langfristiger Entwicklungen.
Metaverse ist dabei als Begriff eher belastet: durch den Ursprung als Dystopie, spekulative Verwertungen im Blockchain- Umfeld, durch den shocking rise of usage und die Inanspruchnahme durch den Grosskonzern, den Ball weiterhin durchgehend Facebook nennt. Selber bevorzugt er 3D- Internet. Andere verwenden Spatial Computing (Apple) human co-experience (Roblox), hyper-digital reality (Tencent). Dennoch verwendet er Metaverse durchgehend –  immerhin ein Begriff, den er selber mitgeprägt hat.

Es gibt viel Technologiegeschichte im Buch: zur Idee des räumlichen Internet, zur Entwicklung des Personal Computers, des Internets, der Mobiltelefone, Netzwerke, Kabelinfrastruktur, von Streaming und Videospiele, zur Entwicklung von KI in den letzten Jahren – und vor allem zu den Zugängen in 3D- Welten.
Immaterielle Erfahrungen – experiences – brauchen physische  Zugangsgeräte. Der Erfolg eines Spatial Internet  hängt stark davon ab, wie weit es gelingt, kompakte, komfortable Geräte zu entwickeln, die länger und angenehmer genutzt werden können. Aktuell setzen die von Meta/ Facebook und Apple entwickelten Headsets den Standard. So leistungsstark und ergonomisch angepasst sie mittlerweile sind, bleibt ihr Einsatz auf spezifische Aufgaben beschränkt.

Smart Glasses bringen das Spatial Internet in den Alltag – können aber auch als übergriffig erlebt werden (Bild: Dall-e)

Smart Glasses sind dagegen alltagstauglich und eine Art Zugangsschneise in die allgemeine Lebenswelt. Bis jetzt eine Art SmartPhone als Facewear, haben sie noch viel Potential Funktionen des Spatial Internet mit dem Alltag zu verbinden. Problematisch ist zunächst die soziale Akzeptanz: Das Gefühl observiert zu werden, kann Unmut hervorrufen.

Spatial Computing 2024 sind vor allem die sich weiter verbreitenden Anwendungen der Virtual-/ Augmented-/ Mixed- Reality.  Zusammengefasst als XR- Reality, hat sich  XR- Technologie zu einer eigenständigen Branche mit sowohl wirtschaftlich als  technologisch wachsender Bedeutung etabliert. Entwickelt wird für jeweils spezifische Zwecke:  immersive Spiele, Bildungsplattformen, Simulationsanwendungen,   virtuelle Konferenzen, 3D-Modelle für Architektur und Bauprojekte – für das Entertainment oder auch im medizinischen Umfeld. Technisch werden die Anwendungen immer ausgereifter.
XR- Technologie ist dabei Innovationstreiber in verschiedenen Branchen. Produktentwicklung in virtuellen Räumen, Remote-Training für komplexe Maschinen, Design-Reviews in globalen Teams.
Weiterentwicklung findet eher im professionellen Bereich statt. Für Konsumenten attraktive Anwendungen werden zwar mehr – dagegen stehen hohe Kosten für die Hardware.  Ansätze zu einem Social- Metaverse sind wenig zu sehen.
Zeitnah sieht Ball ein Corporate Spatial Internet. Aufstieg und Verbreitung des (atuellen) Internet waren von einer nicht-kommerziellen Entwicklung bestimmt. Talente, Ressourcen und Ambitionen  sammelten sich zunächst im akademischen Umfeld und staatlich finanzierter Forschung. Heute ist die Online- Wirtschaft von BIgTech, Datensammlung, Werbung und der Vermarktung digitaler Produkte bestimmt.

Einige Parallelen  zur KI fallen auf: Bis KI vor zwei Jahren den Durchbruch erlebte, sprach man von KI- Wintern und KI- Frühlingen als Phasen nachlassenden und erneuten Interesses. Ähnlich wechselt das Interesse an einem Metaverse bzw. einem räumlich erlebten Internet, bis zurück zu den Zeiten von Second Life.
Künstlich geschaffene Intelligenz ebenso wie eine parallele Welt sind Themen, die menschliche Phantasie beschäftigen. Beide greifen zurück bis auf uralte Mythen und werden  immer wieder kulturell aufgegriffen.
KI ist zwar längst nicht vollendet, hat aber eine Stufe erreicht, auf der sie in der Breite der Gesellschaft als nützlich erlebt wird. Spatial Computing bietet zwar immer mehr attraktive Anwendungen – sie bleiben aber auch mittelfristig insulär.
Das Spatial Internet kann die digitale Gesellschaft zwar nach und nach durchdringen, stösst aber an Konfliktlagen und Grenzen, die Ball nicht ganz auslässt.
In einem tatsächlich global funktionierenden Metaverse – entsprechend der Definition als eines immersiven, persistenten und nahtlos verbundenen digitalen Raumes – würden sich zudem Strömungen und Konflikte der Weltgesellschaft in einem nicht vorhersehbaren Ausmass spiegeln,  mit kaum einschätzbaren Konflikten um Einflusszonen, wirtschaftliche und politische  Macht.
Interaktivität, Grafikqualität, die Aufrechterhaltung von Persistenz würden zudem exponentiell mehr Rechenleistung erfordern und Energie verbrauchen als das heutige Internet. Kann ein solches System nachhaltig und gesellschaftlich akzeptiert sein?

Matthew Ball: The Metaverse. Building the Spatial Internet  8/ 2024,  446 S.  Metaverse expert Matthew Ball still believes in the 3D internet – Interviewing Meta CTO Andrew Bosworth on the Metaverse, VR/AR, AI, Billion-Dollar Expenditures, and Investment Timelines .  On Spatial Computing, Metaverse, the Terms Left Behind and Ideas Renewed. ² – noch stärker: The very idea of a Metaverse means an ever-growing share of people’s lives, labor, leisure, time, wealth, happiness, and relationships wil be spent inside virtual worlds , rather than just extended or aided through digital devices and software. (379).
*
Die Definition von Ball (2022): A massively scaled and interoperable network of real-time rendered 3D virtual worlds that can be experienced synchronously and persistently by an effectively unlimited number of users with an individual sense of presence, and with continuity of data, such as identity, history, entitlements, objects, communications, and payments.” 
¹ 36 Mrd  wurden  in Berichten der US-Börsenaufsicht SEC genannt



Verkaufte Zukunft – Warum der Kampf gegen den Klimawandel zu scheitern droht (Rez.)

Klimawandel ist Überthema der letzten zwei Jahrzehnte, ein Menetekel drohender Unbewohnbarkeit des Planeten,  eine massive Einschränkungsflanke aller Zukunftsvisionen. Dass Handlungsbedarf besteht, wissen wir seit Jahrzehnten, der Aufschub von Entscheidungen führt zu unumkehrbaren Entwicklungen (12). Dennoch wurde der entscheidende globale Ausstoss von Kohlendioxyd nicht zurückgefahren, sondern hat sich seit den 70er Jahren verdreifacht (9).
Warum sind Gesellschaften nicht in der Lage, dem Klimawandel Einhalt zu gebieten? 

Macht- und Anreizstrukturen der kapitalistischen Moderne und ihre Steuerungsmechanismen blockieren eine Lösung des globalen Problems (12) – das ist die zentrale These, die Jens Beckert, Direktor am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln, in Verkaufte Zukunftaufstellt – und dieser These entlang reiht sich das ganze Buch auf.
Es beginnt mit der Genese der kapitalistischen Moderne (24ff) und ihrer gesellschaftlichen Strukturen, in der sich das System wettbewerbsorientierter Märkte und privater Eigentumsrechte herausbildete: ein historisch einmaliges System nahezu unbegrenzten Wachstums, gekennzeichnet durch kontinuierliche Landnahme – der Einbeziehung immer neuer Regionen, Objekte, Akteure und der Zukunft (28).  Beckert setzt Bezüge zu Klassikern, wie Max Weber, Polanyi und Schumpeter.

Weltweiter Energieverbrauch 1800- 2022 (31)* – nach Klick in voller Auflösung

Fossile Energieträger ermöglichten die Dynamik der Industrialisierung: ohne Kohle keine Dampfmaschine, keine Eisenbahn und keine Stahlwerke, ohne Öl keine Autos und Flugzeuge. Die gesamte Geschichte der letzten zwei Jahrhunderte wäre ohne fossile Energieträger undenkbar.
Genauso   bedeutet die Verfeuerung dieser in Jahrmillionen angesammelten Reserven die Freisetzung des gespeicherten CO², die das Klima verändert. Das alles ist soweit bekannt, das Wissen darüber verbreitet.

Kapitel Big Oil (46ff) thematisiert Macht, Einfluss und Lobbyarbeit der fossilen Energiewirtschaft. Leugnung der Klimakrise ist heute keine gangbare Strategie mehr, die Konzerne pflegen eine neue Selbstdarstellung: Pläne zu verändertem Verhalten werden offensiv kommuniziert. Märkte für erneuerbare Energien wachsen, bei insgesamt steigendem Energieverbrauch bedeutet dies aber keine tatsächliche Wende.
Die Gewinne aus der Förderung von Öl und Gas sind weitaus höher als die Investitionen in erneuerbare Energien. In einer Welt mit steigendem Energiebedarf wird trotz massiven Ausbaus erneuerbarer Energien nicht weniger, sondern mehr Öl, Gas und Kohle verfeuert (54).
Drei entscheidende Kräfte lassen sich zusammenfassen, die einen Wandel hemmen: Neben den auf Gewinnmaximierung orientierten Unternehmen, sind es der auf wirtschaftliche Prosperität angewiesene Staat und der Gegendruck von BürgerInnen, die um Arbeitsplätze und gewohnte Konsum- und Lebenspraktiken bangen. Konsum konstruiert auch soziale Ordnung.

Nützlich und anschaulich ist das von Beckert übernommene Konzept der Abfolge sozio-ökonomischer Regimes¹ (142)  der Steuerung wirtschaftlicher Ordnung.  Grosse Narrative, die sich in den Details ausdrücken: in Investitionsströmen, technologischen Innovationen, aber auch in den gesellschaftspolitischen Leitlinien, wie etwa der Vorstellung von Wohlstand durch Wachstum und Fortschritt.
Fordismus ist geläufig als das Regime der Massenproduktion und Verbreitung des Massenkonsum. Das folgende marktliberale Regime stellte den Markt als Ordnungsprinzip voran. Ökologische Folgen des Wirtschaftswachstums blieben in beiden Regimes ausser Sichtweite.
Grünes Wachstum lässt sich als Wechsel zu einem neuen sozioökonomischen Regime verstehen (143). Unter dem Etikett Grün wird ein steigender Anteil der Investitionsströme, technologischen Innovationen und auch des Konsums in Richtung Nachhaltigkeit geleitet. Bei Wirtschaftsplanern wird Grünes Wachstums zum Megathema, das historische Investitionsmöglichkeiten eröffnet.
Beckerts folgende Analyse ist allerdings ernüchternd: Die Veränderungen bleiben weit hinter dem zurück, was notwendig wäre.  Grünes Wachstum ist für Investoren nicht deshalb attraktiv, weil  es  natürliche Lebensgrundlagen erhält. Auch der grüne Kapitalismus ist darauf angelegt, weiteres Wachstum herbeizuführen – das anderswo zu ökologischen Kollateralschäden führen kann.
Etwas anders verhält es sich mit den neuen Narrativen von Gemeinwohlökonomie, Slow Cities etc. –  Ihr messbarer Einfluss ist geringfügig, wer will kann sie spöttisch als hochgejubelte Kleinsterfolge oder symbolische Ersatzhandlungen bezeichnen. Dennoch schaffen sie neue Modelle, verbreitern ein Bewusstsein. Darin besteht ihre Wirksamkeit.
Sicher verbreitet sich der Konsum nachhaltiger, klimafreundlich klassifizierter Produkte (134) zuerst im Konsumverhalten ökologisch aufgeklärter Mittelschichten. Oft wird er zudem mit einem gewissen Distinktionsverhalten verbunden.  Dennoch sollte man beides nicht miteinander koppeln. Bewusster Konsum ist kein schichtspezifisches Merkmal.
Bekannt ist allerdings im gesamten Bereich der Nachhaltigkeit ein ausgeprägter Bruch zwischen Einstellungen und tatsächlichem Verhalten –   auch Say Do Gap genannt.

Nicht weiter thematisiert werden die Energieanforderungen von dem, was sich als nächstes Internet zusammenfassen lässt. Im Falle Blockchain/ Web3 war der CO² Imprint eines der wesentlichen Argumente dagegen.  Ein Metaverse bzw. Spatial Computing, das tatsächlich  auch die Erfahrungen vermittelt, die es verspricht, verbraucht ein noch unbestimmtes Ausmass an Energie – ähnliches gilt für KI- Anfragen. Inwieweit die Nutzung von Metaverse und KI anderswo Ressourcen einspart ist möglich, aber Spekulation.

Verkaufte Zukunft ist pessimistischer Realismus pur – bei aller nüchternen Analyse ein engagiertes und aufrüttelndes Buch,  beileibe keine Dystopie oder eine fatalistische Hinnahme. Dass beschlossene Klimaziele nicht eingelöst werden können, wird wohl längst stillschweigend eingesehen. Eine ökologische Transformation wird mehr Zeit brauchen, als man es sich wünscht.  Greenwashing gibt es umso mehr.

Was das Buch leistet ist eine sozialwissenschaftlich stringente Ausführung der Konfliktlinien, die die Durchsetzung der Klimaziele hemmen. Aufgabe der Politik scheint es u.a. zu sein, die Investitionsströme der Finanzmärkte in gesellschaftlich sinnvolle Felder zu lenken.
Die aus zivilgesellschaftlichem Engagement gewachsenen Initiativen spielen grössenmässig nur eine geringfügige Rolle – dafür aber mehr als Modelle, in der Diskussion und in der Ausbildung von Meinungen und Haltungen. Es geht nicht ohne positive Zielsetzungen.
Klimawandel ist nur ein Teil einer umfassenden ökologischen Krise. Mittlerweile  ist der gesamte planetare Raum, von der Antarktis bis zur Stratosphäre und zum Microplastik in der Tiefsee derart von seiner menschlichen Bewirtschaftung belastet ist,  dass sich die weitere Perspektive auf planetare Belastungsgrenzen richtet (vgl. 167).

Es gibt eine Geschichte globalen Handelns, die dem Anschein nach als Muster dienen könnte. In einem Interview mit der NZZ (11.03) äusserte sich Beckert zum Ozonloch auf der Südhalbkugel,  lange Zeit ein grosses Umweltproblem. Die Ursache lag in der Verwendung von Fluorkohlenwasserstoffen (FCKW) in Sprühdosen und Kühlschränken.
Eine ähnliche Koalition von Wissenschaftlern, Umweltschützern und schließlich auch Politikern,  mobilisierte die Weltöffentlichkeit, mit dem Montréal-Protokoll 1987 wurde ein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag zum Schutz der Ozonschicht durchgesetzt. Die Maßnahmen zeigen Wirkung, das Ozonloch hat sich allmählich stabilisiert und beginnt sich zurück zu bilden – bis dahin ein Erfolg.
Als Muster für die Durchsetzung der Klimaziele taugt sie aber nicht: Es ging nur um das Verbot einer einzigen Chemikalie, das keine grösseren Opfer verlangte. Das Problem der zentralen, hemmenden  Logiken wurde  nicht berührt.

Jens Beckert im Gespräch mit Gert Scobel; Stadtbibliothek Köln, 10.04.24

Die Buchpräsentation in der Kölner Stadtbibliothek hatte mich tatsächlich noch stärker überzeugt als das Buch selber –  wahrscheinlich  lassen sich die Gedanken. und  Konfliktlinien in dieser Form kompakter darstellen. Ein Koffer voller Diskussionsargumente.

Der folgende Beitrag – Grünes Wachstum – ein neues sozio- ökonomisches Regime? – schliesst auch inhaltlich an

 

Jens Beckert: Verkaufte Zukunft – Warum der Kampf gegen den Klimawandel zu scheitern droht.  Suhrkamp Verlag, März 2024. 200S.  + Anmerkungen   ¹ das Konzept der sozio- ökonomischen Regimes geht zurück auf den Aufsatz Expectations, Narratives, and Socioeconomic Regimes  von Robert Boyer, erschienen in dem 2018 von Beckert et al. herausgegebenen Sammelband Uncertain Futures.
*Data source: Hannah Ritchie, Pablo Rosado and Max Roser (2023) – “Energy” Published online at OurWorldInData.org. Retrieved from: ‘https://ourworldindata.org/energy’ [Online Resource]. Chart 48 of 241. Note: In the absence of more recent data, traditional biomass is assumed constant since 2015.
Renée Cho: AI’s Growing Carbon Footprint. In: State of the Planet. New from the Columbia Climate School. 6/23



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