
Zum Jahresende treffen Call-for-Papers ein. Das Motto der re:publica 2026 setzt vorab den Ton: Never gonna give you up. Es geht um Resilienz – Nicht aufgeben, Haltung zeigen und Räume zurückgewinnen, die verbinden.
Bis Mitte Januar bleibt noch Zeit einen Vorschlag einzureichen.
Bis zur Bloggerkonferenz sind es dagegen nur wenige Tage. Tech- Journalist Thomas Riedel lädt zum zweiten Mal ein. War es im letzten Jahr noch eine Bestandsaufnahme – Was ist die Zukunft des Bloggens und hat Bloggen eine Zukunft? klingt es in diesem Jahr substantiell: Thema Hoffnung.
Mir fällt als erstes die Büchse der Pandora ein, aus der zuletzt die Hoffnung entweicht, nachdem sich die Plagen auf der Welt verbreitet hatten. Eine bescheidene Tugend, die Leid ertragen lässt, oft religiös verbrämt. Dort tritt sie im Trio auf: Glaube, Hoffnung, Liebe. Als Kind hatte ich es so gelernt – zusammen mit der Religion, die später vom Leben überlagert wurde..
Dazu passt das kürzlich erschienene Buch Liebe! Ein Aufruf des Schriftstellers Daniel Schreiber, der zum aktiven Widerstand gegen eine Kultur des Hasses aufruft. Diese Rhetorik hat den politischen Diskurs gekapert. Unser Zusammenleben ist wieder von mehr Gewalt geprägt. Der rechte Rand hat es vollbracht, aus einem Wort zum guten Menschen – woke – ein Schimpfwort zu machen. Wie kann es gelingen, zu einer politischen Haltung zu finden, die dem sich ausbreitenden Klima des Hasses etwas entgegenzusetzen vermag?
Resilienz, Hoffnung, Liebe – eine Flausch-Rhethorik zur Weihnachtszeit? Eher eine Antwort auf das, was sich im vergangenen politischen Jahr so massiv verschärft hat. Ein kultureller Backlash hat politische und technologische Macht errungen. Ein Machtsystem wächst zusammen, das sich genau gegen das wendet, was in den letzten Jahrzehnten als gesellschaftlicher Fortschritt galt.
Vibe Shift – wieder ein neues Buzzword. Ursprünglich waren subtile kulturelle Verschiebungen in Mode, Musik oder Lebensstil gemeint. Etwas, was Trends altern und neue aufkommen lässt.
Der Historiker Niall Ferguson – ein Trump-Unterstützer – deutete den Begriff um: Er meint damit den Richtungswechsel des Silicon Valley nach rechts. Tech-Eliten verbünden sich mit autoritärem Populismus. Machtzentren verschieben sich. Das Bewusstsein, nicht nur ein technologisches und ökonomisches, sondern auch politisches und kulturelles Machtzentrum zu sein, begünstigt eine imperiale Logik. Liberale Demokratie wird ausgehöhlt.
Diese Themen und die Diskussionen dazu haben das ganze Jahr 2025 bestimmt – und sich auch in diesem Blog niedergeschlagen. Bevor ich sie nochmals zusammenfasse, verweise ich auf drei Texte:
Tech- Faschismus – Ein Mash-Up als Machtsystem beschreibt, wie autoritärer Populismus und Tech-Oligarchie zusammenfinden.
Cyberlibertarianism analysiert die ideologischen Wurzeln der Tech-Rechten – eine Ideologie, in der techno-utopische und marktradikale Ideen zu einer Fundamental-Opposition gegen jede gesellschaftliche Regulierung des Internet verwachsen.
Das politische Jahr 2025 blickt anhand prägender Bilder auf das gesamte Jahr zurück.
In Deutschland (und Europa) gibt es keine einheimische Tech-Oligarchie. Der Rechtstrend der AfD ist nicht tech-libertär, sondern völkisch-national.
Der Vibe Shift zeigt sich in einem Retro-Industrialismus , zu beobachten in Teilen der Union und in Wirtschaftsverbänden. Ein kultureller Rückwärtsgang, statt Zukunftsgewandtheit werden Ressentiments gegen Veränderung kultiviert, gegen die zweifache Transformation (auch twin transformation) – die gleichzeitige digitale und nachhaltige Erneuerung.
Macht man diesen Shift in Bildern fest, zeigt er sich etwa im Jubel des EVP-Vorsitzenden Manfred Weber, als er im Brüsseler Europaparlament mit seiner Fraktion das Aus vom Verbrenner-Aus durchsetzte. Oder in der persönlichen Aggressivität, die Robert Habeck bei der Blockade der Fähre während der Bauernproteste vor einem Jahr entgegenschlug. Es war der Moment, in dem eine Mehrheit der Protestierenden den Übergriff von Rechtsradikalen duldete.
Ob uns das Buzzword Vibe Shift erhalten bleibt, ist zweitrangig. Erkennbar wird eine Verlagerung von Machtzentren, verbunden mit einer Erosion traditioneller Organisationen. Auch wenn das deutsche Parteiensystem im europäischen Vergleich noch stabil wirken mag – die Gewissheiten erodieren.
Welche Perspektiven birgt das Bloggen in dieser Gemengelage? Was an Hoffnung? Was an Widerstand gegen eine Kultur des Hasses? Was an demokratischer Resilienz?
Blogs sind Autoren-Medien, Owned Media ihre Stärke liegt darin, eigene Narrative zu setzen. Sie sind Inseln in einem algoritmisch gesteuerten Meer, Personenmarken inmitten von Slop, alternativen Fakten und algorithmisch verstärkter Polarisierung. Blogs verteidigen die Hoheit über unsere eigenen Geschichten.
Die erste Blüte der Blogs vor nun 20 Jahren fiel in die Zeit nach dem Scheitern des heute oft vergessenen Internet der Portale. Das Web 2.0. öffnete ein Freiheitsfenster und verstand sich basisdemokratisch. Auch die Re Publica hatte 2007 als Bloggerkonferenz begonnen und wuchs in wenigen Jahren zu einer der wichtigsten deutschsprachigen Medienkonferenzen heran.
Blogger erwarben oft ein Vorsprungwissen darüber, wie dieses Internet sozial und kulturell funktionierte. Sie entwickelten Kompetenz in neuen Feldern, die sich vermarkten liessen. Online-Reputation, Life-Streaming, Community-Management, Netnographie oder auch Spatial Realities sind solche Beispiele.
Es folgte die Begeisterung für Social Media – insbesondere Twitter. Doch die Plattformen sind nicht mehr neue Möglichkeiten, sondern faktische Monopole.
Gute Texte machen Arbeit. Und genau diese Arbeit, das Ringen und Entwickeln von Gedanken, statt das Generieren von Wahrscheinlichkeiten ist die dringend gebrauchte Resilienz.
Ein paar Fragen schliessen sich an:
Sind Blogs heute noch Orte öffentlicher Gegenmacht – oder faktisch Nischen für Gleichgesinnte?
Stellen wir Öffentlichkeit her – oder sind wir bloß Content-Zulieferer für Plattformlogiken?
Was ist unser realistischer Anspruch und wie setzen wir ihn um? z.B. Gewinn von Kooperationspartnern und Auftragebern? Das Setzen von Narrativen? Brauchen wir Vernetzung bzw. findet sie überhaupt statt?