D2030 – Szenarios der Transformation

Wenn es um Digitalen Wandel bzw. Digitale Transformation geht es immer auch um Aussagen zur Zukunft. Wohin treibt der Wandel? Wie transformieren sich Systeme? Digitale Innovationen haben in den vergangenen Jahrzehnten eine Branche nach der anderen umgekrempelt, die öffentliche Kommunikation neu definiert, weiterhin treibt Digitalisierung Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft an. Immer deutlicher wirkt sie sich auf die großen Systeme, wie Arbeit, Bildung, Mobilität und Handel aus. Transformation bedeutet einen Prozess der Umgestaltung, der Ausrichtung nach einer neuen Logik.
“Netzwerke bilden die neue soziale Morphologie unserer Gesellschaften, und die Verbreitung der Vernetzungslogik verändert die Funktionsweise und die Ergebnisse von Prozessen der Produktion, Erfahrung, Macht und Kultur wesentlich” – so fasste Manuel Castells in “Die Netzwerkgesellschaft” (2001, S. 527) die transformative Kraft von Netzwerken zusammen. In “Kultur der Digitalität” nennt Felix Stalder die emanzipativen Bewegungen seit den 60er und 70er Jahren und die neoliberale Transformation des Kapitalismus seit den 80er Jahren als kulturelle Antriebskräfte gesellschaftlicher Transformationen. Prinzipien, wie Konnektivität, die Personalisierung von Angeboten und das Matching verbreiten sich.

Bei allem Verständnis von Trends und langfristigen Entwicklungen bleibt Zukunft nur sehr eingeschränkt vorhersehbar. Gewiß ist, das was tatsächlich geschehen wird, ungewiß bleibt.
Die Zukunftsinitiative D2030 befasst sich mit dem, was möglich ist: In einem offenen Prozess wurden Szenarios für mögliche Zukünfte Deutschlands bis zum Jahr 2030 entwickelt  und diese werden in einem Online-Dialog zur Diskussion gestellt.

Die Zukunftslandkarte D2030 (nach Klick in voller Auflösung)

Herausgekommen sind vier Grundszenarien mit so anschaulichen Bezeichnungen wie (1) Spurtreue Beschleunigung, (2) Neue Horizonte, (3) Bewußte Abkopplung und (4) Alte Grenzen. Die ersten beiden umfassen jeweils drei Subszenarien mit den ebenso sprechenden Namen Unaufhaltsamer Abstieg, Spaltung trotz wirtschaftlichem Erfolg, Wohlfühl- Wohlstand (zu 1) und Spielräume für die Zivilgesellschaft, Stärke durch Vielfalt und Renaissance der Politik (zu 2).
Zugrunde liegende Fragen und Recherchen erstrecken sich auf zahlreiche Einzelthemen und Einflußfaktoren. Kernfragen sind die zur Einstellung zu Veränderung und Bereitschaft zu globaler Zusammenarbeit sowie zu Nachhaltigkeit und bürgerschaftlichem Engagement (diese geben die Achsen auf der oben abgebildeten Zukunftslandkarte vor). Alle Szenarios werden auf die Perspektiven in zehn wesentlichen Feldern abgeklopft: Wirtschaft, Wohlstand, Wettbewerbsfähigkeit, Digitale Transformation, Arbeitswelt und Soziale Sicherheit, Rolle von Politik und Zivilgesellschaft; Zuwanderung und Integration; Gesellschaftliche Werte und Konflikte; Energie, Mobilität und Wohnen; Umwelt und Nachhaltigkeit; Innere Sicherheit; Deutschlands Rolle in Europa und der Welt.
Grundsätzlich geht es bei D2030 darum, vernetztes und langfristiges Denken in sozialen, ökonomischen und politischen Entscheidungsprozessen zu verankern. Die Szenarios sollen nicht zeigen, was wird, sondern sie sollen als Denkwerkzeuge verdeutlichen, was möglich ist. Absicht ist, die Sichtweite in den folgenden Diskussionen zu erweitern. Am 6./7. Juli fand dazu in Berlin Deutschland weiterdenken – D2030 – Die Zukunftskonferenz statt, zur Bundestagswahl im September wird ein Memorandum erstellt.

Zukunft 2030 ist mehr als Digitaler Wandel (bzw. Transformation). Allerdings sind die Perspektiven sämtlich mit der Verbreitung der Vernetzungslogik verbunden. Es ist die Art und Weise, wie mit Problemlagen umgegangen wird. Das könnte zumindest zu den in den Szenarien vorgestellten sehr unterschiedlichen Entwicklungen führen. Die Perspektiven reichen von einer digitalen Zivilgesellschaft bis zur Tendenz zur Abschottung in Alten Grenzen – letzteres könnte man sich dann als einen musealisierten Themenpark Industrie vorstellen.

Der Ansatz geht weit über bestehende Begriffe, wie Industrie 4.0 und darauf folgend Arbeit/Bildung/Gesundheit 4.0 etc., hinaus. Dieser geht auf die von der Bundesregierung eingeleitete Kampagne Zukunftsprojekt Industrie 4.0, zurück. Dabei steht Standortsicherung im Vordergrund.  (aktualisiert 14/07/17)



New Work und Flexibilisierung

flexibel und agil

New Work ist Buzzword geworden – als eigener Begriff und unter der etwas seltsam konstruierten, von Industrie 4.0 abgeleiteten Bezeichnung Arbeit 4.0. Letztere v.a. im Umfeld staatlicher Stellen (so das Weißbuch Arbeiten 4.0  des Ministeriums für Arbeit und Soziales).
Als Begriff geht New Work auf den deutsch-amerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann zurück. In dessen Verständnis von Arbeit stehen drei Formen gleichrangig nebeneinander: die klassische Erwerbsarbeit, eine modernisierte Subsistenzwirtschaft (so High-Tech-Self-Providing) und die leidenschaftliche Arbeit, die man wirklich, wirklich tun will – in Übereinstimmung mit den eigenen Wünschen, Hoffnungen, Träumen und Begabungen.
Soweit ein Ansatz zur Lebensreform, der sich mehr an Menschen richtet, die für sich selber entscheiden, als an Entscheider, die dies für andere tun. Es geht um den Anspruch, die eigene Lebenswirklichkeit selber zu gestalten oder zumindest eine  persönliche Balance abzusichern. Die aktuelle Diskussion zu New Work findet hingegen im Kontext von Personalführung und Organisationsentwicklung statt – aus sehr unterschiedlichen Perspektiven: der von Unternehmen und Organisationen, der von Beratern, von staatlichen Stellen und den ganz individuellen Sichtweisen.
So ist New Work in der begrifflichen Verwendung sehr weitgespannt,  fast überdehnt. Wo eine Grenze bzw. ein Übergang zwischen Neuer und dementsprechend Alter Arbeit liegt, bleibt weitgehend unscharf. Bedeuten neue Kommunikationsmittel, etwas Hierarchieabbau, einige Anpassungen an technische Innovationen und gesellschaftliche Wandlungsprozesse gleich Neue Arbeit?  Erwerbsarbeit gilt als Gradmesser gesellschaftlicher Integration, Vollbeschäftigung als politischer Erfolg. Kulturelle Dominanz und Deutungshoheit in diesem Feld bedeuten reale Macht, vorherrschende kulturelle Standards haben normative Kraft.  All das trägt zur Attraktivität des Begriffs New Work bei.

Aufzeichnungen zur Arbeitswelt (World Café Transformation der Systeme)

Digitalisierung ermöglicht ganz andere Organisationsformen und ein mehr an Flexibilität als vordem jemals möglich war. Das ist das kollaborative Potential. Grundlage ist das Prinzip der Konnektivität, dass sich grundsätzlich jeder mit jedem verbinden kann, ergänzt durch das der Consozialität – der Verbindung über Gemeinsamkeiten. Das ergibt neue Möglichkeiten der Verknüpfung von Akteuren, Inhalten und Ideen – auch in ergebnisorientierter Kooperation: Arbeit.

Flexibilisierung (eine Form der Individualisierung) war und ist zum einen eine der wesentlichen Forderungen der neoliberalen Agenda seit den 80er Jahren – im betriebswirtschaftlichen Sinne. Abbau bürokratischer Hemmnisse, Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen, generell aller wirtschaftlicher Aktivitäten und der Beschäftigungsverhältnisse im besonderen – und ebenso der Systeme der sozialen Absicherung.
Eine immer wiederkehrende These ist die, erst die sozialen Bewegungen der 60er bis 80er Jahre hätten die neoliberale Transformation des Kapitalismus seit den 80er Jahren ermöglicht. Beide Strömungen operierten mit dem attraktiven Begriff der persönlichen Freiheit, beide wandten sich gegen verkrustete Strukturen  hierarchisch-  bürokratischer Organisationen. Felix Stalder nennt in Kultur der Digitalität beide Strömungen als Treiber der gesellschaftlichen Transformationen (S. 32), die die Gegenwart der digitalen  Moderne prägen. In ihrem Ursprüngen liegen sie weit auseinander – ging es den Neuen Sozialen Bewegungen um Beteiligung, Zusammenleben und Persönlichkeitsentwicklung, ging es den Marktradikalen (“there is no such thing as society“, Thatcher) um die Freiheit des Marktes. Verbunden mit der Kritik am Wohlfahrtsstaat sollte jeder selber für sein Leben verantwortlich sein.
Pop- Autor Diedrich Diedrichsen spricht von der Lockerungsrevolte, in deren Folge Kreativität zu einer ökonomischen Ressource wurde. Kalifornischer Flower Power zählt zumindest zu dem Humus, auf dem die digitale Revolution gedieh.

Man denke an die Alternativbewegungen der 70er und 80er Jahre, in denen man anstrebte, Arbeit außerhalb des “Systems” zu organisieren. Die damals vorherrschende Unternehmenskulturen hielt man oft für unerträglich. Zwanzig Jahre später scheute die Digitale Bohème nicht mehr dessen Nähe. “So arbeiten, wie man leben will, und trotzdem ausreichend Geld damit verdienen” wurde zum Leitspruch, der in der Breite nachwirkt.
New Work ist letztlich eine kulturelle Frage, in der Begriffsverwendung unscharf, aber attraktiv. Arbeit ist ein mehrschichtiger Begriff, Erwerbsarbeit bedeutet letztlich das, was andere (Kunden) bereit sind, für das, was wir tun (bzw. liefern), zu zahlen. Für Arbeitnehmer in privilegierten Situationen bedeutet es, individuell bestmögliche Bedingungen auszuhandeln. Und es ist ein vortreffliches Geschäftsfeld für Berater. Gesellschaftliche Wandlungsprozesse finden ohnehin statt – neue Arbeitsumgebungen entstehen immer wieder.

Dieser Beitrag ist Teil der von Winfried Felser initiierten Blogparade zu New Work – #newwork17

Felix Stalder, 2016: Kultur der Digitalität. edition suhrkamp 2679;  283 S., 18 €; Wolf Lotter: Gute Arbeit. In: Brand Eins 03/2017 – Schwerpunkt Neue Arbeit. S. 32 – 40; Header: kallejipp / photocase.de;


Rückblick “Transformation der Systeme”

Im World – Café; Thema Handel

Zwar liegt die 7. Internetwoche Köln (24. – 28.10. 16) schon eine Zeit zurück. An zweien der Veranstaltungen war ich massgeblich beteiligt – und es lohnt sich auf die Ergebnisse zurückzublicken. Zunächst die Diskussionsveranstaltung Education 2.0 im Startplatz am 24.10., am Folgetag dann mit thematischer und personeller Überschneidung der Workshop Transformation der Systeme in den Räumen der IHK Köln. Bei beiden Veranstaltungen ging es um Einschätzungen zum Digitalen Wandel/Transformation in wesentlichen Systemen: Bildung, Handel, Arbeit und der Entwicklung der Netzökonomie.
Bildung ist ein Feld mit mehreren Dimensionen: es gibt einen staatlichen Bildungsauftrag, Bildungsdienstleistungen unterschiedlichster Art sind eine weitverzweigte Branche; Bildung ist Grundlage für sozialen Zusammenhalt, gesellschaftliche Teilhabe und wirtschaftlichen Erfolg (so formuliert im Leitbild der Landesregierung NRW), und sie ist Teil der Persönlichkeitsentwicklung.
Im Startplatz als Gründerzentrum und Co- Working Space lag ein Schwerpunkt der Diskussionsrunde in der Gründerszene. Digitaler Wandel ermöglicht neue Bildungsdienstleistungen. Zunächst sind es Nischen und Spezialisierungen, die Gründer besetzen. Dass Disruptionen aber auch dort stattfinden können, zeigt das Beispiel der Lernvideos, die den klassischen Nachhilfeunterricht verdrängen.
Ein breiterer Ansatz ist Peer-to-Peer Learning, das der Lerntheorie des Konnektivismus nahesteht: Anbieter und Lerner sind grundsätzlich nicht in den Rollen voneinander getrennt, sie können u.a. über Plattformen vermittelt werden, ähnlich wie bei Crowdsourcing. Entscheidend ist das Verständnis wie man Wissen findet und verfügbar macht, wenn man es braucht.
Wesentlich bleibt der Vorrang der Persönlichkeitsbildung. Das geht bis hin zu den Wurzeln persönlichkeitsbildender Pädagogik. In einer sich ständig wandelnden Welt ist dem einzelnen besser geraten, seine generellen Kompetenzen zu entwickeln, als standardisierten Ausbildungswegen zu folgen. Medienkompetenz ist Voraussetzung.  Eine etwas ausführlichere Zusammenfassung (incl. der Angaben zu den Diskutanten) habe ich für den Startplatz- Blog geschrieben

Aufzeichnungen zur Bildung

Der Begriff Digitale Transformation wird oft diffus verwendet, meint aber eine Neustrukturierung bestehender Systeme (vgl. Polanyi). Das bedeutet tiefgreifende Veränderungen nicht nur für einzelne Unternehmen und Branchen, sondern für Wirtschaft und Gesellschaft als Ganzes. Einmal eingeschlagene Innovationen sind unumkehrbar. Beim Worldcafé Transformation der Systeme ging es um  Arbeit, Bildung, Handel und in die sich entwickelnden Netzökonomie. Wie erfolgt künftig die Koordination von Menschen und ihren Interessen in diesen großen Kontexten? Im Anschluß an Impulsvorträge wurden die Themen, entsprechend dem Open Space Format Worldcafé, an Thementischen diskutiert und zu jeweils gleichen Fragestellungen Szenarien entwickelt. Weitere spannende Themen wären z.B. Mobilität, Kredit- und Finanzwesen und die bereits fortgeschrittene Transformation der Medien   gewesen.  Im Hintergrund stand das Konzept Networked Sociality/Vernetzte Sozialität  als Begriff für ein Organisationsprinzip – manche sprechen von einem Neuen Sozialen Betriebssystem.

Aufzeichnungen zur Arbeitswelt
Aufzeichnungen zur Netzökonomie

Digitaler Wandel zeigt sich nicht nur in Geschäftsmodellen, im Marketing, den Fertigungmethoden und den genutzten Medien, sondern in der Art, wie jeder einzelne daran teilnimmt.  World Café als Open Space Format und die im Workshop gewählten Kontexte gaben einen   passenden Rahmen zur Diskussion verschiedener Meinungen und Sichtweisen. Die Themenfelder, wie  Arbeitswelt und Bildung sind dieselben, wie sie unter dem – wenig nachvollziehbaren – Label 4.0 (Arbeit 4.0Bildung 4.0, auch Mobilität 4.0) in die Diskussion gebracht werden.
Es gibt durchaus rein affirmative Standpunkte (wie etwa Amazon und Lieferdienste reichen mir im Handel). Ein besonderer Wert kommt aber der Teilhabe zu. Kaum jemand ist ausschließlich einer Rolle, sei es als Kunde oder als Arbeitnehmer verhaftet, sondern als Beteiligter in einem System in dem man gibt und nimmt. Das bedeutet nicht keine Abwertung von Professionalität und Spezialisierung, aber den Bedarf an Beteiligung und Gestaltung bei der Arbeits-/Erwerbsumgebung, Bildung, Mobilität, aber auch im Handel und in der Netzökonomie. Das Format ist sehr geeignet, es auch in anderen Zusammenhängen  einsetzen.

Mitveranstalter waren Claudia Schleicher, Pirmin Vlaho, Ibo Mazari und Gunnar Sohn – Experten und erfahren in jeweils eigenen Feldern des Digitalen Wandels. Gesponsort wurde der Workshop von der IHK Köln und dem Kölner Digital Signage Unternehmen dimedis.

Die Bilder von den Flipcharts mit den Aufzeichnungen öffnen sich nach Klick in einem neuen Browserfenster in voller Auflösung (hier auch die Aufzeichnungen zum Handel)

Filterblasen, Fake News und neue Medienöffentlichkeiten

An den Strukturen bilden sich Blasen

Der US- amerikanische Wahlkampf, die Erfolge und die Methoden von Rechtspopulisten haben Diskussionen zum Manipulationspotential im Social Web angefacht. Drei Begriffe treten dabei hervor: Filterblase, Fake News und postfaktisch. 
“Im Internet schenken viele Menschen anderen Meinungen als ihrer eigenen keinen Glauben mehr. Das liegt daran, dass in ihren Social-Media-Kanälen fast nur noch Meldungen auftauchen, die ihrer Einstellung entsprechen – sie leben in sogenannten Filterblasen.” Schließlich werde selbst der grösste Quatsch zur gefühlten Wahrheitso die Meinung der öffentlich- rechtlichen TagesschauDass Social Media eine Rolle bei der politischen Meinungsbildung spielen ist unbestritten, inwieweit aber Filterblasen sogar eine Gefahr für die Demokratie sein sollen, ist sehr fraglich.
Das Social Web von heute ist nicht mehr das Web 2.0 von 2007. Plattformen wie Facebook, youtube, die selber keine Inhalte produzieren, dominieren das Netz. Musste man sich zu den Zeiten des Web 2.0 noch selber eine Menge an Kenntnissen aneignen, bündelt Facebook Funktionen des Social Web und macht sie für jeden auf einfache Weise zugänglich. Die Timeline ist der Einstieg in die digitalen Kanäle, ein personalisiertes Portal, bequem wie eine TV- Fernbedienung. Sie verbindet private, meist spontane Kommunikation  mit Medienangeboten, und bindet die Teilnehmer des Social Web in die Online- Werbewirtschaft ein. Was angezeigt wird, berechnet ein Algorithmus nach den verfügbaren Daten (“Freunde“, gelikete Sites).
Nicht mehr TV- Programme oder Zeitschriftentitel konkurrieren untereinander um Aufmerksamkeit, sondern persönliche Kontakte aller Art mit Informationskanälen aller Art. Dass sich Menschen die Kanäle wählen, die ihrer Weltsicht entsprechen und denen sie sich verbunden fühlen, ist naheliegend. Filterblasen hat es in allen Medienepochen gegeben, meist verstärkt durch den sozialen Druck, sich an bestimmten normativen Mustern zu orientieren.

Digitale Medienöffentlichkeiten sind “volatil”

Tatsächlich verändert hat sich die Genese von Öffentlichkeiten und Formen der Vergemeinschaftung.
Medienöffentlichkeiten waren  lange Zeit fast nur als Sender-zu-Empfänger Figurationen verbreitet. Von der Verbreitung der Zeitung im 19. Jh., des Radios seit den 20er Jahren und später des Fernsehens als Massenmedien. Das Berufsbild des Journalisten mit einer Verpflichtung zu Objektivität und der Prüfung von Tatsachen hat sich daran herausgebildet. Viele Subkulturen kannten hingegen immer Medienöffentlichkeiten mit wechselnden Rollen.
Digitale Medienöffentlichkeiten schwanken in ihren Zusammensetzungen. Consozialität ist ein Prinzip: Menschen, die gemeinsame Interessen oder Leidenschaften teilen, finden und verbinden sich – ein gemeinsamer #hashtag. Das Social Web verbindet jede, in anderen Zusammenhängen minoritäre Position, vermittelt das Gefühl mit seiner Ansicht nicht allein zu stehen. Digitale Medienöffentlichkeiten folgen den Mustern von Konnektivität und Personalisierung. Konnektivität ist Voraussetzung: die Möglichkeit, dass sich jeder Teilnehmer des Social Web mit jedem anderen und auch jeder anderen Teilöffentlichkeit verbinden kann. Personalisierung bedeutet deren jeweils passende Adressierung – meist von Algorithmen gesteuert.
Im Netz gibt es keine Instanz, die die Wahrhaftigkeit von Nachrichten überprüft, Gerüchte und Fake News können sich auf viralem Wege verbreiten, dort, wo sie ihren Boden finden. Genauso vertreten sind aber auch die Medienmarken, öffentlich- rechtliche und das Quartett Spiegel, Zeit, Süddeutsche, FAZ, im deutschsprachige Raum überraschend wenige ohne langjährigen Offline- Medien Hintergrund. Es gibt eine Fülle von Möglichkeiten, die Plausibilität von Nachrichten und Einschätzungen zu prüfen. Wo gezielte Fehlinformationen, Verleumdung und Verhetzung stattfinden, greift zivilgesellschaftliches Handeln – letztlich auch die Justiz.

Bleibt postfaktisch – ob das Wort die aktuelle Diskussion überlebt ist eine Frage. Soziale Medien machen die öffentliche Kommunikation direkter, spontaner, persönlicher – damit steigt die Bedeutung der gefühlten Lage. Subjektive, gefühlte Wirklichkeit wird zum ThemaUnd es entwickeln sich daran politische Strategien, die austesten, was gesagt, behauptet und als gefühlte Tatsache eingebracht werden kann.
Dass Soziale Medien eine politische Spaltung verschärfen ist eine steile Behauptung. Nachgelassen hat jedenfalls die Bindungskraft der grossen Organisationen: Kirchen, Parteien, Gewerkschaften und auch der lange Zeit vorherrschenden, redaktionellen Medien – Gesellschaft ist volatiler geworden.

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