Tribes im Social Web

Social Web – das Netz ist sozial. Wir kennen Social Networks als Online-Dienste mit zahlreichen Funktionen, wir kennen die Netzwerke, die man selber pflegt, und wir kennen gesellschaftliche Milieus, die sich auch bei der Nutzung des Internet unterscheiden. Dann gibt es die mehr oder weniger diffusen Verbindungen, die durch gemeinsame Interessen und Aktivitäten entstehen, online und offline. Solche Formen informeller Vergemeinschaftungen bzw. Communities werden oft Tribes genannt. Der anthropologische Begriff wird ins Netz (und auch ins Marketing) übertragen.

Fankulturen sind ein Prototyp von Tribes
Fankulturen sind ein Prototyp von Tribes

Die Verwendung des Begriffs in dieser Form hat durchaus wissenschaftliche Wurzeln: Sie stammt aus “Le temps des tribus” (1988) des französischen Soziologen Michel Maffesoli. Maffesoli bezeichnete vorwiegend subkulturelle Vergemeinschaftungen mit eigenen Normen und Ritualen, Lebensstilen und Loyalitäten als Urban Tribes bzw. tribus urbaines. Punks galten ihm als Musterbeispiel. In den Cultural Studies wurden seine Thesen zum Neotribalismus breit rezipiert. Forschungsfeld der Cultural Studies ist v.a. Popularkultur: the whole way of life of a group of people.  Oft geht es um Fankulturen zu Popmusik, Filmen und TV- Serien. Ein Musterbeispiel ist etwa die StarTrek Fankultur. Star Trek gilt als ein Phänomen der Medien- und Konsumkultur und wurde als the most successful and lucrative cult phenomenon in television history bezeichnet.

Den Weg ins Marketing fand der Begriff zunächst durch Bernard Cova (Professor für Marketing in Marseille), später durch Seth Godin (“Tribes“, 2008). Cova (gemeinsam mit den Co- Herausgebern R.Kozinets und A. Shankar) erweiterte Tribes um das  linking value von Produkten und Dienstleistungen zu  Consumer Tribes Consumer Tribes denkt moderne Konsumgesellschaften – Consumer Culture – in den Begriffen des Tribalen. Grundannahme ist, dass postmoderne Konsumenten Entscheidungen nicht nur nach individuellen Nutzkriterien treffen, sondern Produkte und Dienstleistungen bevorzugen, die sie mit anderen Gleichgesinnten verbinden – verlinken.
Godin verbreitert den Begriff. Er argumentiert, das Internet habe das Massenmarketing beendet und eine menschliche soziale Einheit aus der fernen Vergangenheit zurückgeholt: Tribes/Stämme. Grundidee ist, dass sich Menschen schon immer nach gemeinsamen Ideen und Werten zusammengeschlossen haben. Das Netz gibt Menschen die Möglichkeit, sich mit Gleichgesinnten, weitgehend ohne geographische Barrieren zusammen zu schliessen, sich auszutauschen, Ideen zu entwickeln und  Veränderungen zu erreichen.

Tribes - nicht nur im Social Web
Tribes – nicht nur im Social Web. Quelle: doubleju / photocase.de

So werden als Tribes Gruppen von Menschen bezeichnet, die durch eine gemeinsame Idee, eine gemeinsame Leidenschaft, oder die Bindung an eine gemeinsame Führungspersönlichkeit miteinander verbunden sind. Beispiele gibt es zahlreich, und sie zeichnen sich oft durch eine umfangreiche öffentliche Kommunikation aus: etwa in der Gaming Szene, Food Tribes, wie zu Schokolade oder Craft Beer, zu Überzeugungen und Identität, zu sportlichen und kulturellen Interessen. Konsum spielt eine Rolle, selten aber in der Folge zu einer Marke. Es sind kleine soziale Einheiten, auf denen vieles im sozialen Geschehen beruht. Und sie sind es, die die “Trampelpfade” im Social Web austreten. Entscheidend ist die gefühlte Gemeinschaft.
Man kann die Stammesmetapher für überzogen halten, die deutsche Entsprechung “Stämme” klingt z.B. diffus unpassend; dennoch ist das Konzept der Tribes sehr brauchbar, um Vergemeinschaftungen in modernen Gesellschaften online wie offline zu erkennen – und dazu ist Netnographie die geeignete Forschungsmethode.

Lit.: Maffesoli, M.: Le Temps des tribus. Le déclin de l’individualisme dans les sociétés de masse. Paris 1988 – engl.: The Time of the Tribes. Sage Publications, London, 1996; Cova, Bernard, Kozinets, Robert V., Shankar, Avi(Hrsg.): „Consumer Tribes“, Butterworth Heinemann, Oxford und Burlington MA 2007; Godin, Seth: Tribes: We Need You to Lead Us, 2008; Heun, Thomas: Marken im Social Web: Zur Bedeutung von Marken in Online-Diskursen. Wiesbaden, 2012



Digitale Milieus

Sinus-Milieus sind Standard bei der Zielgruppenbestimmung. Sie verbinden demographische Merkmale wie Bildung, Beruf und Einkommen mit Werthaltungen und den realen Lebenswelten in Konsum und Gesellschaft. Die Kartoffelgraphik wurde seit 1979 immer wieder aktualisiert und besteht aus mittlerweile zehn Milieus entlang der Koordinaten Soziale Lage (Unterschicht über Mittelschichten zu Oberschicht) und Grundorientierung (von Tradition über Modernisierung zu Neuorientierung). Das Modell der Sinus-Milieus wird von den unterschiedlichsten Akteuren genutzt: von Markenartiklern und Dienstleistern, von Parteien,  Ministerien, Kirchen und NGOs, von Agenturen und TV-Sendern, und ist dementsprechend bekannt und einflußreich.
Im Auftrag des Deutschen Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI, eine Gründung der Deutschen Post AG) wurden seit 2011 vom Sinus-Institut zwei Studien zu den entsprechenden digitalen Milieus erstellt. Das Milieumodell soll den Erfolg der “Mutterstudie” in der Markt- und Mediaforschung in das Online-Marketing tragen. Hinzu treten die Themen der Online-Nutzung,  insbesondere Haltungen zu Vertrauen und Sicherheit im Netz.  Angestrebt ist die kommerzielle Nutzung der Ergebnisse als ein Standard im  Online- Zielgruppenmarketing.

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Abb 1: Engagement der Sinus-Milieus im Netz (2011)

Zunächst wurde in einer explorativen Phase die Netzaktivität der aktuellen Sinus-Milieus ermittelt. Auch auf dieser Ebene lassen sich deutliche Unterschiede im Nutzerverhalten erkennen: wie zu erwarten wird das Netz dort am stärksten genutzt, wo Sozialer Status und Neuorientierung zusammenkommen. So schwankt der Indexwert (100 = durchschnittliche Netzktivität) von 171 bei den Expeditiven (“ambitioniert kreative Avantgarde“) zu 17 in den traditionellen Milieus. Deutlich überdurchschnittliche Indexwerte gibt es auch bei den Effizienz- und den Bildungs- bestimmten Milieus, sowie bei  den Spass- und erlebnisorientierten. Bereits dadurch werden unterschiedliche Motivationen zur Nutzung deutlich: professionelle Effizienz, Zugang zu Information, Möglichkeiten der Unterhaltung – und auch die Möglichkeit Entwicklungen selber zu gestalten.
Die Verfasser wollen auf jeden Fall mehr als eine Nutzungstypologie. Wie in der “Mutterstudie” werden Alltagsbereiche aus der jeweils subjektiven Sicht erforscht: Lebensstil, Wertorientierung, Soziale Lage, Geschmack, das Nutzungsverhalten und insbesondere  die Haltungen zu Vertrauen und Sicherheit im Netz.

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Abb 2: Online-Milieus 2013

Nach diesen Kriterien wurden sieben “Online-Milieus” definiert, die Sinus-üblich  sehr anschaulich mit Gesichtern, Wohnbild-Collagen, einem soziodemographischen und einem Internet-Nutzerprofil typisiert werden. Sie unterscheiden sich in ihrem lebensweltlichen Hintergrund, in ihrer Einstellung zu Sicherheit und Datenschutz im Netz  und in ihrem tatsächlichen Nutzungsverhalten. Im weiteren werden sie den drei übergeordneten Konzepten Digital Outsiders, Digital Immigrants und Digital Natives zugeordnet.
Das Internet lässt sich zum einen ganz funktional als Werkzeug zur Datenübertragung nutzen, zum anderen ist es ein erweiterter kultureller und wirtschaftlicher Raum. Funktionale Nutzung erbringt zumeist einen Rationalisierungsvorteil, wie etwa die E-Mail gegenüber Postverkehr und Fax, Online-Banking, oder Online-Bestellungen im e-commerce gegenüber dem Versandhandel per Katalog. Es sind diese einfachen funktionalen Vorteile, die auch online- ferne Milieus, Digital Outsiders dazu bringen, das Netz zu nutzen.
Das Begriffspaar  Digital Natives/ Digital Immigrants  ist bereits seit 2001 im Umlauf. Oft ist damit die Unterscheidung zwischen den bereits digital aufgewachsenen Generationen  und denen, die digitale Medien erst später kennenlernten und sie sich nach und nach erarbeiten mussten. Das lässt an einen natürlichen Vorsprung jüngerer Generationen  denken  – eine Einschätzung, die von vielen Praktikern nicht geteilt wird, offensichtlich spielt auch die allgemeine erworbene Medienkompetenz eine besondere Rolle bei Nutzung und Gestaltung der Möglichkeiten digitaler Medien. Man denke an die Generationen, die seit 20 Jahren die Entwicklung des Internets bzw. den Digitalen Wandel miterlebt und mitgestaltet haben.
So anschaulich das Modell ist, hat es auch seine Grenzen. Die einzelnen Milieus sind Typisierungen von Werthaltungen und Verhaltensmustern, man denke daran, dass Soziales Milieu soziale Umgebungen meint, in denen bestimmte Regeln, Normen und Verhaltensstandards gelten. Man kann auch einwenden, dass  sich  das Nutzungsverhalten individuell oft sehr stark unterscheidet und nicht immer der Zugehörigkeit zu einem Milieu entspricht. Die Ergebnisse haben aber eine breite empirische Grundlage, sie zeigen “dass Einstellungsmuster hinsichtlich digitaler Themenfelder relativ konstant bleiben. Die Entwicklungen in der digitalen Gesellschaft lassen sich nicht allein von technischen Innovationen beeinflussen.” (S. 6/2013)

Die Studien stehen auf der Website divsi.de öffentlich bereit; Abb. 1: S. 24 der Studie von 2012; Abb. 2: S. 6/2013

 

P.O.S.E. – einfach erklärt

Schon einige male hatte ich hier das Modell P.O.S.E. – Paid, Owned, Shared, Earned Media vorgestellt. Als die drei Kreise wurde es 2008 von Nokia zur Mediaplanung “erfunden”. In der vierkreisigen Form wurde es mir in dem – französischsprachigen – Blog von Frédéric Cavazza bekannt, anderswo auch unter anderen Bezeichnungen. Modelle dienen dazu, komplexere Sachverhalte zu verdeutlichen, einprägsam auf den Punkt zu bringen.
Der digitale Wandel bringt immer wieder neue Medienkanäle hervor. Jeder davon hat seine eigenen Möglichkeiten. Nachrichten und Meinungen können sich rasch verbreiten – wenn sie denn die Nutzer interessieren. Social Media werden zur Marken- und Kundenkommunikation genutzt, sie sind aber genauso wenig in erster Linie Marketingwerkzeuge, wie die klassischen Medien. Es ergibt sich eine Vielzahl neuer Berührungspunkte bzw. Touchpoints zu Kunden und Interessenten. Für die Akteure – ob Freiberufler, Mittelständler oder Weltmarke, kommt es darauf an, ein konsistentes Bild, eine Reputation zu entwickeln.

POSE
POSE: Paid, Owned, Shared, Earned Media (nach Klick wird die Graphik in einem neuen Fenster in voller Größe angezeigt)

Paid Media ist die gekaufte Reichweite und entspricht am ehesten der traditionellen Werbung. Dazu zählen Bannerwerbung, AdWords, Affiliate Marketing etc. – all das, was gegen Bezahlung auf Kanälen anderer Medienbetreiber verbreitet wird.
Paid Media schieben eine Kampagne an, sie schlagen die Trommel der Aufmerksamkeit und werden nach Reichweite und Dauer bezahlt. Ein Nachteil ist, daß Paid Media von Nutzern wenig akzeptiert, oft auch durch Werbeblocker deaktiviert werden. Sie werden aber auch von Nutzern wahrgenommen, die mit dem Thema oder der Marke wenig zu tun haben.

Owned Media sind die eigenen Kanäle, über die man selber verfügen kann, nur eingeschränkt durch den gesetzlichen Rahmen und unabhängig von sich ändernden AGB. Das ist der eigene Webauftritt ganz unterschiedlicher Größe, evtl. mit Webshop und Corporate Blog. Auch eine Community kann auf Owned Media betrieben werden, entscheidend ist: Der Nutzer kommt zum Betreiber. Die Reichweite kann durch Suchmaschinenoptimierung (SEO) und eine gute Verlinkung verbessert werden, bleibt aber abhängig von der Attraktivität des eigenen Auftritts.
Mit der eigenen Präsenz wird man als eigenständiger Akteur im Netz wahrgenommen, ist mit einem Impressum öffentlich sichtbar und kann darüber kontaktiert werden.
Auch Social Media Kanäle, wie Facebook-, Twitter- oder YouTube-Profile wurden öfters Owned Media zugeordnet. Sie unterliegen aber anderen Bedingungen und werden auf ganz anderem Wege verbreitet.

Shared Media werden auf Social Media Plattformen verbreitet, für die Inhalte (den Content) ist man selber verantwortlich. Das meiste davon über Facebook und youtube, evtl.Twitter, auch Instagram für Fotos. Weitere Formate sind etwa Pinterest oder Mikrovideos auf Vine. Jedes Format hat seine eigenen Charakteristika und Möglichkeiten. Die Reichweite ist zum einen von der Plattform, aber eben auch von der Attraktivität des Inhalts bestimmt.
Gelegentlich wird auch von Social oder Curated Media gesprochen, v.a. letztere unterscheiden sich von Shared Media.

Earned Media ist schließlich die Reichweite, die man sich verdient hat. Man hat keinen direkten Einfluß darauf, sie können sich auf ganz unterschiedlichen Kanälen verbreiten. Es ist die Verbreitung über Dritte, darin eingeschlossen ist redaktionelles Feedback, das Word of Mouth virale Effekte, aber auch ein eventueller Shitstorm.
Sie genießen das höchste Vertrauen, die Akzeptanz ist hoch, können aber auch negativ sein. Earned Media können mit aktuellen Analyse-Tools gemessen werden, sie sind zu einem wesentlichen Teil das, was Social Media Monitoring beobachtet.
Nur wirklich guter Inhalt erzeugt Aufmerksamkeit und verdient damit Reichweite. Earned Media sind schließlich dauerhaft: sie tauchen langfristig in Suchergebnissen auf.

P.O.S.E. – Paid, Owned Shared, Earned Media gibt einen guten Überblick über den Medieneinsatz und kann ganz unterschiedliche Medieneinsätze veranschaulichen. Sicherlich überschneiden sich die einzelnen Medientypen in vielen Fällen: Kommentare in Social Media stehen zwischen Shared und Earned Media, Promoted Posts und Sponsored Tweets zwischen Paid und Shared Media (vgl. die Infographik).

Letztlich kostet die Erstellung aller Inhalte Geld, entscheidend für die Zuordnung ist aber die Verbreitung: Paid Media gegen Bezahlung auf anderen Kanälen, Owned Media auf den eigenen, Shared Media auf öffentlich zugänglichen Plattformen, Earned Media von Dritten auf den von ihnen gewählten Kanälen.
Die Inhalte begegnen dem Nutzer an ganz unterschiedlichen Orten. Für die Akteure im Social Web kommt es darauf an, an allen Berührungspunkten ein konsistentes Bild zu vermitteln.

Gemeinschaft und Gesellschaft im digitalen Wandel

Die Verbreitung digitaler Medien und Technologien hat einen kaum zu überschätzenden Einfluß auf Wirtschaft, Arbeit und Gesellschaft – auch dann, wenn man sie selber nicht nutzt. In der Diskussion um die digitale Gesellschaft geht es um die Verbreitung von Nutzung und Kenntnissen, um Datensicherheit und Schutz der Privatsphäre, die Digitalisierung der Arbeitswelt, um SocialMedia und Vernetzung. Es gibt wirtschaftliche, soziale, kulturelle, politische und juristische  Dimensionen.
Ganz entscheidend ist die Möglichkeit, dass alle Teilnehmer direkt miteinander in Verbindung treten können – ohne übergeordnete Instanzen. Das bedeutet neue Möglichkeiten von peer to peer Verbindungen – und darauf bauen zahlreiche Dienste – von der Dating App zu Crowdsourcing und Crowdfounding. Die unkomplizierte Verbindung geeigneter Partner und Teams, die Verbindung zum passenden Produkt und zur passenden Dienstleistung anhand bestimmter Kriterien, das Matching, ist auch eines der großen Versprechen des digitalen Wandels.

Digitaler Wandel
peer to peer Vernetzung im digitalen Wandel; kallejipp / photocase.de

In der Soziologie kennt man das auf Ferdinand Tönnies (1855 – 1936) zurückgehende Begriffspaar Gemeinschaft und Gesellschaft. Gesellschaft ist dabei die Sphäre des -mehr oder weniger – rationalen, zweckorientierten Handelns, der Verträge und Geschäfte. Gemeinschaften sind hingegen durch Gefühle miteinander verbunden – letztendlich dem der gefühlten Zugehörigkeit. Traditionelle Formen, wie sie bei Tönnies genannt wurden, sind die blutsbedingte Gemeinschaft (Verwandtschaft), die ortsbezogene (Nachbarschaft) und die selbstgewählte Gemeinschaft (Freundschaft), im weiteren wird auch die Glaubensgemeinschaft hervorgehoben. Gemeinschaften können auf “instinktivem” Gefallen, wie auf gewohnheitsmässiger Anpassung bis hin zu normativem Druck beruhen. Traditionelle Gemeinschaften sind an traditionelle Milieus gebunden, sie sind oft Gegenstand nostalgischer Sehnsucht, manchmal auch rückwärtsgewandter Ideologisierungen. Sie wurden oft als natürlich empfunden, nicht weiter hinterfragt. Traditionelle Milieus, wie z. B. geschlossen konfessionelle Milieus oder traditionelle Arbeiter- Milieus sind zwar nicht verschwunden, ihre Bindungskraft incl. ihres reichhaltigen Vereinslebens, hat aber deutlich nachgelassen.

2014-01-01_Sinus-Milieus_in_Deutschland_Studentenversion_01Die nebenstehende Darstellung der sog. Sinus-Milieus (wird nach Klick in einem neuen Fenster in vollständiger Größe angezeigt) ist das wohl bekannteste Modell gesellschaftlicher Milieus nach sozialer Lage und grundlegenden Wertorientierungen. Es verbindet demographische Eigenschaften wie Bildung, Beruf oder Einkommen mit den realen Lebenswelten und dient v.a. dem Zielgruppen-Marketing und der Mediaplanung. Seit neuerem gibt es sie auch für digitale Milieus. Milieus sind keine Gemeinschaften, sondern soziale Umgebungen in denen bestimmte Regeln, Normen und Verhaltensstandards gelten. Vergemeinschaftungen finden aber oft innerhalb eines, oder zumindest benachbarter Milieus statt.
Ein weiterer Begriff ist die Szene. In einer Szene begegnen sich Menschen, die über gemeinsame Interessen und Leidenschaften oder einen gemeinsamen Lebensstil miteinander verbunden sind – ohne das die einzelnen Beteiligten zwangsläufig miteinander bekannt sind.
Posttraditionelle Vergemeinschaftungen entstanden sehr oft aus zunächst subkulturellen Zusammenhängen – besonders der Pop-Kultur: “Wie bildet Pop-Musik soziale Einheiten, Gangs, Szenen, Milieus, Subkulturen und Gegenkulturen, wie generiert sie das, wofür sie mehr als für ihre ästhetischen oder kulturellen Meriten studiert zu werden verdient: soziale Tatsachen und -so glaubten ja einst Gegner wie ihre Unterstützer – Gefahren?” So D. Diedrichsen in Über Pop-Musik, S. 375. Was für Pop-Musik gilt, gilt auch für andere Fan-Kulturen, man denke nur an die von Kozinets online erforschte StarTrek Community.
An solche popkulturellen Vergemeinschaftungen schließt das Konzept der Tribus Urbaines/Urban Tribes von Michel Maffesoli (Le Temps des tribus. Le déclin de l’individualisme dans les sociétés de masse. Paris, 1988) an, das v.a. in den Cultural Studies als Neotribalismus rezipiert und in der Konsumforschung zu Consumer Tribes erweitert wurde. In der Online- Welt findet man solche Tribes als Fan- und Subkulturen zu sehr unterschiedlichen Themenfeldern – Netzwerke oft sehr heterogener Personen, die durch eine gemeinsame Passion oder Emotion miteinander verbunden sind.

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