instagram – populäre Kultur und Marketingfarm

manche Orte sind besonders instagrammable

Neben Facebook, youtube, Twitter und LinkedIn, evtl. Snapchat ist instagram eine der Grössen der Social Media, seit April 2012 Teil des Facebook- Konzerns. Im Juni 2018 gab das Unternehmen die Zahl der aktiven instagram Accounts erstmals mit >1 Milliarde an – weltweit. 2012, nach dem Kauf waren es 80 Mill. Täglich werden knapp 100  Mill. Bilder hochgeladen, die gesamte Zahl hochgeladener Bilder ist kaum noch darstellbar. Was für alle Social Media gilt, zeigt sich auch bei instagram: Inhalte/Content werden von Nutzern erstellt, die Plattform von einem Digitalkonzern bewirtschaftet. Zu Beginn eine Foto- Sharing Community, ist instagram heute eine globale visuelle Öffentlichkeit – auf der immer mehr Unternehmen und andere Akteure passende Zielgruppen ansprechen wollen. Diese Öffentlichkeit sortiert sich nach den Prinzipien gemeinsamer Themen und Interessen, wie es aus den Konzepten der Tribes oder von Consozialität bekannt ist.

Neue Verbreitungsmedien bringen neue Möglichkeiten der Verknüpfung von Kommunikation mit sich. Zu Beginn des Jahrzehnts war Digitale Bildkommunikation etwas Neues, sie bündelte die Möglichkeiten, die sich mit dem SmartPhone eröffneten: die sofortige (instantly) Verbreitung  von Bildern an einen Kreis von Abonnenten (abgel. von telegram).
Bilder prägen unseren Blick auf die Welt, und ganz besonders die Konsumwelt. Für jedes neue Medium, jede neue Kulturtechnik lässt sich die Frage stellen,  an welche Stelle sie treten, welche Medien und Techniken sie verdrängen, welchen Platz sie in der populären Kultur einnehmen. Die ständig griffbereite Handy- Kamera, verbunden mit der Möglichkeit der unmittelbaren Weitergabe definierte Photographie neu. Die Bilder von der Welt und vom Konsum verbreiteten sich mehr und mehr über das kleine Format im Stream, weniger über grossformatige Werbephotographie. Das bedeutet nicht, dass Bilder auf instagram nie sorgfältig inszeniert werden, bloss wirken soll es casual und authentisch.

CraftBeer – Consumer Culture der digitalen Zeit

Wie social ist instagram? Wie Twitter, und anders als Facebook, funktioniert instagram nach dem Follower- Prinzip, d.h. solange ein Account nicht auf privat gestellt ist, kann man ihm folgen – abonnieren.  Hashtags (#), die von jedem Nutzer ausgewählt und auch neu eingeführt werden können strukturieren, verschlagworten die Inhalte – und das funktioniert sehr gut. Haben einige der meist verwendeten #, wie #instagood, #photooftheday  kaum inhaltliche Bezüge, verweist  #fashion auf Platz vier  bereits auf eines der primären Themenfelder. Fashion, Food & Travel sind die herausragenden Themen bei instagram.  Dazu kommen nah verwandte Themen wie #beauty, #fitness, #outdoor – vorrangig Lifestyleund dazu gehört das Essen genauso wie Mode, Reisen und Sport – wie geschaffen für die Ausdeutung von Konsumpräferenzen. Es geht um einen singularisierten Konsum, d.h. die konsumierten Güter sind mit Werten und Präferenzen im persönlichen Lebensstil verbunden.
Sicherlich lassen sich nicht alle Themenfelder so offensichtlich Konsumfeldern zuordnen, etwa Landschaft, Architektur, Flora & Fauna – und natürlich sind Haustiere, beileibe nicht nur Hund und Katz, ein ganz ausgeprägtes Feld der digitalen Bildkommunikation  – Tiere gehen immer, und es ist weit mehr als simpler Catcontent.
Es geht immer wieder um Gemeinschaftseffekte über Themen, Interessen und Leidenschaften. Manchmal um ganz bestimmte Erlebnisse, wie z.B.  #myfirsttattoo

instagram hotspot Trolltunga überm Fjord.

Instagram ist Teil einer globalen Popularkultur, mit Erscheinungs-formen wie dem Selfie,  oder Influencerinnen statt Models.  Spektakuläre Orte werden wieder und wieder inszeniert, wie etwa die nebenstehende Trolltunga in Norwegen. Ausserhalb des Bildformats warten schon die Nachfolgenden für den nächsten Shot.
Auch mit Twitter lassen sich Bilder verbreiten, sie sind aber eine “Zugabe” zum Text.  Twitter ist zudem viel stärker aktualitätsbezogen. Den Brand von Notre Dame vor im April 19 liess sich damit etwa so zeitaktuell verfolgen, wie es Sendeanstalten nicht möglich ist. Instagram hat dazu zuwenig journalistisches Potential, Bilder sind nur selten auf Aktualität ausgerichtet.
Wieviel Werbung, Kommerz verträgt ein Netzwerk, ohne dass es die Nutzer nervt und verschreckt? Dort, wo Kunden, Produzenten, Anbieter, Berichterstatter eine Community bilden, gehört es im jeweiligen Maße dazu.  Marketing auf instagram erinnert ansonsten oft an einen Concept Store bzw. Cross Selling, wo immer noch ein passendes Zubehör verkauft werden soll. Kaffeefahrt mit Influencern nennt es die t3n in einem Artikel –  und wie lässt sich Authentizität behalten und gleichzeitig Sales nach oben geschraubt werden (t3n – 4/19)? Interessiert das die Nutzer?

Quellen zur Statistik: statista; brandwatch , futurebiz , https://top-hashtags.com/instagram
Bildquellen: eigene, unten (Trolltunga): hpmoellers / photocase.de



New Media Culture – Mediale Phänomene der Netzkultur (Rez.)

Titel_NewMediaCultureDer Sammelband New Media Culture – Mediale Phänomene der Netzkultur enthält Beiträge zu (online-) Themen, die alle seit längerem diskutiert werden: es geht um FandomSelfies und Meme, um Shit Storms und Netiquette, um  Gamification und Transmedia Storytelling, um Big Data und auch um Partizipative Kultur, Netzgemeinschaft und noch einiges mehr. Vorangestellt ist ein weiterer Beitrag zu Digitalen Medientheorien.
Mediale Phänomene sind zunächst einzelne Erscheinungen, die im kulturellen Raum New Media vorkommen. So unterschiedlich die Phänomene sind, alle Themen werden in einer einheitlichen Struktur abgehandelt: auf eine inhaltliche Einführung folgt ein Bezug zu Theorien und Methoden, Praxisbezüge und schließlich zusammenfassend Entwicklungen und Ausblick. So werden sie in die gemeinsame Perspektive Netzkultur gestellt.
Netzkultur
 lässt sich als die gesamte online- Lebenswelt verstehen, in der Kommunikation und Inszenierung, Information und Diskussion,  Vernetzung und Vergemeinschaftung, Werbung und Marketing (und Überwachung) stattfinden. Netzkultur mitsamt ihrer zahlreichen Phänomene “beeinflußt unsere Wahrnehmung von Kommunikation, sozialen Beziehungen, Arbeitsbedingungen, Konsumprodukten und gesellschaftlichen Entwürfen” (S. 8). Das macht sie bedeutsam und so wirkt Netzkultur auf Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft als Ganzes.

Medienphänomene um uns herum
Medienphänomene um uns herum

Insgesamt werden 15 (+1) Phänomene der Netzkultur behandelt. Weitere könnte man hinzufügen, manches dazu ergänzen: Selfies dienen wohl der Selbstinszenierung, sind aber Teil der Bildkommunikation. Im (offline-) Alltag ist visuelle Kommunikation oft entscheidend, sobald spontane Bilder auf technisch einfachem Wege ins Netz gestellt werden können, wird diese Möglichkeit auch genutzt.
ShitStorm (den es in diesem Kontext nur im Deutschen gibt) ist ein sehr plastischer Begriff, aber als Phänomen wahrscheinlich überbewertet. Ähnliche Phänomene gibt es offline: Jeder öffentliche Auftritt, jede Wirkung kann nicht nur Ruhm und Ehre, sondern auch Spott und Häme nach sich ziehen, das Netz beschleunigt allerdings die Zyklen. Gamification und Storytelling sind keine neuen Erfindungen, sie übertragen menschliche Wahrnehmungsmuster in die neue mediale Umgebung. Solche Phänomene zeigen u.a. an, dass und wie das Netz von Menschen mit ihren Gewohnheiten und Strategien in Besitz oder Beschlag genommen wird. Als weitere Phänomene könnte man etwa Quantified Self bzw. Self Trecking, die Vermessung der eigenen Körper- und Aktivitätsdaten hinzufügen, oder auch Dating Apps.
In den Beiträgen zur Netzgemeinschaft und zur partizipativen Kultur geht es weniger um besondere Erscheinungen, mehr um zentrale Eigenschaften im sozialen Charakter des Internets: Die bedeutende Innovation liegt im Wechsel vom passiven Medienkonsum  zur Kollaboration, wo jeder selber Inhalte veröffentlichen kann, in der Möglichkeit der Teilnahme und Vernetzung. Hier sehe ich selber das Konzept der Tribes – Menschen, die über eine gemeinsame Leidenschaft oder Idee miteinander verbunden sind – als geeigneter zur Analyse von Online-Vergemeinschaftungen an als andere. Sehr interessant ist schließlich die Verweis auf Kommunikative Figurationen im Beitrag von Jan Schmidt – ein Begriff aus der Soziologie von Norbert Elias (im Beitrag zu Netiquette bezieht sich Patrick Breitenbach ebenfalls auf ihn), bei dem es um die Interdependenz von Individuum und Gesellschaft geht.

Die Texte sind eher universitär, mit zahlreichen Zitaten und Anmerkungen – und tatsächlich stammt zumindest die Idee zum Buch aus dem ModulNew Media Cultureeines Masterstudiengangs (vgl. S. 9). Im weitesten Sinne ist es ein Lehrbuch, aber von Interesse für alle, die am sozial-, medien-, kulturwissenschaftlichen Diskurs zum Internet teilnehmen. Die Beiträge geben einen guten Einstieg in die diversen Phänomene. Man kann den Band als einen induktiven (bottom up) Ansatz zur Netzkultur sehen, der von einzelnen Phänomenen ausgeht. Einige der Autoren sind mir zumindest namentlich bekannt und kommen aus dem Umfeld der Karlshochschule in Karlsruhe.

Christian Stiegler, Patrick Breitenbach, Thomas Zorbach (Hg.):New Media Culture: Mediale Phänomene der Netzkultur – Transcript Verlag,, Bielefeld 5/2015  299 S.  29,90 €

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