Remote Work in der Diskussion

Die KI (Adobe Firefly) zeichnet das home Office als grünes Idyll – ohne spezifisches Prompting

Spätestens seit Corona zählen Home Office/ Remote Work/ mobiles Arbeiten zu den intensiv diskutierten Themen – und das gleich auf mehreren Ebenen:  persönlich in der Arbeits – und Alltagsorganisation, in Unternehmen als betriebliche Organisation, perspektivisch in Politik und Zukunftsdiskussionen. Das Thema  berührt im weiteren viele Fragen bis hin zu  Verkehrsplanung und Urbanistik.

In einem Zeitraum  Februar/ März 2024  (20.2. – 20.3.) haben wir mit der Social Listening Software Talkwalker die  deutschsprachige öffentliche Online- Kommunikation zu Remote Work und Home Office erkundet. Einbezogen wurden Nennungen in deutschsprachigen Quellen. In Talkwalker sind dabei Daten aus bis zu 20 Medienkategorien  auswählbar. Talkwalker bietet dazu weitere Funktionen, wie z.B. die Sentiment Analyse ( +/- Bewertung), die hier nicht genutzt wurden.
Beide Anglizismen sind ähnlich weit verbreitet. Home Office kam als Provisorium und meint wirklich nur den häuslichen Raum, der als Büro genutzt wird,  in der Umgangssprache verdrängte es Ausdrücke, wie Heimarbeit oder von zu Hause arbeiten.

Homeoffice im Neubezug

Remote Work  ist der weiter gefasste Begriff für vom Betriebsstandort unabhängige Arbeit – gleich ob von zu Haus, aus einem CoWorking Space oder ganz aus der Ferne als digitaler Nomade – die Orte, von denen aus Arbeit erledigt wird, sind prinzipiell gleichrangig. Der Begriff hat sich  von der IT- Branche aus verbreitet.
Vorläufer gibt es seit langer Zeit, etwa die Unterrichtsvorbereitung von Lehrern, der Schreibtisch und die Aktenordner im Einfamilienhaus, Auftragsarbeiten von Freiberuflern – aber erst mit den neuen Begriffen wird darüber ernsthaft diskutiert.
Zusammengerechnet wurden beide Begriffe 4.700 x in den Kategorien des deutschsprachigen Netz genannt. Etwas überrascht, dass Remote Work deutlich mehr (3t/1,7t) Nennungen erreicht. Ebenso der hohe Anteil  von Twitter, das als X für viele nicht mehr die erste Wahl ist. Teilweise zu erklären durch zahlreiche Re- Tweets, mit denen sich einzelne Inhalte multiplizieren.

Die %- Angaben  sind nicht direkt vergleichbar! Zu Remote Work gibt es ca. 3000 Nennungen, zu Home Office ca. 1600. Die Graphik aus Talkwalker stellt die jeweiligen % – Anteile davon dar

Die Verteilung nach Tagen (re.) zeigt immer wieder Ausschläge, an denen sich die Nennungen häufen.  Der stärkste Ausschlag folgte auf  einen Ausspruch des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder am 4.03:  Nur mit Teilzeit und Homeoffice werden wir im internationalen Wettbewerb nicht bestehen.
So spiegelt sich in den Zahlen die öffentliche Diskussion, bzw. es werden immer wieder auf eine bestimmte Wirkung ausgerichtete, oft provokative Statements von Politikern, Unternehmern und anderen Meinungs- Influencern eingeworfen, meist  gezielt platziert.

Home Office as usual

Zeitlich ganz eingrenzen lässt sich das Sample nicht: Ältere Aussagen und Argumente werden immer wieder herangezogen: So von Trigema- Chef Wolfgang Grupp: Home Office gibt es bei mir nicht. Wenn einer zu Hause arbeiten kann, ist er unwichtig-  später zwar im Zusammenhang relativiert, wurde das Statement dennoch als markig- konservativ medial verbreitet.

Arbeitnehmer befürworten das Homeoffice, während Arbeitgeber skeptisch sind  (Computerwoche, 11.03.) –  unter dieser Titelzeile werden Argumente gegen das Home Office aufgeführt, die auch in anderen Quellen erscheinen: Sinkende Produktivität, mehr Zeitaufwand für den gleichen Output.
Beschäftigte, die sich bewusst dafür entscheiden, von zu Hause aus zu arbeiten, tun dies häufig auch, weil sie dort andere Verpflichtungen haben, —  dazu wird mangelnder sozialer Austausch innerhalb der Belegschaft beklagt. Das beeinträchtige nicht nur die Stimmung im Team, sondern auch die Innovationsfähigkeit bei kreativen Aufgaben. Es werde schwieriger, sich spontan zwischen Tür und Angel mit einem bestimmten Kollegen auszutauschen, was eben Innovationsprozesse hemme. Die meisten Argumente lassen sich auch mit diversen Studien belegen – bloss bleibt unklar, wie allgemeingültig deren Ergebnisse sind.
Nicht zu vergessen sind Verweise auf IT- Sicherheit: In einer zunehmend dezentralen Arbeitsumgebung steigt die Anfälligkeit für Ransomware-Angriffe exponentiell (18.03.).

Home Office im Termindruck

Die einen sammeln Argumente gegen etwas, die anderen sammeln Erfahrungen. Das meint Thomas Dehler, Gründer und Geschäftsführer der Gesellschaft für Telearbeit (Gefta) im Interview  mit Gunnar Sohn (28.02). Flexible Arbeit ist auf dem Vormarsch, trotz einiger Unternehmen, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurück ins Büro holen – Dehler ist engagierter Vertreter der  flexiblen Arbeit. Remote Work ist definitiv ein Thema, wenn der Mitarbeiter im Mittelpunkt steht.
Wer Homeoffice in Frage stellt, wolle Leute rausekeln, manchmal gebe es ein rabiates Rollback. Dahinter stecke oft in Wirklichkeit die nackte Angst von Führungskräften, nicht zu wissen, wie sie die Arbeit aus der Ferne kontrollieren können.  Aber auch ein gegenseitiger Prozess: Jeder Bewerber, der an eine Marke angedockt werden möchte, wird einen Kompromiss schaffen, auch wenn er völlig remote-minded ist. Neue Organisationsformen von Arbeit lösen so  Innovationsprozesse aus.
Weiter verweist Dehler auf den Beitrag zur Dekarbonisierung. Jeder nicht gefahrene Arbeitsweg-Kilometer spart Tonnen von CO2.
Auch in anderen Quellen wird die Entwicklung neuer Arbeitsmodelle betont: Mit voranschreitender technologischer Entwicklung werden die neuen Arbeitsmodelle allerdings für immer mehr Menschen zum “New Normal”  werden. Sie suchen nach Arbeitgebern, die eine damit kompatible Kultur sowie Identität bietet (Personalwirtschaft.de , 7.03.)

Manche Arbeitgeber nennen das Home Office als eine gewährte Vergünstigung: Wir bieten freie Zeiteinteilung, Homeoffice, wir haben eine Tischtennisplatte im Büro, mittwochs gibts ein kostenloses Mittagessen aus regionalen Produkten und freitags nachmittags Freibier (7.03.).
Unternehmen haben noch keine dauerhafte Lösung beim Thema Remote Work gefunden- so sagt es ein Berater aus dem Kienbaum Institut.

Home Office – bright & light

In einigen Diskussionssträngen eingestreut werden Fragen der Arbeitsmoral. Verbunden mit einem Bashing der Generation Z teilt etwa die Beraterin Susanne Nickel  in ihrer Kolumne im Focus (14.03.) aus: Remote arbeiten, was heißt: möglichst da, wo der Chef nicht plötzlich auftauchen, kritisieren und Anweisungen geben kann. Und bloß nicht zu viel und zu schwer.  Weiter: In der Generation Z werden nämlich die drei großen F’s gefeiert: Freizeit, Freiheit und Flexibilität. Das sind die „Werte“, die zählen – und nicht etwa Fleiß, Leistung und Karrierestreben.
Das Bashing hat einen Zweck: Es geht um die Bewerbung ihres Buches: Verzogen, verweichlicht, verletzt: Wie die Generation Z die Arbeitswelt auf den Kopf stellt und uns zum Handeln zwingt – erschienen am 19.03.

Aus diesem – querfeldein –  Ausschnitt von 30 Tagen erfährt man bereits viel über die verbreiteten Meinungen und Haltungen  –  aber bis dahin ziemlich wenig über die alltägliche Wirklichkeit von Home Office/ Remote Work, über die konkreten Arbeitsbedingungen. Bis hierhin ist es Medienbeobachtung, eine Exploration der öffentlichen Thematisierung in einem Ausschnitt, der  sich verbreitern oder auch enger fokussieren lässt.
Weitere Schritte zu einer Netnographie richten sich nach einer zu stellenden Forschungsfrage – die formulieren soll, was man denn wissen will. Etliche der Quellen ermöglichen einen tieferen Einstieg mit weiteren Recherchen.
Sicher enthält das Sample noch viele weitere Informationen bereit, so z.B. zur richtigen Ausstattung des Home Offices (ein Geschäftsfeld)  – bis hin zum Feng Shui

Home Office/ Remote Work verbreitete sich als temporäre Lösung während der Pandemie. Eine Entwicklung, die bereits begonnen hatte, wurde so massiv  angetrieben. Noch wenige Jahre zuvor waren digitale Medien und Techniken nur in wenigen Branchen ausreichend verbreitet. Heute gehören die Techniken zu einer wohl flächendeckend verbreiteten Infrastruktur.
Die digitale Öffentlichkeit ist mehr denn je eine Bühne der Positionierung, die von vielen Akteuren bespielt wird, die sich ihrer möglichen Wirkung bewusst sind.
Ist Remote einer der Trigger (vgl. Triggerpunkte), der Reizbegriffe, an denen Konflikte  entzündet werden? – Manchmal fühlt man sich auch an die Instrumentalisierung von Begriffen wie woke erinnert.

 

Einzelne Quellen: Wie zeitgemäße Arbeitsmodelle die Unternehmenskultur beeinflussen. Personalwirtschaft.de – 7.03.24. — Die Rückkehr ins Büro: Was steckt wirklich dahinter? Personalwirtschaft.de 4.03. 24 — Gunnar Sohn: Interview mit Thomas Dehler.  28.02.24 –  Gunnar Sohn:  Wer Homeoffice in Frage stellt, will Leute rausekeln #ZPSued  Susanne Nickel: Die Gen Z verhält sich, als ginge sie die ganze Misere im Land nichts an – Focus  14.03.24. Wirtschaftspsychologen tagten zum „New Normal“. Forschung und Praxis analysierten Ansätze zur Gestaltung der Arbeitswelt . 27.02.24   Mitarbeiterbindung versus Präsenzpflicht  — Pressemitteilung von: virtuu: Streit ums Homeoffice: Studie zeigt, dass sich Führungskräfte vor allem um den Teamzusammenhalt sorgen. 27.02.24
Warum Arbeitgeber das Homeoffice tolerieren 11.03.24.  Homeoffice- Nicht für jeden geeignet – Luckx Das Magazin. 7-03.24  — New Work schafft neue Realität. Lebensmittel Zeitung 7.03.24.  —– Bilder vom Home Office von ob. nach u.: Klaus Janowitz, Johannes Mirus, Gunnar Sohn, Birgit Eschbach,  — – z.B. auf den Seiten  der Hans- Boeckler Stiftung sind einige Studien einsehbar bzw. stehen frei zum download. 

 

 



Eine Antwort auf „Remote Work in der Diskussion“

  1. Eine Sentiment-Analyse wäre noch sinnvoll, um zu erkennen, wie sicher Verlautbarungen tendenziell entwickeln. Zustimmend oder ablehnend. Mein Eindruck: Es werden verstärkt Vorurteile gegen gesammelt, die gegen Homeoffice sprechen. Häufig mit schlechter empirischer Güte.

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