Über den Prozess der Digitalisierung

Über den Prozeß der Digitalisierung – auch so kann man den Digitalen Wandel betrachten: angelehnt an den Prozeß der Zivilisation von Norbert Elias als einen langfristigen Prozess in dem sich das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft wandelt und neu geprägt wird. Es sind technologische und gesellschaftliche (bzw. kulturelle) Entwicklungen, die im digitalen Wandel miteinander verknüpft sind – mit erheblichen ökonomischen Auswirkungen. Der Begriff Technogenese verdeutlicht eine parallele Entwicklung von Technologie und Gesellschaft.

ein Klassiker langfristiger gesellschaftlicher Entwicklung

In der Elias’schen Soziologie geht es um langfristige Wandlungen von Gesellschafts – und Persönlichkeitsstrukturen – Sozio– und Psychogenese. Geschichte und Gesellschaft sind demnach ein einheitlicher Prozeß, der von handelnden Menschen gemacht wird, sich aus ihnen zusammensetzt und sie wiederum prägt. Elias hatte im wesentlichen zwei langfristige Prozesse in eine gemeinsame Perspektive gerückt: den der Staatsbildung (incl. des Gewaltmonopols) und den der Ausformung individueller Selbstkontrolle. Der Prozeß der Zivilisation ist nach ihm ein Prozeß der Disziplinierung der Individuen, der zunehmenden Unterwerfung des Verhaltens unter straffere Regulierungen.
Elias’ Untersuchungen endeten mit dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Im Anschluß daran wurde die Entwicklung der späteren Jahrzehnte, von den 60ern bis zur Jahrtausendwende, von dem niederländischen Soziologen Cas Wouters als Informalisierung beschrieben: Gegenüber strikt regulierten Verhaltenscodes haben sich Selbststeuerung, eine Emanzipation der Emotionen, Variationsspielraum, flexible Anwendung von Verhaltensregeln als neue Ideale einer bewußteren Steuerung durchgesetzt. Informalisierung ist mit Individualisierung verbunden, das Management des Selbst wird zur Aufgabe. Die neuen Ideale fließen ein in neue Verhaltensstandards.

Digitalisierung
Digitalisierung beschäftigt uns schon  seit einigen Jahrzehnten

Digitalisierung beschäftigt uns schon seit einigen Jahrzehnten – in mehreren Schüben. Man denke zurück an die Einführung der Textverarbeitung, der CD, von desktop publishing und Bildbearbeitung, electronic beats und digital games, von Navigationssystemen, an Excel und PowerPoint in der Bürowelt – und noch viele Beispiele mehr. Die Einführung     neuer Techniken war in manchen Fällen disruptiv (so z.B. in der Druckvorstufe), manchmal bescherte sie Branchen eine zwischenzeitliche Blüte, bevor sie selber wieder disruptiv ersetzt wurden (wie z.B. die CD in der Musikbranche). Andere digitale Neuerungen setzten oft auf vorhandene Strukturen. So unterschiedliche Lebenswelten, wie der Dancefloor und das Büro, wurden von diesen Schüben der Digitalisierung erfasst. Zunächst waren es Digitale Inseln, Daten wurden über magnetische (Disketten) und optische Datenträger (CDs) oder E-Mail (mit beschränkter Kapazität) zwischen Endgeräten getauscht.
Warum sprechen wir ausgerechnet jetzt vom Digitalen Wandel bzw. der Digitalen Transformation? Die Digitalisierung hat nun eine Stufe erreicht an der die Digitalen Inseln zu einem – dreht man das Bild um – digitalen Ozean geworden sind. Das Netz ist zentraler Medienverteiler und Marktplatz. Fortwährend fließen Datenmengen hinzu: aus der Online-Kommunikation, aus Aufzeichnungssystemen (GPS, Sensoren, Kameras etc.) – das, was man derzeit als BigData bezeichnet. In dem sehr lesenswerten Buch “Das Neue Spiel” (Michael Seemann, 2014) sind die immer wirksamer werdenden Effekte ausgearbeitet: zum einen der digitale Kontrollverlust (d.h., daß sich Informationen im Digitalen nicht mehr zurückhalten lassen.), zum anderen die Macht der Query als Instrument der Datenabfrage: entscheidend ist nicht die aufgezeichnete Information, sondern deren Abfrage.

Entscheidend in der Entwicklung ist die von Lee Rainie und Barry Wellman so genannte Triple Revolution: 1) der als Social Network Revolution zusammengefasste gesellschaftliche Wandel, der in etwa mit der oben beschriebenen Informalisierung übereinstimmt. Generell ist der Rückgang traditioneller Formen von Gemeinschaft gemeint, anstelle derer individuell gestaltete Netzwerke treten, 2) die Internet Revolution (Verbreitung und Nutzung vernetzter digitaler Kommunikation) und  3) die mobile Revolution, die das Netz von stationären Geräten löste.
Die gegenwärtige Stufe des digitalen Wandels wirkt sich nicht mehr nur auf einzelne Branchen bzw. Branchencluster aus – sondern auf die Gesamtheit der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Organisation. Von dem amerikanischen Soziologen Richard Sennett stammt das schöne Bild (wenn auch in einem etwas anderen Blickwinkel) von der Playlist als Organisationsmuster:  Organisation und Handlungsabläufe bestehen aus aneinander anschlußfähigen Teilen. Vom Individuum verlangt das ein ganz anderes Wissen und eine ganz andere Aufmerksamkeit als etwa Anpassung an Bestehendes.

Norbert Elias:  Über den Prozeß der Zivilisation, 2 Bde. (Orig.Basel 1938) TB Frankfurt 1969; Cas Wouters:  Van Minnen en Sterven. Informalisering van omgangsvormen rond seks en dood. Amsterdam, 1990;  Lee Rainy & Barry Wellman (2012) Networked: The New Social Operating System. Cambridge, MA and London: MIT Press; Michael Seemann: Das neue Spiel. Strategien für die Welt nach dem digitalen Kontrollverlust. 256 S. Orange Press, Freiburg 2014, gebunden 20,-€ /28 ‚- SF; E-Book 5,- bei iRights-Media Jan-Hinrik Schmidt,: Linked: Vom Individuum zur Netzgemeinschaft. In: Christian Stiegler, Patrick Breitenbach, Thomas Zorbach (Hg.):New Media Culture: Mediale Phänomene der Netzkultur – Transcript Verlag,, Bielefeld 5/2015 S. 84-95  

Networked Sociality/Vernetzter Individualismus

Digitaler Wandel bedeutet nicht nur technologischen und ökonomischen Wandel, ebenso gesellschaftliche Veränderungen, die Art wie Menschen sich organisieren und ihre Beziehungen gestalten.
Sicher kann man auch Vernetzte Sozialität sagen, der Anglizismus war aber schon eher da. Networked Sociality stammt von dem deutschen, in England lebenden Kulturwissenschaftler Andreas Wittel, 2001 – demselben Jahr wie Manuel Castells Netzwerkgesellschaft. Netzwerke sind ein Gegenmodell zu hierarchisch organisierten Organisationen, in der menschlichen Geschichte gab es sie immer zu Kooperation und gegenseitiger Unterstützung. Als Gesellschaftsmodell in neuerer Zeit spricht man seit einigen Jahrzehnten davon, bei vormals alternativ genannten Szenen, in der Kulturindustrie, generell in urbanen Umgebungen – beim Übergang von der Industrie- (und manchmal auch Agrar-) zur Informationsgesellschaft. Individuelle Wahl gewinnt Vorrang vor traditioneller Sozialität. Digitalisierung ist nicht der Auslöser, treibt aber die Entwicklung an.

NetworkedVernetzter Individualismus unterscheidet sich nur geringfügig von Networked Sociality, in seiner Verwendung richtet sich der Begriff mehr auf konkrete Auswirkungen und bewußte Steuerung. Er kommt bei Manuel Castells (2005) vor, und wurde von Lee Rainie & Barry Wellman in Networked – The New Social Operating System (2012) ausgearbeitet. In einer Übersicht von 12 Grundsätzen stellen die Autoren Charakteristika heraus.
Das neue soziale Betriebssystem bedeutet einen Wandel in Sozial- und Arbeitsbeziehungen und verlangt neue Strategien und Fähigkeiten, Probleme zu lösen und Handlungen zu planen. Das gilt für einzelne, wie für Unternehmen und Organisationen. Grenzen zwischen Information, Kommunikation und Aktion verblassen. Technische und mediale Möglichkeiten werden genutzt, dabei stehen keine einzelnen Dienste im Vordergrund – entscheidend ist die Kompetenz, sich jeweils geeignete Formate nutzbar zu machen. Dazu gehören auch Sozialtechniken wie Reputationsmanagement.  

“Moving among relationships and milieus, networked individuals can fashion their own complex identities depending on their passions, beliefs, lifestyles, professional associations, work interests, hobbies, or any number of other personal characteristics” 
(Rainie & Wellman S. 15).

Vernetzter Individualismus – ein neues soziales Betriebssystem

Vernetzter Individualismus bedeutet ein mehr an offenen sozialen Systemen und weniger geschlossene soziale Systeme. Mit der Digitalisierung erschliessen sich die Möglichkeiten von Netzwerken erst wirklich, mit immer geringeren Einschränkungen durch geographische Entfernung, sie werden nach Interessen, Wertvorstellungen, Sympathien und Projekten aufgebaut und sind oft thematisch focussiert (vgl. Castells 2000 u. 2005).
Kennzeichend für die Digitalisierung ist die individualisierte Ansprache: von einer Gesellschaft der Massenmedien zu einer der personalisierter Medien; von breitgestreuter Werbung zum personalisierten Marketing. Es ist das, was Michael Seemann (Autor “Das Neue Spiel“) als die Organisationsmacht der Query bezeichnet. Die Query ist die Abfrage an eine Datenbank zu zutreffenden Matchings. So können Ressourcen verknüpft und koordiniert werden. Etliche der neueren Geschäftsmodelle beruhen darauf: So funktionieren Uber und AirBnB, Dating Apps und unzählige andere. Diese Plattformen vermitteln standardisierte Transaktionen von Anbieter zu Abnehmer, jeder kann Sender und Empfänger, Verkäufer und Kunde sein. Ähnlich ist die Verknüpfung über gemeinsame Merkmale, Interessen, Leidenschaften – in der Sprache des Social Web ein gemeinsamer #hashtag. Für die Verbindungen, die dadurch entstehen gibt es bereits den Begriff consocial – oder, wenn wir in deutscher Schreibweise bleiben wollen, konsozial.

Denken wir 15 Jahre zurück, spielte Online-Kommunikation eine ganz andere Rolle als heute: man sprach (noch) von virtuellen sozialen Beziehungen in einer Parallelwelt,  experimentell oder beschränkt auf Informationsaustausch in Foren. In mehreren Schüben schob sie sich in den Alltag, mit der Verbreitung von SocialMedia Diensten und v.a. der Allgegenwart des mobilen Netzes. Der Prozeß der Digitalisierung reiht sich ein in andere längerfristige Entwicklungen, den der Individualisierung und der Informalisierung und den der Ablösung der Industrie- durch die Informationsgesellschaft. Strukturell ist manches vorgegeben, der Prozeß selber gestaltbar.

Manuel Castells: Die Internet-Galaxie: Internet, Wirtschaft und Gesellschaft, 2005 (Orig.: The Internet Galaxy: Reflections on the Internet, Business, and Society, 2001), 300 S. Wiesbaden 2005; Lee Rainy & Barry Wellman (2012) Networked: The New Social Operating System. Cambridge, MA and London: MIT Press; Michael Seemann: Das neue Spiel. Strategien für die Welt nach dem digitalen Kontrollverlust. 256 S. Orange Press, Freiburg 2014, gebunden 20,-€ /28 ‚- SF; E-Book 5,- bei iRights-Media Andreas Wittel,: Toward a Networked  Theory, Culture & Society December 2001 vol. 18 no. 651-76  

 

Das Neue Spiel – Strategien für die Welt nach dem digitalen Kontrollverlust (Rez.)

„Es gibt fast keine Lebensbereiche mehr, die nicht von der Digitalisierung betroffen sind. Der Kontrollverlust wird sie alle betreffen…“ (S. 7) Im herkömmlichen Sinne bedeutet Kontrollverlust den Verlust der bewussten Steuerung bzw. Beherrschung des Denkens und/oder des Handelns. Das ist so bei eigener Beeinträchtigung (etwa durch Drogen- oder Alkoholkonsum, Krankheit), und dann, wenn die erlernten und bis dahin bewährten Strategien in einer veränderten Umgebung nicht mehr greifen.
Digitaler Kontrollverlust bedeutet, daß sich Informationen im Digitalen nicht mehr zurückhalten lassen. Niemand ist mehr Herr seiner eigenen Daten. Das gilt für “alle Formen der Informationskontrolle: Staatsgeheimnisse, Datenschutz, Urheberrecht, Public Relations, sowie die Komplexitätsreduktion durch Institutionen”¹. Große Organisationen haben immer darauf gesetzt Informationen zu zentralisieren, den Zugang dazu mit Regelwerken abzusichern.  So wurden Hierarchien gestützt und Prozessabläufe gesteuert. Auf der anderen Seite ging es darum, eine private Sphäre vor Zugriffen zu schützen.
Das neue Spiel: Strategien für die Welt nach dem digitalen Kontrollverlust” von Michael Seemann ist bereits im Oktober 2014 erschienen und wurde durch Crowdfunding finanziert. So ist bereits viel dazu und darüber geschrieben worden. Bücher und Texte sind aber nicht zwangsläufig nach einem dreiviertel Jahr veraltet – und  Das Neue Spiel enthält Gedankengänge, die den digitalen Wandel ganz entscheidend beleuchten. Das Buch besteht aus zwei Teilen, im ersten geht es um die These vom Kontrollverlust, im zweiten um die (möglichen) neuen Spielregeln für die Zeit danach.
Digitale Daten werden nicht versendet wie Dokumente oder bewegliche Güter. Sie werden von einer Stelle an eine andere kopiert – bei jedem einzelnen Vorgang: das Internet ist eine gigantische Kopiermaschine. Zu Beginn des Jahrtausends wurde dies etwa der Musikindustrie zum Verhängnis, deren Geschäftsgrundlage durch Filesharing bedroht wurde. Die Verteidigung der Kontrolle mittels technischem Kopierschutz und juristischer Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen griff nicht. Schließlich fand der Vertrieb ein Dach auf Verkaufsplattformen wie iTunes, neuerdings auch in Musikflatrates wie Spotify. Ein frühes Beispiel disruptiven digitalen Wandels.

Daten werden erspäht
Aufzeichnungssysteme verdaten auch die physische Welt – Bild: suze / photocase.de

Angetrieben wird der Kontrollverlust von mehreren Entwicklungen:die steigende Masse an Daten durch die Allgegenwart von Aufzeichnungssystemen” (Kameras, GPS- Tracker, Verbindungsdaten, Bewegungsmelder etc.); die steigende Agilität von Daten durch größere und günstigere Speicher und Bandbreiten – und schließlich erlauben die sich ständig verbessernden und mit mehr Rechenkraft ausgestatteten Analysemethoden immer neue Einblicke in bereits existierende Datenbestände (vgl. S. 22/23). Letzteres bezeichnen wir als Big Data.

Ist der erste Teil des Buches eine Analyse des Umbruchs Digitaler Kontrollverlust, kann man den zweiten als ein Manifest verstehen, das Regeln für das folgende, das Neue Spiel formuliert. Zehn Regeln, denen jeweils eine These vorangestellt ist. Zwei Begriffe sind hervorzuheben: Die Plattform als Infrastruktur für Interaktion und Koordination, und die Query als Instrument der Datenabfrage: entscheidend ist nicht die aufgezeichnete Information, sondern deren Abfrage. Ging es im Alten Spiel darum, wer Informationen speichert, besitzt und kontrolliert, zählt im Neuen die Fragestellung. Macht hat, wer die Plattform kontrolliert  (Regel 6) – und Zugriffe ermöglicht. Das erfordert die Neutralität der Plattform.
Auf jeden Fall ist “Das Neue Spiel” ein originelles Buch – in dem Sinne, das Entwicklungen neu benannt und interpretiert werden. Diskussionen zu Wirtschaft und Gesellschaft können daran anschließen,  somit ist es für längere Zeit aktuell. Nicht zuletzt auch ein leidenschaftliches Pladoyer für offene Daten und Zivilgesellschaft. Auslöser von Buch und Theorie des Kontrollverlustes war u.a. die flächendeckende Überwachung durch den NSA (und andere Geheimdienste) und der Fall Edward Snowden. Die Überwachung ist Teil des Spiels und man wird lernen müssen, damit zu leben – und auch weitgehend ohne den rechtlichen Schutz (in etwa die Positionen von Post Privacy):
“Wenn der Datenschutz seine Vorstellungen von “Personenbezug” durchsetzt, erweitert er seine Kompetenzen auf beinahe Alles. Dann wird er entweder totalitär oder wird an dieser Stelle schlicht und ergreifend ebenso armselig scheitern²….”

Michael Seemann: Das neue Spiel. Strategien für die Welt nach dem digitalen Kontrollverlust. 256 S. Orange Press, Freiburg 2014, gebunden 20,-€ /28 ‚- SF
E-Book 5,- bei iRights-Media

¹: http://www.ctrl-verlust.net/glossar/kontrollverlust ² :http://www.ctrl-verlust.net/grechenfrage-big-data/

Netzwerk- vs Plattformgesellschaft

Netzwerke
Netzwerke sind der Lieblingsbegriff der digitalen Moderne

Das Netzwerk ist der Lieblingsbegriff der digitalen Moderne – in der technischen Infrastruktur wie in der sozialen Organisation. Es steht für eine dezentrale Perspektive von Wirtschaft und Gesellschaft. Gutes Netzwerken gilt als Voraussetzung für Erfolg. Blickt man ein paar Jahrzehnte zurück, war der Netzwerkgedanke in den Alternativbewegungen der 70er und 80er Jahre das herrschaftsfreie Gegenmodell (zumindest strebte man das an) zu einer hierarchisch organisierten Wirtschaft. Netzwerkgesellschaft war auch der Titel des ersten Bandes der Trilogie  “Das Informationszeitalter” (1996; dt. 2001) des in Berkeley lehrenden spanischen Soziologen Manuel Castells. Castells analysierte die CatellsInformationsgesellschaft als Nachfolgerin der Industriegesellschaft, die (zumindest in ihrer klassischen Form) hierarchisch-bürokratisch organisiert ist.
Seit Erscheinen liegen mittlerweile etwa anderthalb Jahrzehnte zurück, die Themen sind aktuell geblieben. Netzwerkgesellschaft bedeutet eine neue soziale Morphologie, die Verbreitung der Vernetzungslogik verändert Prozesse der Produktion, Erfahrung, Macht und Kultur (vgl. S. 527). Netzwerke sind “personalisierte Gemeinschaften“, das neue Muster der Soziabilität ist durch einen vernetzten Individualismus geprägt (vgl. Castells 2005, S. 141).
Technologische Innovation ist kein isoliertes Ereignis, technologische Systeme entstehen gesellschaftlich – und sind von der Kultur geprägt, die sie hervorgebracht hat. Innovation findet dort statt, wo die wissenschaftlichen, technischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Voraussetzungen  gegeben sind.
Zahlreiche Kräfte wirken ein: Bedürfnisse der Wirtschaft nach flexiblem Management, die Globalisierung von Produktion, Kapital und Handel, zivilgesellschaftlicher Wille zu individueller Freiheit und offener Kommunikation,  unternehmerisches Streben nach Gewinn, der staatliche Wunsch nach Kontrolle. Zugang und Ausschluß zu den Netzwerken wird zu einem immer entscheidenderen Faktor – und irgendwann zum Problem derer, die nicht daran teilhaben. Die Frage nach der faktischen Kontrolle des Zugangs wird zu einer entscheidenden Frage.

Plattformen treten uns im Netz in verschiedener Form entgegen: in den großen Social Media Plattformen, wie Facebook, youtube, Twitter, instagram, LinkedIn etc., ebay und amazon marketplace als Handelsplattformen für jedermann. Seit neuerem in der sich bildenden Sharing Economy: airbnb (Übernachtungen) und Uber (Fahrservice) als derzeit bekannteste Beispiele, dazu aber auch Kreditvermittlung von privat zu privat, wie auxmoney, Car Sharing, Transportdienste nach dem Muster von Uber und manches andere.
Plattformen sind Verteilerstellen – die Bedeutung ist im Englischen viel weiter gefasst, so ist platform auch der Bahnsteig – sie standardisieren Zugänge und machen erst viele Möglichkeiten von Netzwerken nutzbar und ermöglichen neue. In der Diskussion dazu wird aber immer wieder ein Unbehagen erkennbar, dahinter stehen stille Befürchtungen neuer Machtstrukturen, nach einer faktischen Kontrolle der Zugänge. Im  Einfluß und Gewinn bringenden Teil der Netz- Ökonomie dominieren wenige Unternehmen. Das Potential einer Sharing Economy ist noch unerschlossen. Tempogeber bleiben die Cluster der amerikanischen Westküste. Zu allen Zeiten haben aber neue Möglichkeiten auch neue Geschäftsfelder eröffnet. Als Ausblick bleibt die Macht der Ströme gewinnt Vorrang gegenüber den Strömen der Macht” (Castells, 2001, S. 527).

weiterführend: Manuel Castells: Die Netzwerkgesellschaft. Teil 1 der Trilogie “Das Informationszeitalter”, Opladen 2001 (Orig. 1996); Manuel Castells: Die Internet-Galaxie: Internet, Wirtschaft und Gesellschaft, 2005 (Orig.: The Internet Galaxy: Reflections on the Internet, Business, and Society, 2001), 300 S. Wiesbaden 2005;  Sebastian Giessmann: Die Verbundenheit der Dinge. Eine Kulturgeschichte der Netzwerke, 512 S., Berlin 2014;   Michael Seemann: Das neue Spiel. Strategien für die Welt nach dem digitalen Kontrollverlust. Freiburg 2014



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