Absolute Disruption: Zwischen Machtergreifung und Freak-Show

Musk & Millei auf der CPAC* – 20.02.15

Was derzeit in den USA geschieht, hat historische Dimensionen. Nennt man es Machtergreifung – oder ist es eine Freak- Show die vorbeizieht?

Die Brüche sind da. Im Inneren der Beginn der deconstruction of the administrative state (Steve Bannon) – nach dem Muster von Hugo Chávez (Venezuela) oder Viktor Orbán (Ungarn). Regimewechsel nennt es  Anne Appelbaum. Autogolpe nennt man in Lateinamerika den Selbstputsch, bei dem ein legal gewählter Politiker schrittweise die demokratischen Institutionen untergräbt.

Nach aussen werden Wahrheiten umgeschrieben, mal ganz einfach auf der  Landkarte, dann wird der Ukraine vorgeworfen, von Russland angegriffen worden zu sein: You should never have started it. Nach drei Jahren des Angriffskrieges stellt sich die neue US- Regierung dann in den UN an die Seite  des Agressors Putin. 
Es bedeutet das Ende, zumindest eine Unterbrechung, der von den USA angeführten auf Verträgen und Kooperation basierenden liberalen Weltordnung. Eine neue Weltordnung hätte die autoritären Züge der Welt von vorgestern: Mächtige Männer führen mächtige Staaten und ordnen die Welt durch zwischen ihnen ausgehandelte Deals.
Das durch komplexe Bindungen regulierte Europa stört dabei nur. Die USA von Trump und Musk bedeuten einen Zivilisationsbruch.

With this guy, every troll is a trial balloon* – die Beschreibung als Troll im britischen Guardian charakterisiert Trumps politische Kommunikation wohl am besten. I like making deals, preferable big deals. That’s how I get my kicks – ist seinem Buch The Art of the Deal vorangestellt. So geht es immer wieder um ein möglichst offensives Auftreten, egal ob gegen Freund oder Feind, und darum,  niemals eine Niederlage zuzugeben.
Trump wurde bekannt als Figur des Gossip mit Bling-Bling und vulgärer Selbstdarstellung, nicht wirklich ernst zu nehmen. Popularität gewann er durch die Reality TV- Show The Apprentice Mobbing/  Bullying zählen zu den Herrschaftstechniken bzw. Führungsmethoden.  Dasselbe von Machtinstinkt geleitete Verhalten findet sich nun auf der politischen Ebene. Es geht darum, Schwächen zu erkennen und SOFORT auszunutzen.
Die Basis der Anhängerschaft lässt sich als Fangemeinde/Fandom  bis Gefolgschaft beschreiben: Trump wird nicht einfach gewählt, er wird verehrt als Celebrity, wie Elvis, und als Führungsperson.

Man kann es Mash-Up* nennen, diese gegenseitige Überlagerung von    Rechtspopulismus und digitalem Kapitalismus zu einem neuen Machtsystem. Zwangsläufig ist die Verbindung nicht, noch während der ersten Trump- Administration blieb die Tech World Terrain der Demokraten. Digitaler Fortschritt war lange Zeit eine Erzählung die parallel zu einem gesellschaftlichen Fortschritt verläuft.
Mit der Plattformisierung verstärkte sich die Macht der Tech- Konzerne – ihre Landnahme. Digitale Plattformen ermöglichen zielgerichtete Streuung von  Aufmerksamkeit und begünstigen populistische Kommunikationslogiken.

Überwachungskapitalismus und autoritärer Populismus teilen  Kontrollinteressen. Rechtspopulismus, in den USA mit dem Label MakeAmericaGreatAgain, und BigTech entwickeln beide imperiale Ambitionen: Ersterer mit der Berufung auf vergangene Größe und Stärke. Der Digitale Kapitalismus von BigTech mit dem Ziel einer technologisch determinierten Zukunft. Ein ideologischer Hintergrund lässt sich im  Cyberlibertarismus zusammenfassen. Im Rechtspopulismus finden sich dazu Überlieferungen der White-Supremacy Strategies, die in zeitgenössische Diskurse eingebettet sind – rassistische Haltungen werden implizit weitergetragen.

Elon Musk – Auftritt auf dem Parteitag der AfD

Musk, ungewählt, aber finanziell stark engagiert, inszeniert sich als Co-Präsident, als Absolutist der freien Rede und als Lautsprecher  einer libertären Internationale mit ununterbrochener Medienpräsenz.

Die wirtschaftliche und mediale Macht von BigTech wird immer stärker als übergross empfunden – sie beruht auf der Kontrolle digitaler Infrastrukturen. Derzeit verbündet sich diese Macht der Plattformen mit  einer politischen Macht, die konstitutionelle Regeln angreift. Ein Machtüberhang, der Demokratie und den sozialen Zusammenhalt gefährden kann.
Das Bild eines Techno- Feudalismus kann hier anschliessen. Ein moderner Feudalismus mit KI- Technologie anstelle von Bürokratie und einer fortlaufenden  Risikokapitalmaschine, die immer neue Tech-Hypes gebiert.  Mit einem ungekannten Einsatz von Automatisierung, prädiktiver Datenanalyse und KI-Technologie – so wäre etwa ein Ausblick.
Wie haltbar ist die Allianz mit dem Rechtspopulismus? Einige Bruchlinien werden deutlich: Steve Bannon, einer der Hauptarchitekten des modernen Rechtspopulismus,  nannte Musk einen Parasitic Illegal Immigrant. Technokratie steht dann  gegen den Traditionalismus amerikanischer Werte. Ohne Regulierung bleibt Freiheit nur für jene, die die Plattformen besitzen.

Was in den USA geschieht, hat globale Auswirkungen: The leading nation of the world ist nicht nur politisch und ökonomisch tonangebend. American popular culture hat einen globalen Einfluss: Filme, TV-Serien, Popmusik, kulturelle Trends, die Ausprägungen der Consumer Culture, bis hin zu den Mustern von Handlungs- und Managementmethoden.
In den letzten ca. 15 Jahren haben die Tech-Plattformen diese Dominanz weiter verstärkt. Silicon Valley ist das globale Vorbild der Tech-KulturWie das Valley denkt ist eine Frage, die weltweit Berater und Zukunftsforscher interessiert.

Disruption ist ein  zentrales Konzept der digitalen Wirtschaft: Brüche des Bestehenden werden durch Innovationen ausgelöst. Das Aufbrechen bestehender Strukturen wird als notwendiger Fortschritt legitimiert. Während klassische Disruption oft punktuell bestimmte Bereiche, einzelne Geschäftsmodelle oder Kommunikationswege revolutioniert, steht Absolute Disruption für einen totalen, systemischen Wandel.

Der Begriff Absolute Disruption stammt von dem Philosophen Jason Ānanda Storm Gemeint ist ein radikaler Bruch mit den bisherigen Ordnungen, in dem herkömmliche Machtstrukturen als überholt erscheinen. Storm meint damit einen fundamentalen Umbruch in der Art, wie wir Wissen generieren und validieren – eine Meta-Disruption, die unsere grundlegenden Denk- und Verstehenskategorien betrifft.
Mit den aktuellen Ereignissen hat Storms Text wenig zu tun. Absolute Disruption kann genauso eine gesellschaftlich progressive Disruption bedeuten. Der Begriff spiegelt die Erwartung einer Neugestaltung. Aktuell wird sie von einer – noch sehr  fragmentarischen – Allianz aus BigTech und autoritärem Rechtspopulismus bestimmt. Wünschenswert ist sie mit gesellschaftlicher Beteiligung und Kontrolle.

Dieser Text überschneidet sich zum Teil mit dem vorhergehenden Beitrag Trumpismus- Muskismus – die Ereignisse und Berichte  überschlagen sich,  von Tag zu Tag. Frage ist, wie sind diese Ereignisse in längerfristige gesellschaftliche Prozesse eingebunden?  

The New Yorker  20.02.25: The Trump Administration Trashes Europe and NATOWhat Could Happen if the U.S. Abandons Europe. 21.02.25 – Trump’s Putinization of America. 20.02.25 –  The New York Times 3.02.25.  Marc Saxer: Wer zu spät kommt … Die USA stellen das transatlantische Bündnis und die liberale Ordnung infrage. 17.02.25  Jannis Brühl: Der Seitenwechsel – wie die Oligarchen rechts wurden 21.02.25 SZ. Anne Appelbaum: There’s a Term for What Trump and Musk Are Doing. The Atlantic 13.02.25  – Elizabeth Lopatto: Elon Musk’s first month of destroying America will cost us decades. The Verge 21.02.2025. Philip ListeTransnationale Disruption .  – Zur staatspolitischen Bedeutung von J. D. Vance’s Rede in München 18.02.25.  Jason Ananda Josephson Storm: Metamodernism. The Future of Theory. Chicago 9/2021. 360S. Blog: Absolute Disruption  — * CPAC= Conservative Political Action Conference. . *The Guardian 21.02.25. – Sheila Mysorekar Donald Trump und der Putsch in den USA. nd 21.02.25. Steffen Mau: Die Revolution der Erschöpften. Der Spiegel 21.02.25



Trumpismus- Muskismus

Mehr Musk wagen? Meint Ex- Finanzminister Christian Lindner

An politisch agressivere Zeiten kann ich mich kaum erinnern. In schneller Folge eskalieren Konflikte, die man vor noch kurzer Zeit nicht für möglich gehalten hatte.
Dazu gibt es passende Bilder, passende Gesten und Sprüche.
In den USA eine Übernahme im Rekordtempo, ein autokratischer Umbau. Agressivität nach aussen, selbst gegen Verbündete wie Kanada und Dänemark. Nach innen sog. Disruption, was irgendwie nach schöpferischer Innovation klingen soll – gemeint ist aber die Zerstörung, zumindest die massive Schwächung der konstitutionellen demokratischen Infrastruktur.

Die Berichte überschlagen sich nochmals seit dem 4.02., als DOGE- Department of Government Efficiency, die eigens für Musk geschaffene Behörde in strategisch zentrale institutionelle Bereiche  eindrang.
So der Übergriff auf Finanzsysteme, die Bundeszahlungen abwickeln, incl  persönlicher Angaben zu Sozialversicherungsleistungen, Steuerrückerstattungen, Gehältern und Rentenzahlungen. USAID – die Agentur für internationale Entwicklung – stand in erster Linie des Angriffs. Die Agentur musste unter anderem klinische Studien und Entwicklungsprojekte abbrechen.
Beobachter nennen es einen administrativen Staatsstreich*, einen Angriff auf das Gesetz selbst
, a trojan horse for Elon Musk to gut labor, consumer, and environmental protections².
Trumps formale Regierungsmacht gewährt dem nicht gewählten Tech- Milliardär Musk direkte Kontrolle über staatliche Institutionen – auch jene, die seine Unternehmen regulieren und ihnen Aufträge erteilen. Ein nicht gewählter Milliardär lässt eine Kolonne ihm ergebener, junger Anhänger in die Behörden einrücken.  DOGE setzt sich über gesetzliche Beschränkungen und Beschlüsse des Kongresses hinweg.  Musk beeinflusst nicht nur die Politik, sondern auch Personalentscheidungen(vgl. NYT 4.02.). 
There is not one single entity holding Musk accountable. It’s a harbinger of the destruction of our basic institutions¹.

Die erste Trump- Präsidentschaft 2017 – 2020 liess sich als entgleiste Episode verstehen – die noch von intakten Institutionen austariert werden konnte.  Spätestens mit dem Sturm auf das Kapitol am 6.01.21 wurde die Missachtung konstitutioneller Regeln deutlich – bis zur Gewaltbereitschaft. Es war ein Zivilisationsbruch – Donald Trump ist der Alptraum an Machtbesessenheit, vor dem die Gründerväter einst warnten (SZ).

Der Schulterschluss mit den Oligarchen aus BigTech bringt eine neue Dimension, schafft eine neue Form autoritärer Herrschaft. Wie soll man sie nennen – dieses MashUp aus zwei Strömungen sehr verschiedener  Herkunft – adhoc- generisch  TrumpismusMuskismus?
Trumpismus hat bereits einen Eintrag im Gabler – Wirtschaftslexikon aufbauend auf einer Beschreibung des New Yorker Soziologen Jeff Goodwin. Schlüsselelemente sind demnach sozialer Konservatismus, neoliberaler Kapitalismus, ökonomischer Nationalismus, – gegen Migranten gerichteter – Nativismus und weißer Nationalismus. Die Verbreitung von Fake- News, zusammengefasst als Flood the zone with shit (Steve Bannon)– mit der Absicht die öffentliche Meinung zu verschieben, ist eine wesentliche Strategie.  

Die MakeAmericaGreatAgain Bewegung führt ein nostalgisches Narrativ, ausgerichtet an vergangene Glanzzeiten, bereits im Namen. Es geht um die Rückeroberung nationaler Souveränität und die Abkehr von Globalisierungsprozessen.
Die  Klientel geht über das hinaus, was in Analysen von Populismus bisher beschrieben wurde, neben Konservativen und Evangelikalen zählen auch Anteile von Gebildeten, Erstwählern, Latinos dazu. Ein Brückenideologie ist die Gegnerschaft zu Emanzipationsbewegungen – Wokismus ist ein klar verankertes Feindbild.

Auch der Begriff Muskismus wurde schon einige male genannt – zuerst als ein Universum für Superreiche, als ein Zusammenwirken von Technologiegläubigkeit und Turbokapitalismus.  
Musk
lässt sich in den cyberlibertären Strömungen der Tech Branche verorten. Der Umfang und die Breite seines Konglomerats sprengt aber mittlerweile den Rahmen. Es verbindet ökonomische, technologische und mediale Macht.
Trump und Musk eint der unbedingte Machtwille, eine stark narzisstische  Selbstinszenierung als Selfmademen und Disruptoren/ Störer des Systems. Beide betreiben die systematische Delegitimierung demokratischer Institutionen.
Gemeinsam verfügen sie über ein Fülle an Machtquellen: neben der formalen Regierungsmacht Trumps, die finanziellen und technologischen Ressourcen, von Musk, im weiteren das Mobilisierungspotential der MAGA- Bewegung. They don’t want to govern, they want to rule (Steven Levitsky). 

Hugo Drax – Elon Musk

Nicht nur der Astrophysiker Harald Lesch vergleicht Musk mit Hugo Drax, dem  Schurken aus dem James Bond Film Moonraker**.
Die reale wie die fiktionale Figur sind die jeweils reichsten Männer der Welt mit weltumspannenden  technologischen und politischen Visionen und Machtambitionen – incl. dem Ausgriff ins All.
Was den Vergleich so naheliegend macht, ist der Aufbau eines privaten Imperiums, das der Menschheit die eigene Version von Fortschritt aufdrängen will. Der Ausbau des Konglomerats folgt so Strategien, die weit über klassische Unternehmensziele hinausgehen.
Die Expansionen in Raumfahrt, Transport, KI, social Media, Neurotechnologie, incl. der Sammlung nutzbarer Daten – und seine ungehemmte Tatbereitschaft, deuten auf den Machtausbau hin. Jetzt kommt die Verbindung zur formal legitimierten Macht hinzu. Finale Ziele und Taktiken bleiben undurchsichtig. Dem Populismus haftet etwas Clowneskes, dem Faschismus etwas Dämonisches an³.
Musk sticht als solitärer Cyberlibertarian heraus – ihm hat Trump seinen Wahlsieg zu verdanken. Aber wie ist die Rolle der anderen Tech- Milliardäre zu sehen? Ihr Auftritt (+ ihre üppigen Spenden) bei der Trump’schen Inauguration bot ein iconisches Bild, das eine neue Allianz von technologischer, ökonomischer und politischer Macht zeigt.
Auch Marc Zuckerberg geht es um visionäre Langfristziele. Mit dem  Metaverse soll eine neue digitale Realität erschaffen werden, die über die klassische Social-Media-Welt hinausgeht – ein digitales Paralleluniversum, das Nutzer an eine von Meta gesteuerte Umgebung bindet.
Googles Leitspruch war einmal don’t be evil –   das gilt schon lange nicht mehr. Google/ Alphabet hat sich zu einem technokratischen Imperium entwickelt, das durch seine Dominanz in Suche, KI und digitaler Infrastruktur Kontrolle über den Zugang zu Information ausübt.
Jeff Bezos hat mit Amazon ein Handelsimperium geschaffen, das mittlerweile von Cloud-Computing (AWS) bis hin zu Logistik und Medien reicht. Er agiert als klassischer Monopolkapitalist, der Regulierung vermeidet und systematisch Marktmacht konzentriert.
Microsoft setzt auf institutionelle Einbindung und präsentiert sich als ‘verantwortungsvoller’ Partner. Apple hat ein geschlossenes Ökosystem aufgebaut, das Nutzer durch Hardware, Software und Services maximal bindet.”
Alle genannten Konzerne bzw. Milliardäre verfügen in ihren Geschäftsfeldern über de Facto- Monopole incl. der Kontrolle über entscheidende Infrastrukturen – was ein jeweils eigenes Problem der Macht von BigTech ist.
Ihre Haltung zu einer Disruption der Demokratie lässt sich in Stufen einteilen: Musk ist mit seinem Konglomerat ihr primärer Betreiber. Zuckerberg und Bezos lassen sich als opportunistische Mitläufer einstufen. 
Was sie verbindet, ist die Vision einer tech-gesteuerten Gesellschaft, in der gesellschaftlich kontrollierte demokratische Institutionen zunehmend durch privatwirtschaftlich betriebene digitale Monopole verdrängt werden. An  einem Punkt zogen sie bisher mit, dem Ende von Minderheitenschutz un Diversitätsprogrammen. 

LinkedIn Posting vom 30.01.25

Was in den USA geschieht hat direkte Rückwirkungen auf andere Länder. In Deutschland fällt die Zuspitzung der Situation mit dem Bruch der Ampelkoalition zusammen, wobei Musks direkte Einmischung zugunsten der AfD die Parallelen noch verstärkt.
So stehen die Ereignisse und Diskussionen in Deutschland unter dem Eindruck der in den USA.  Im Mittelpunkt der letzten Wochen stand die  symbolpolitische Öffnung der politischen Arithmethik nach rechts. Migration wurde in plakativer Weise zum zentralen Thema, ohne jede Differenzierung zwischen Flucht und Arbeitsmigration. Die Schliessung von Grenzen als Abschied von der europäischen Öffnung. Dazu wäre noch viel zu sagen, aber ist ein weiteres Thema …
Was bleibt, ist eine Spaltungslinie, die sich bis in private Umgebungen zieht.  Vorbereitet wurde die Polarisierung durch oft schrille Bashing- Kampagnen. Wokeness wurde als bewusst konstruiertes Feindbild importiert.

Zweimal ist bei mir in den letzten Monaten ein Grundvertrauen zersprungen: Zum einen das in den Digitalen Fortschritts, der bei allen Umwegen immer wieder neue Möglichkeiten offen hält, die sich gestalten lassen. Jetzt ist die Möglichkeit eines digitalen Faschismus hinzugekommen -und das ist ernst zu nehmen.
Das zweite Grundvertrauen war das in einen langjährig gewachsenen gesellschaftlichen Konsens, Probleme einverständlich lösen zu können – dabei die andere Position als das  legitime andere zu sehen und zu respektieren. 
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¹Was Inside Musk’s Aggressive Incursion Into the Federal Government. The New York Times 3.02.25.  Harald Lesch: Was Elon Musk mit einem Bond-Bösewicht gemeinsam hat. SZ 3.02.25  ²Robert Reich, Professor of Public Policy at UC Berkeley. *Annika Brockschmidt: Trump & Musk: Staatsstreich in den USA & keiner kriegt es hier mit? Volksverpetzer. 6.02.2025 *Timothy Snyder: Of course it’s a coup. Miss the obvious, lose your republic. 4.02.25  *Mark Schieritz: Sie sagen Disruption und meinen Staatsstreich. Die Zeit 4.02.2025. Jill Lepore: Muskismus – ein Universum für Superreiche. Philosophie heute 16.12.21,. Lorenz Blumenthaler: Musk, Trump und die digitale Gegenaufklärung   ³Marcel Lewandowsky in Was Populisten wollen, 2024



Cyberlibertarianism – The Right Wing Politics of Digital Technology

Im gereizten Klima der letzten Wochen – seit der zweiten Trumpwahl, dem Bruch der Ampel, der Parteinahme von Elon Musk für die AfD, dem Kotau Zuckerbergs vor Trump usf. – gibt es ein starkes Interesse an Erklärungsmodellen  zum Schulterschluss von BigTech mit dem autoritären Rechtspopulismus von Trump und seiner Bewegung MakeAmericaGreatAgain.

Demokratisierung des Wissens, Freiheit der Information, der Aufbau digitaler  Gemeinschaften – all das unter Umgehung bestehender Hierarchien – zählten lange Zeit zur Agenda des Digitalen Fortschritts.
Digitaler Fortschritt war und ist in seinen vielfältigen Stationen aufs engste mit der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung im  späten 20. und im 21. Jahrhundert verbunden.
Manche Branchen und Institutionen zerschlug es, insgesamt wurde Digitaler Fortschritt aber mit Zuversicht bis Begeisterung aufgenommen, als Erweiterung der persönlichen Möglichkeiten und Spielräume.
Jahrzehntelang war das Netz der Ausgangsort von Veränderung. Vom frühen Cyberspace, zum Web 2.0., zu den Social Media etc. – Medienöffentlichkeiten und ihre Möglichkeiten änderten sich immer wieder, sie waren Teil der populären  Kultur. Ganze Generationen wurden mit  bestimmten Formaten medialisiert, ihr Ablauf als persönliche (Medien-) Biographien erlebt. Technologie bot immer wieder die Mittel zur Umgehung bestehender Institutionen und ihrer Restriktionen.

Cyberlibertarianism The Right-Wing Politics of Digital Technology erschien im November 2024. Autor David Golumbia (1963–2023) verstarb kurz vor Vollendung des Buches.  Peer-Reviews waren bereits abgeschlossen, einige noch bestehende Lücken wurden von George Justice anhand von Manuskripten  vervollständigt
Golumbia geht davon aus, dass Right- Wing Politics von Beginn an sowohl in der technischen wie in der sozialen Konstruktion der digitalen Welt angelegt waren. Bereits 2016 hatte er in The Politics of Bitcoin: Software as Right-Wing Extremism: Bitcoin, Digital Culture, and Right-Wing Politics  Verbindungen von rechtspopulistischen und techno-libertären Ideen im Umfeld der Kryptowährungen offengelegt.

Als Begriff tauchte Cyberlibertarismus seit den 90er Jahren auf, so in den Debatten zu J.P. Barlows Declaration of the Independence of Cyberspace (1996). Deklariert wurde damit der Anspruch auf ein sich selbst regierendes Internet und seine Unvereinbarkeit mit staatlichem Zugriff und staatlichen Regulierungen.
Eine passende Beschreibung stammt bereits aus dieser Zeit: a collection of ideas that links ecstatic enthusiasm for electronically mediated forms of living with radical, right-wing libertarian ideas about the proper definition of freedom, social life, economics, and politics (Langdon Winner, 1996).

Libertär stand ursprünglich für eine anti-autoritäre, anti-kapitalistische Haltung, für individuelle Freiheit als Rebellion gegen gesellschaftliche und moralische Beschränkungen.
Eine Umdeutung erfolgte in den USA der Zeit des kalten Krieges hin zum  Marktradikalismus unter dem Einfluss der Chicago school of economics, der Schriften von Ludwig v. Mises, und auch Anarcho- Kapitalisten wie  Murray Rothbard
In den aktuellen Diskussionen bezeichnet libertär meist marktradikale Strömungen, die individuelle Marktfreiheit, radikale und uneingeschränkte Eigentumsrechte sowie oft Vorstellungen von Ungleichwertigkeit vertreten: the shared view is that the most important expression of “individual freedom” is found in the individual’s ability to profit (28).
Im Tech- Kontext verschmolz die Bedeutung mit techno-utopischen Ideen und wuchs zur Fundamental- Opposition gegen jede staatliche Regulierung des Internet. Alle Einschränkungen, wie Anti- Trust Gesetze, Umweltauflagen etc. seien ein Affront gegen die Freiheit. In ihren Extremen, wie man sie etwa bei Peter Thiel sehen  kann, geht es um die Überwindung demokratischer Strukturen zugunsten einer technokratischen Elite.  Auch Elon Musk ist dieser Richtung zuzuordnen,  mehr affektiv als ideologisch unterfüttert. Wie soll man es nennen? vollkommen enthemmten, aber wirkungsbewussten Opportunismus? Ein Milliardär, der austestet, wie weit er gehen kann?

Cyberlibertär wird hauptsächlich als analytische Fremdbezeichnung verwendet – neben dem Autor Golumbia u.a. von Lincoln Dahlberg und Langdon Winner (s.u.).
Golumbia verweist auf entscheidende Glaubenssätze, die bereits früh angelegt waren:  … the view that ‘centralized authority’ and ‘bureaucracy’ are somehow emblematic of concentrated power, whereas ‘distributed’ and ‘nonhierarchical’ systems oppose that power (61) ).
Diese Einstellung lässt sich oft auf die Ansicht reduzieren, dass demokratische Regierungen das Internet nicht regulieren können oder dürfen – oder, daraus folgernd, dass das Internet ein Ort sein sollte, für den Gesetze nicht gelten.
Dabei stösst man schnell auf das entscheidende Paradox: Cyberlibertarismus lehnt gesellschaftliche Regulierung ab – die doch auf rechtsbasierten Regeln beruht – gleichzeitig wird ein weitgehend unregulierter freier Markt  befürwortet –  auf dem sich zwangsläufig Machtkonzentrationen und hierarchische Strukturen herausbilden. Letztlich bedeutet das freie Hand für Oligarchen.

Cyberlibertarianism lässt sich als unvollständige Ideologie, als Sammlung kulturell gewachsener Denk- und Handlungsmuster, oft als opportunistisch genutzte Legitimation verstehen.
Das Buch spiegelt die kulturelle und politische Geschichte der USA – mit einer Betonung auf Kalifornien und das Silicon Valley –  von den 1950er Jahren bis zur Gegenwart. Es bietet einen umfassenden Blick auf die Zusammenhänge zwischen der technokulturellen Entwicklung und dem politischem Denken, was aktuell sehr brisant ist – written by the most optimistic pessimist you could ever meet (George Justice im Vorwort). 

Symbole der kalifornischen Ideologie: Lady Liberty auf dem Burning Man Festival. Foto: Jeremy Bishop unsplash.con

Californian Ideology ist eine beliebte Story zu dem, was in der Innovationskultur zusammenkam:  die Counterculture der Hippies und die vorhergende der Beatniks, ein ausgeprägter Hedonismus, die neuen Möglichkeiten der Technologie-  dazu eine Landschaft und ein Klima, die alles bieten, weltbekannte Universitäten und Forschungseinrichtungen  und schon früh viel Geld v.a. aus dem Verteidigungsetat. Im gleichnamigen Text wurden bereits 1996 wesentliche Elemente, die auf  Cyberlibertarismus zutreffen, beschrieben (s.u.¹)

Das Internet wurde schliesslich zur Electronic Frontier, zum neuen grenzenlosen Raum individueller Freiheit, frei von staatlicher Kontrolle – unreguliert.  Dazu passt auch das Ideal eines autarken Individuums.
Statt der Freiheitsideen der Hippies verbreiteten sich längerfristig die  genannten wirtschaftlichen Freiheitsideen. Ein spezifischer Habitus und informelles  Auftreten blieben, verweisen aber nicht auf eine Aufweichung von Machtstrukturen.
Zur Expansion der Tech Unternehmen gibt es eine ganze Reihe von Modellen. Das Modell der Landnahme schliesst anschaulich an das der Electronic Frontier an: der Ausbau von Reichweiten, die Erschliessung und Strukturierung des Digitalen Neulands.  Aufbau und Verbreitung der Plattformen ist ein zentrales Ergebnis der digitalen Landnahme. Digitale Sozialformate haben sich daran entwickelt. 

Der zentrale Konflikt zwischen staatlicher bzw. gesellschaftlicher Regulierung vs. der Reichweiten- Macht von BigTech bleibt. Die propagierte Freiheit befördert  letztlich  die Entstehung von Privat-Monopolen.
Der wesentliche Kipppunkt liegt dort, wo die digitale Ordnung der Dinge bedeutender wird als die bislang bestehende. Zunächst werden die Plattformen als neue Möglichkeiten erlebt. Sind sie soweit gewachsen. dass sie unumgehbar für die Teilhabe an Medien, Kultur und Geschäftsmöglichkeiten sind, werden sie zu einem faktischen Monopol.
Hier trifft der Anspruch von demokratisch legitimierten Staaten, Bedingungen zu regulieren, auf die wachsende Macht von Tech-Unternehmen, die inzwischen zu den kapitalstärksten globalen Akteuren gehören.
In libertärer Lesart wird diese Marktmacht jedoch nicht als Problem, sondern als natürliche Folge individueller Freiheit und unternehmerischer Autonomie betrachtet. (Cyber-)libertäre Ideologie wird so zunehmend zur Rechtfertigung der immer stärkeren Präsenz und des Machtanspruchs großer Tech-Unternehmen genutzt. Their freedom doesn’t mean your freedom – heisst es in einem Video zum Thema.
Digitale Konzerne können durch ihre enorme Marktmacht faktisch wie private Gesetzgeber agieren, es entsteht ein Markt- Pseudo-Staat, dessen Regeln weder demokratisch legitimiert noch rechtlich angemessen kontrolliert sind.

In der Praxis läuft Cyberlibertarismus oft mit technologischem Determinismus zusammen: Plattformen wie Google, Meta oder Amazon propagieren, dass ihre Technologien unaufhaltsame Fortschritte bringen – deterministisch – während sie gleichzeitig betonen, dass diese Fortschritte den Einzelnen und freien Märkten zugutekommen – libertär.
Soweit zu den Grundlinien des Cyberlibertarismus. David
Golumbia beleuchtet in Cyberlibertarianism eine ganze Reihe weiterer Stränge, manchmal esoterischer und kryptischer bis hin zu cyberfaschistischer Art im politischen Denken des Silicon Valley. So finden sich jeweils ausführliche Abschnitte zu  Nick Land and the Cybernetic Roots of Contemporary Fascism (381ff),  zur Alt- Right Bewegung etc. und auch zu Vorstellungen posthumanistischer Welten. 

Einige wesentliche Bezüge ziehen sich durch den ganzen Text:
Surveillance Capitalism von Shoshana Zuboff (2018/19) war die erste massive Kritik an den Geschäftsmodellen von BigTech- sie traf v.a. Google: the human expectation of sovereignty over one’s own life and authorship of one’s own experience” (521)werde von digitalen Technologien bedroht. Als einzige Lösung sieht Zuboff, dass Demokratien über Gesetzgebung und Regulierung wieder Hoheit über den politischen Raum beanspruchen. Zwar schärfte ihre Kritik die öffentliche Diskussion und veränderte die Wahrnehmung von Big Tech, führte jedoch nicht zu grundlegenden Veränderungen.

Überraschend kritisch steht Golumbia zu Julian Assange, dem er vorhält sich als heroische Zentralfigur eines Anti-Establishment-Kampfs zu inszenieren. Seine vermeintlich anarchistischen Positionen habe faktisch rechtspopulistische Narrative unterstützt. Generell sieht er immer wieder in vermeintlich techno-utopischen oder cyber-anarchistischen Positionen ein Einfallstor, das in der Praxis rechten Bewegungen in die Hände spielt.

Der Blick auf das ganze Bild  zeigt eine breite, v.a. in der kalifornischen Bay- Area angesiedelte Szene, die die Möglichkeit hatte, eine neu entstehende digitale Welt zu gestalten. Technisch getrieben, aber auch mit popkulturellen Wurzeln (Verweis auf die Grateful Dead). Angeschoben durch Geldströme  aus staatlicher Förderung und Venture Capital. Hervorgebracht hat sie die Blockchaim, den Überwachungs- Kapitalismus, das Metaverse auf der Wunschliste. Mental oft berauscht durch die Erfolge der Umsetzung.  Schliesslich eine machtbewusste kleine Elite, die sich zunehmend als globaler Machtfaktor sieht.

Golumbias Urteil ist knapp und vernichtend: An einer Stelle (279) heisst es: Cyberlibertarian politics in a nutshell: antidemocracy portraying itself as both democracy and “above” politics, when it is anything but.
Zusammenfassen lässt sich sein Fazit so:  Demokratische Werte können nur dann behauptet werden wenn wir das Digitale wieder in unseren eigenen Händen verankern. Ansonsten wird es zur Spielwiese weniger Akteure bzw. einer kleinen Elite, die einem neuen Autoritarismus den Weg ebnen.

Oligarchie – Konsequenz des Cyberlibertarismus?

Das Buch ist erst vor zwei Monaten erschienen – der Text von Golumbia war spätestens im Sommer 23 fertig gestellt. Seitdem haben sich Weltlage und der globale Vibe so sehr verändert, wie man es kaum für möglich gehalten hatte.
Exakt während des Lesens und des Schreibens dieser Rezension folgte die nächste Stufe der Eskalation: Trumps Inauguration. Eine Inszenierung von Macht und Geld mit dem Spalier der Milliardäre aus der Tech- Branche. Territorialansprüche werden an verbündete Staaten gestellt.  Der Nazigruss von Elon Musk als inszenierte Provokation.

Offen bleibt, wie stabil die Machtstrukturen sind. Wie stabil ist die Achse von MAGA und Big Tech? Wie stark sind die Protagonisten tatsächlich?  Musk tritt derzeit als globaler Toxiker auf, der massiv wirtschaftliche und mediale Macht politisch einsetzt, dabei auch den deutschen Wahlkampf aufmischt. Wäre etwa ein Metaverse aus dem Hause Meta/Facebook als erweiterter gesellschaftlicher Raum wünschenswert? .

Ein Meinungs- Fundstück zum Nazigruss von Elon Musk:  It was a display of power, and a signal: the tech oligarchy is here, and it will do what it wants.

 

David Golumbia und George Justice: Cyberlibertarianism: The Right-Wing Politics of Digital Technology, 481 S. 11/2024. David Golumbia: The Politics of Bitcoin. Software as Right- Wing Extremism. University of Minnesota Press. 2016.  Cyberlibertarianism: . Clemson University. 2013 Means TVWhy Is Elon Musk Like That? – Introduction to Cyberliberatarianism – Maik Fielitz & Holger Marcks. Digitaler Faschismus. Die sozialen Medien als Motor des Rechtsextremismus. Duden Verlag, Berlin 2020. Langdon Winner: Cyberlibertarian Myths and the Prospects for Community 1997/2018 Lincoln Dahlberg: Cyber-Libertarianism 2.0: A Discourse Theory/Critical Political Economy Examination. Cyberlibertarianism
¹Information technologies … empower the individual, enhance personal freedom, and radically reduce the power of the nation-state. Existing social, political and legal power structures will wither away to be replaced by unfettered interactions between autonomous individuals and their software. Indeed, attempts to interfere with these elemental technological and economic forces, particularly by the government, merely rebound on those who are foolish enough to defy the primary laws of nature. aus: Barbrook, Richard, and Andy Cameron. 1996. “The Californian Ideology.” Science as Culture 44-72.  



Demokratiedämmerung? – Der Winter der Oligarchen

Blickt man  auf das Jahr 2024 zurück, bleibt man an einem Datum hängen: dem 6. November – der Tag der zweiten Trumpwahl: Am Morgen wurde die Wahl bestätigt, am Abend flog die Ampel auseinander – zwei Einschnitte an einem Tag.
Die zweite Trumpwahl war kein Unfall mehr. Trump, der lächerliche Prahler, der short fingered vulgarian¹, der keine Vulgarität und keine absurde Anschuldigung auslässt, der als scheidender Präsident den Sturm auf das Capitol, das Monument der US- amerikan. Demokratie anfeuerte, wurde mit tatsächlicher Mehrheit zu ihrem obersten Repräsentanten gewählt.
Sein Wahlsieg verdankt sich u.a. dem Bündnis mit dem derzeit reichsten der BigTech Oligarchen, dem Hektomilliardär Elon Musk, größter Einzelspender und lautstärkster Befürworter von Trumps Wahlkampagne.  Belohnt  wurde Musk mit dem für ihn massgeschneiderten Department of Government Efficiency.
Neu dabei ist, dass ein Geschäftsmann an politischen Entscheidungen beteiligt ist, die sich auf ihn selber auswirken. Schon jetzt nahm er bereits eine parastaatliche Position ein, da sich seine zahlreichen Technologieunternehmen immer mehr in internationale Angelegenheiten einmischen (vgl. The New Yorker).

Die beiden Einschnitte rückten dann kurz vor Weihnachten in einen ganz direkten Zusammenhang. Musk mischte sich persönlich in den deutschen Wahlkampf auf Seiten der Rechtsaussen- AfD  ein. Deren Kandidatin fühlte sich geschmeichelt, was zu erwarten war.
Noch mehr überraschte der folgende Tweet: Christian Lindner, noch wenige Wochen zuvor Finanzminister und Dritter im Rang der Exekutive biederte sich als alternativer Ansprechpartner zur AfD an, und bat um ein Date …

Es folgte der in der Welt am Sonntag platzierte Wahlaufruf, nach aussen als Meinungsäusserung verbrämt. Seitdem Beschimpfungen und eine weitreichende Empörung – gut möglich, dass sich Musks Übergriffigkeit in ihrer Wirkung umdreht.
Lässt sich von einem Schulterschluss von Rechtspopulismus und BigTech, sprechen? Zumindest von dem einiger exponierter Vertreter. BigTech  Milliardäre haben soviel Macht angehäuft, dass sie sich als politische Akteure in der Grössenordnung von Staaten verhalten.
Grundsätzliches Problem ist, das sich wirtschaftliche, mediale und politische Macht, ohne öffentliche Kontrolle verbinden. Der US- amerikanische Präsident ist nicht mehr Führungsfigur der Freien Welt, sondern steht als Primus in einer Achse von Autokraten und Oligarchen. 

Kekius Maximus: Eine Inkarnation des Oligarchen -ein Mix aus Internet-Insiderhumor, Machtsymbolik,  bewusster – rechtsextremer – Provokation  + Verweis auf den  Namen eines Kryptocoin  (Quelle:X)

Schaut man auf drei der aktuell mächtigsten Männer der Welt –  Trump, Musk, Putin: ohne jeden Zweifel Machtmenschen, die sich für charismatisch und unersetzlich halten und denen wenig an konstitutioneller Verankerung liegt.

Flood the zone with shit² – meint den öffentlichen Diskurs so stark mit Desinformation – Bullshit – zu  überschwemmen, dass es nahezu unmöglich wird, Fakten von Fiktionen zu unterscheiden. Es geht um den manipulativen Einsatz digitaler Medien. Eine  Strategie, die von Trump und Musk, aber auch von Putin genutzt wird. Medien und soziale Plattformen werden zur Disruption von Öffentlichkeiten und liberaler Demokratie eingesetzt.
Trump nutzt soziale Medien intensiv, oft mit beleidigenden und provokanten Inhalten. Musk kontrolliert seit 2022 das vormalige Twitter, als X immer noch eine der  bedeutendsten Plattformen digitaler Öffentlichkeit. Putin kontrolliert intern staatliche Medien, extern setzt er eine Armee von Trollen zur Destabilisierung demokratischer Gesellschaften ein.
FunFact: Putin hatte eine Obsession mit dem Buchstaben Z – der als Symbol seines Angriffskrieges gegen die Ukraine diente – Musk mit dem X, dass in seinen Unternehmungen immer wieder auftaucht, ebenso beim Namen seines Sohnes: X Æ A-12 .

Die Wiederherstellung nationaler Grösse ist eines der zentralen Themen  in populistischen Bewegungen, so auch das Motto Trumps MakeAmericaGreatAgain – entsprechende Parallelen gibt es in fast allen Ländern – mit den  jeweiligen nationalen Besonderheiten. Auch der besonders aggressive Anspruch auf Grossrussland zählt in diese Reihe. 
Was eint eine Achse von Populisten und Oligarchen? Es geht v.a. um das Ausspielen und Durchsetzen von Machtpositionen. Dennoch gibt e unterschiedliche ideologische Hintergründe – und darin liegen durchaus Konfliktpotentiale, etwa zwischen MAGA und den global ausgerichteten Interessen von BigTech.

Liberal und libertär entstammen derselben Wortwurzel, stehen aber für politisch konträre Positionen: Liberal ist ein zwar dehnbarer Begriff, aber mit dem Konzept der liberalen Demokratie verbunden: Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit sichern individuelle Freiheitsrechte gegenüber Machtstärkeren.
Libertär lässt sich bis auf den Marquis de Sade zurückverfolgen, meinte einmal eine heroisch- anarchistische Pose, den radikalen Bruch mit Konventionen. Die heutige Vorstellung wurde mit der Autorin Ayn Rand im Silicon Valley populär. Für Libertäre stellt der Markt das Äquivalent zu Gesellschaft dar. Der Markt ist die Gesellschaft.
Einen Schritt weiter geht Anarcho- Kapitalismus. Mit dem klassischen Anarchismus hat er wenig gemein, ausser der Ablehnung des Staates und einer Rhetorik des Individualismus. Es geht um uneingeschränkte Privatwirtschaft und Eigentumsrechte, Ideal ist eine Privatrechtsgesellschaft. Hierarchische Strukturen, die aus kapitalistischer Marktordnung entstehen,  werden begrüsst.

Cyberlibertarismus war zunächst eine Art ideologischer Treiber der digitalen Revolution. Das Internet erschien als Electronic Frontier, als Raum unbegrenzter Möglichkeiten jenseits staatlicher Kontrolle. Damit verbunden waren eine Demokratisierung des Wissens, die Umgehung bestehender Hierarchien und die Entstehung neuer digitaler Gemeinschaften.

Ambivalenzen traten später hervor – als aus StartUps digitale Machtzentren herauswuchsen. Positionen, wie die Ablehnung staatlicher Regulierung, der absolute Glaube an Marktmechanismen, das Ideal des genialen Entrepreneurs wurden weiterhin vertreten. Der aus dem Cyberlibertarismus stammende Freiheitsbegriff verkam mehr und mehr zur  Legitimation ungehemmter Gewinnmaximierung der mittlerweile kapitalstärksten Unternehmen der Geschichte.  Their freedom doesn’t mean your freedom – heisst es in einem Video zu den im BigTech– Umfeld umlaufenden Ideologien.

Persönlich hat mich das Modell der Machtbalance und der Interdependenzen von Norbert Elias seit langem überzeugt: Macht ist erst durch das Mitdenken der Gegenkräfte jeder Macht verstehbar. Machtbalancen sind demnach überall dort vorhanden, wo eine funktionale Abhängigkeit  – Interdependenz –  zwischen Menschen besteht.  
Was balanciert die Macht von Oligarchen? Oligarchen zeichnet  ökonomische Macht durch Kontrolle wichtiger Wirtschaftszweige und
eine enge Verflechtung mit politischen Entscheidungsträgern aus –   als Krönung die Verfügung über Medien mit grosser Reichweite. Ihre Macht und ihr Einfluss reicht weit über den wirtschaftlichen Bereich hinaus. In funktionierenden Demokratien wird kumulierte Macht durch gesellschaftliche Kontrolle balanciert. Ansonsten entwickeln Oligarchen parastaatliche Strukturen.
Oligarchen steigen auf in Zeiten des Umbruchs – das traf auf das Ende der Sowjetunion zu, als die Macht vakant war.
Tech-Oligarchen stiegen auf, als sie in den neu entstehenden digitalen Infrastrukuren Quasi- Monopole aufbauten. Technische und regulatorische Lücken ermöglichten ein systematisches Abschöpfen von Nutzerdaten, darauf aufbauend wurden neue Märkte geschaffen und dominiert.
Tech-Oligarchen legitimieren ihren Einfluss mit Innovation und Disruption.  bauen aber gleichwohl auf kollektiver Leistung und staatlicher Förderung auf.

Elon Musk ist der reichste und lauteste, aber nicht der einzige Tech- Oligarch. Etwas diskreter agiert der deutschstämmige  Peter Thiel, der sein Vermögen mit Palantir, Facebook und Paypal gemacht hat und  offen anti-demokratische Positionen vertritt, bis hin zur  Abschaffung des Wahlrechts für Frauen.  Anders als nach der ersten Trumpwahl arrangieren sich andere Tech- Granden, wie Jeff Bezos von Amazon, Marc Zuckerberg von Meta/ Facebook, und Alphabet/ Google mit Trump. Auch ihr Auftreten, ihr Habitus nimmt mehr und mehr die Züge von Oligarchen an.

Nur wenige Tage, und das Jahr 2025 hat schon ein iconisches Bild: der brennende Tesla vor dem Trump- Hotel in Las Vegas – erinnert mich an David Lynch

Titel wie Demokratiedämmerung haben seit einigen Jahren Konjunktur. Ausgangspunkt ist  Twilight of Democracy: The Seductive Lure of Authoritarianism (dt.: Die Verlockung des Autoritären) von Anne Applebaum, 2020.
Solche Titel passen wohl zu einer Stimmung, sollten aber nicht bedeuten, dass es sich um eine zwangsläufige Entwicklung handelt. Der zeitweilige (?) Erfolg der internationalen populistischen Rechten kann mit einer ganzen Reihe von Modellen erklärt. Die Ausführung des Politikwissenschaftlers
Veith Selk (10/23) wurden relativ breit rezipiert.  Er setzt an der Progessions– These an, die liberale Demokratie sei durch eine progressive Entwicklungstendenz gekennzeichnet, die auf der Annahme der Kumulation von Fortschritten beruht. Ansätze, die eine nähere Betrachtung wert sind.
In der Folge interessiert mich selber die Bedeutung des Cyberlibertarismus. Dazu habe ich mir das Buch von David Golumbia Cyberlibertarianism: The Right-Wing Politics of Digital Technology 8/2024) vorgenommen.
Er argumentiert, dass der digitale Evangelismus zu einer weltweiten Verschiebung nach rechts geführt hat.  Golumbia stützt sich auf mehr als ein Jahrzehnt Forschung, um aufzuzeigen, wie cyberlibertäre Rhetorik und Strategien die Diskussionen über digitale Technologie, Regierung, Politik und soziale Themen prägen. Er hinterfragt die vorherrschende Ansicht, dass das Internet von Natur aus freiheitsfördernd und dezentralisierend sei.  Dazu in Kürze mehr. 

¹vgl. Sueddeutsche Zeitung 12.04.2017 Franz C. Mayer, LL.M. (Yale) Demo­k­ra­tie­däm­me­rung. Was folgt auf Trumps Wahlsieg  Ali BrelandElon Musk’s X Endgame: The world’s richest man has become a new kind of oligarch. The Atlantic 20.12.2024Kyle ChaykaHow Elon Musk Rebranded Trump. The New Yorker.  13.11.2024  YouTube, Google & Co: Die Elefanten, gegen die unsere Medien kaum eine Chance haben? Telepolis. 16.12.2024. Maura Reynolds: ‘Everything Is Subservient to the Big Guy’: Fiona Hill on Trump and America’s Emerging Oligarchy. Politico 28.10.2024 Martin AndréeElon Musk, WamS und rechte politische Bündnisse. (WDR- Audio) 30.12.2024. : Means TVWhy Is Elon Musk Like That? – Introduction to Cyberliberatarianism. ² Steve Bannon, zitiert nach Michael ZürnWie kann eine demokratische Gesellschaft ihre Vernunft ver­lieren? – FAZ 30.12.2024 – Niklas MaakDas Zeitalter des Elonismus ist angebrochen. FAZ. 5.01.2025 Anne Applebaum: Twilight of Democracy: The Seductive Lure of Authoritarianism. 07/2020 – deutsch:Die Verlockung des Autoritären: Warum antidemokratische Herrschaft so populär geworden ist . 2022  Veith Selk: Demokratiedämmerung. Eine Kritik der Demokratietheorie. 10/2023. Gerhard Oberlin: Demokratiedämmerung.Wie der Wohlstand die Demokratie gefährdet. 06/ 2023.

 



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