Das Riesling Netz

Wein ist ein beliebtes Gesprächsthema, über wenig andere Themen lässt sich derart detailliert und genußvoll fachsimpeln. Wissen über Anbau und Ausbau, Produzenten und das Terroir sind kulturelles Kapital. Der Beschreibung subtiler Geschmackserlebnisse dient eine eigene Sprache mit einem reichen Fundus geschmacklicher Assoziation, der über Früchte und Mineralien bis hin zu Katzenpisse (bei Sauvignon blanc), Schweiß & Leder (bei Syrah) und Petroleum (beim reiferen Riesling) reicht. Wein wird sowohl als standardisiertes Produkt in hoher Auflage (Markenwein), wie auch als Produkt mit Herkunftsgarantie, das Rebsorte, Lage und Erzeuger erkennen lässt, vermarktet.

Rieslingtraube
reife Rieslingtraube

Wie wird über Wein im Social Web kommuniziert? Das Thema bot sich an für den Test von Radarly, einem Social Media Monitoring Tool des französischen StartUps linkfluence, das erst seit neuem auf dem deutschen Markt ist.  Als Ganzes wäre das Thema Wein zu umfangreich, von daher die Beschränkung auf Riesling. Speziell Riesling ist ein kulturelles bzw. kulinarisches Aushängeschild Deutschlands und seiner Nachbarn Österreich und Elsaß und genießt seit einigen Jahren ein verstärktes internationales Interesse.
Radarly war in einem aktuellen Test der Agentur Goldbach als Neueinsteiger auf dem deutschen Markt sehr positiv bewertet worden. In Frankreich schreibt Linkfluence Gründer Guilhem Fouetillou bei Le Monde  eine Kolumne zu aktuellen Themen aus dem Netz.

Der Recherchezeitraum war auf einen Monat festgesetzt, auf Beiträge in deutscher, englischer und niederländischer Sprache: Wie international ist das Thema Riesling? Radarly deckt unterschiedliche Quellen ab: Foren, Websites (dazu zählen auch die Presseartikel in den Online-Ausgaben von Zeitungen), Blogs, Medienformate wie youtube oder das in Frankreich stark verbreitete dailymotion und die Social Media Standards Twitter, Facebook und Google+. Innerhalb eines Monats gab es ca. 11.600 Nennungen, von denen allerdings fast zwei Drittel auf die Kurznachrichten von Twitter (62,4%) entfallen.

Verteilung der Quellen
Verteilung der Quellen (nach Medientypen)

Die Verteilung der Sprachen überrascht: Englisch überwiegt, genauer mit ca. 85 %. Weitgehend ist dies wohl  in der umfangreicheren Nutzung von Social Media, insbes. Twitter begründet, verweist aber ebenso auf internationale Popularität. Das Interesse gilt nicht nur dem Riesling der Alten Welt. Anbaugebiete der Neuen Welt, wie die Finger Lakes (Upstate New York), Washington State und Cool Climate Regionen in Kalifornien und Australien (Clare Valley) werden ebenfalls häufig genannt. In den Recherchezeitraum fällt u.a. der Summer of Riesling – A love affair with the greatest grape expressed in full technicolor – eine USA-weite Serie von Events in Weinbars und anderen Orten mit beachtlicher Resonanz. Die Faszination des Rieslings besteht in seiner Vielseitigkeit, die Böden und Klima wiederspiegelt: “As you move from one country to another, from one region to another, and even one vineyard to another, you get a completely different expression of the varietal”* – als besonderer Vorteil wird auch der – relativ – niedrige Alkoholgehalt gesehen:  Wine you won’t get drunk from.   

Riesling Marketing in den USA
Dachshund – Riesling Marketing in den USA

Die einzelnen Medienformate werden unterschiedlich genutzt und jedes hat seine spezifischen Vorteile: bei Twitter überwiegen situative Bemerkungen zum Weinerlebnis und Linkverweise, Facebook ist eher marketingorientiert. Ein passendes Beispiel für Facebook-Marketing ist Dachshund-Riesling, ein Markenwein mit nur 9° Alc. und immerhin 30gr Restsüsse. Kunden posten dort spassige Bilder ihres Dackels/Dachshunds mit einer oder mehrerer Flaschen dieses Rieslings – eine neue Form der internationalen Vermarktung deutscher Markenweine, im Zeitalter nach der Liebfrauenmilch.
Blogs werden sowohl von professionellen Wein-Journalisten, wie von engagierten Amateuren geführt. Einige davon kann man, neben den Websites mancher Winzer als Knotenpunkte im Wein-bzw. Riesling-Netz sehen. Eine Besonderheit des Wein-Netzes sind Verkostungen als VideoBlog.
Foren sind stärker im deutschsprachigen Netz verbreitet. Sie haben den Vorteil, dass jederzeit, auch langfristig, an ein einmal gepostetes Thema angeknüpft werden kann. Persönliche Verkostungsnotizen stehen oft im Mitttelpunkt – und Riesling spielt dabei eine herausragende Rolle. Es geht meist weniger um klassische Spitzenweine, als um die Entdeckung handwerklich erzeugter authentischer Weine, oder besser von Autorenweinen. Dabei spielt der gelegentlich überstrapazierte Begriff des Terroir und die Handschrift des Erzeugers eine große Rolle. Wein-Marketing knüpft daran an.

Radarly bietet, wie auch andere aktuelle Social Media Monitoring Tools, eine komfortable Oberfläche mit zahlreichen Recherchemöglichkeiten in der öffentlichen Online-Komunikation. Innerhalb der Recherche lassen sich die verschiedenen Auswahlfunktionen miteinander kombinieren und damit gelangt man schnell zu den jeweils interessierenden Quellen. Zudem bietet Radarly Engaging-Funktionen. Bei allen Möglichkeiten der Recherche und der Auswahl sowie der Identifizierung geeigneter Quellen bedeutet es nicht, dass die Software bereits Ergebnisse bietet. Forschung im Netz geht von einer jeweils spezifischen Fragestellung aus – abhängig vom jeweiligen Interesse. Es gibt viele Möglichkeiten, in diesem Feld weiterzuforschen, das Thema Wein und speziell Riesling bietet eine Fülle von Quellen, die wirtschaftliche, kulturelle, touristische und u.a. Fragen des Konsumstils berühren.

* s. http://www.sacbee.com/2013/08/13/5647108/wine-buzz-summer-of-riesling-hopes.html



Stil nach Maß und nach Wunsch

Ist von StartUps und Existenzgründungen im Internet die Rede, denkt man meist an Entwickler von Software, an Beratungsdienstleistungen und Agenturen. Die technische Entwicklung ist treibende Kraft, es folgen Berater, die ihr Wissen um die Nutzung der neuen Möglichkeiten verkaufen, und Gestalter, die das ganze in eine möglichst ansprechende Form bringen.

Das Social Web dient aber auch technikfernen Branchen als Kommunikations- und Vertriebskanal. Bekannte Beispiele gibt es in der regen (online-) Kommunikation zu Genußmitteln, wie Wein, Kaffee und Schokolade – bis hin zu Pfeffer und auch Lakritz. Das Muster ist in etwa gleich: in einem harten Preiskampf hatten Produkte in ihren Standardversionen an Charakter verloren. Begeisterte Geniesser entdecken die Geschmacksvielfalt neu, eignen sich ein umfangreiches  Fachwissen zu Sorten, Herkunft, Herstellungs- und Zubereitungsverfahren an, eine Art Fan-Community entsteht. Neben den Markt der Standardprodukte tritt ein gesonderter Markt, dessen Teilnehmer durchweg über ein hohes Produktwissen verfügen, und wo für hohe Qualität   entsprechende Preise akzeptiert werden.

Ein anderes Feld ist Mode. Mode ist im Social Web mit zahlreichen Blogs, mit  Bildkommunikation bei tumblr und instagram – und natürlich mit der strategischen Kommunikation von Marken vertreten. Es geht um Streetstyle, den eigenen Stil und um die Positionierung von Marken. Mode für Frauen überwiegt. Online-Anbieter sind dabei, den Markt umzukrempeln. Eine neuere Entwicklung sind Angebote wie modomoto oder outfittery, die – bisher ausschließlich für Männer –  eine Art Einstiegshilfe in persönlichen Stil bieten: Boxen mit Komplettoutfits ausgewählter Markenkleidung werden versandt, bei Gefallen wird gekauft – bei Nicht-Gefallen zurückgeschickt.

Hemd nach Maß und nach Wunsch
Hemd nach Maß und nach Wunsch

Andreas Wendenburg, Modedesigner (ein Blick ins Atelier) macht Männerhemden – nach Maß und nach Wunsch. Warum Hemden? Hemden sind ein Einstieg in maßgefertigte Kleidung und in einer überschaubaren Zeitspanne – vom Maßnehmen, über den Schnitt bis zur Fertigung – machbar. Nach Maß bedeutet ein Höchstmaß an Tragekomfort, nach Wunsch bedeutet die Gestaltung nach den eigenen Vorstellungen, von der Auswahl des Stoffes und des Schnittes bis zur Absprache von Details. Das besondere, das persönliche wird so in einem Unikat zum Ausdruck gebracht.
T-Shirts zeichnen die Körperformen nach und variieren kaum in Stoff und Schnitt. Ihre individuelle Gestaltung liegt meist in der bedruckbaren Fläche – graphische Motive, einprägsame Sprüche oder auch Werbebotschaften. Das Hemd ist hingegen die dem Körper nächste Stufe formellerer Kleidung, es folgt einer vorgegebenen Form, variiert aber in der Vielfalt von Stoffen und Schnitten.

Doppelhemd

Klassische Formen sind das festliche Hemd in unterschiedlichen Ausführungen und das Businesshemd. Beide haben historische Wurzeln, die mit bestimmten Konzepten von Männlichkeit verbunden sind: das festliche Hemd mit reichen, bisweilen schwelgenden Details reicht zurück bis in die höfische Gesellschaft mit ihrem Hang zum Repräsentativen oder auch zum Stilwillen des Dandy. Das Businesshemd  entstammt dem Habitus des erfolgsorientierten Geschäftsmannes, der Dresscode soll die Einhaltung formaler Regeln signalisieren, für etliche Berufsgruppen verpflichtend – austère*.
Das weite Feld des casual (um den allzu praktischen Begriff des Freizeithemdes zu vermeiden) wird von der Popkultur seit den 50er Jahren geprägt. Diese orientiert sich seit James Dean zumeist an einer juvenil-körperbetonten Form. Neue Einflüsse werden immer wieder  aufgenommen, wie etwa Grunge in den 90er Jahren – oder aktuell ein Nerdstyle, der vormals als Abwesenheit von Stil wahrgenommen wurde. Individueller Gestaltung sind wenig Grenzen gesetzt.
Informellerer Stil signalisiert die flexiblere Handhabe von Regeln.  In einigen Branchen hat sich die Kombination Hemd/Sacco/Jeans als Standard konventioneller Inkonventionalität  durchgesetzt. Eine bewußte Wahl bzw. Gestaltung setzt hier individuelle Akzente – und es muß nicht betreutes Shoppen sein.

Social Media 2013 – Paid, Owned, Shared & Earned Media

Die digitale Revolution vollzieht sich in Schüben. Entwicklung und Diskussion zum Social Web wurden in den letzten fünf Jahren von zweien solcher Schübe bestimmt, die sich beide geradezu rasant vollzogen: zunächst die Verbreitung der Plattformen und Dienste, die wir als Social Media bezeichnen, etwas später dann die des mobilen Internet. Nach diesen stürmischen Entwicklungen der letzten Jahre scheint eine gewisse Beruhigung eingekehrt zu sein. Mobil und social und der Zugang dazu sind selbstverständlich geworden. Man spricht zwar weiterhin von Social Media, der Begriff zeigt aber gewisse Ermüdungserscheinungen. An seine Stelle ist mehr und mehr von digitalem Wandel oder einfach von digitalen Medien und digitaler Kommunikation die Rede.  Die Möglichkeiten der Online-Kommunikation sind so vielfältig geworden, daß es nicht mehr darum geht überall  dabeizusein, sondern darum, die jeweils passenden Formate zu nutzen.

MediaGraphik
Paid, Owned, Shared, Earned Media – übersetzt nach F.Cavazza CC (http://www.mediassociaux.fr)

Das Konzept von Paid, Owned, & Earned Media ist grundsätzlich ein Modell zur Planung von Marketingkampagnen. Mit den Social Media traten Shared Media hinzu. Damit lässt sich auch die Online-Kommunikation als Ganzes beleuchten. Paid Media ist zum einen klassische Werbung, online oft in Form von Bannern und von Gewinnspielen, im weiteren  Adwords, affiliate Marketing etc. – dort wo für die Verbreitung von (Werbe-) Botschaften in direkter Form bezahlt wird. Paid Media pumpen zudem das meiste Geld in die Online-Welt. Owned Media sind die eigengehosteten Präsenzen im Netz: Websites, Blogs etc.. Nur hier haben Nutzer bzw. Eigentümer die völlige Verfügung über Inhalte und sind unabhängig von sich ändernden AGBs und hier werden sie auch als eigenständige Akteure im Netz wahrgenommen. Shared Media fasst das Engagement in der öffentlichen Sphäre der Social Media Plattformen zusammen. Im wesentlichen sind es international agierende Plattformen, wie Facebook, Twitter, Google+, youtube, zuletzt und als erste rein mobile Plattform instagram, dazu etliche andere, oft spezialisiertere Dienste. Earned Media kann man schließlich als die Erfolge aus dem Einsatz in Paid, Owned und Shared Media  betrachten: Zitate, Gespräche, der Anstoß von Themen,  im kommerziellen Bereich virale Effekte und das Word of Mouth.

digitaler Wandel
digitaler Wandel bleibt erhalten

Der digitale Wandel setzt sich fort, in der nächsten Zeit aber wahrscheinlich – zumindest für eine kurze Zeit – etwas weniger stürmisch. In die Ausgestaltung von Social Media und mobilen Anwendungen (also Shared Media) ist viel investiert worden, von Betreibern wie Nutzern. Pragmatische Fragen zur praktischen Nutzung stellen sich in den Vordergrund: Welche Plattform und welche Strategie passt zu mir und meinen Vorhaben? Wie schöpfe ich Werte aus meiner Teilnahme? Werte kann  hier ökonomischen Erfolg bedeuten, oder auch ganz allgemein ein Mehrwert aus gelungener Kommunikation. Jobsuche bzw. die Konstruktion des passenden Job wird immer öfter zu Thema. Als letztes Genre der Social Media hat sich die Mobile Bildkommunikation in der Breite durchgesetzt, mit dem von Facebook aufgekauften instagram an der Spitze. Dass ein Aufstieg schnell umschlagen kann, zeigte sich hier an der Empörung, die der Änderung der AGB folgte. Der Zugang zur öffentlichen Sphäre der Shared Media ist für die Nutzer weitgehend kostenlos, deren Eigner sind aber privatwirtschaftliche Unternehmen mit ihren jeweils eigenen Finanzierungsmodellen. Und dabei stehen zumeist Daten im Vordergrund. Das sind wohl die Themen, die uns 2013 beschäftigen werden.

 

Scan the Net – Social Monitoring

Werkzeuge zur Beobachtung von Kommunikation und Feedback im Internet gibt es mittlerweile en masse – mit ganz unterschiedlichen Funktionen und in ganz unterschiedlichen Preisklassen. Solche, mit denen man die eigenen Aktivitäten im Netz im Blick behält, andere beschränken sich auf wenige Funktionen bzw. die Beobachtung einzelner Dienste, und es gibt die bekannten, sehr mächtigen Monitoring Tools, wie etwa Radian6, brandwatch oder talkwalker. Deren Kosten sind wesentlich durch die umfangreiche Datenspeicherung und deren Qualität bedingt. Die Wahl eines Werkzeugs ist selbstverständlich abhängig von Zweck und Einsatz, in vielen Fällen sind auch einfache Lösungen bzw. eine Kombination mehrerer hilfreich. Eine umfangreiche Übersicht, die auch weniger bekannte Werkzeuge beinhaltet, gibt es u.a. auf dem Blog von Wolfgang Gumpelmaier, ein weiterer Überblick zu kostenlosen Tools bei Tim Krischak.

Einen ganz eigenen Ansatz verfolgt der in Köln entwickelte Dienst Scan the Net, der als Collaboration Monitoring Tool* bezeichnet wird. Er verbindet Funktionen einer Suchmaschine mit der eines Netzwerks. Scan the Net schließt als ein Mashup an die APIs von Netzwerken und Diensten (u.a. Twitter, instagram, youtube, Flickr) an und hat damit in Echtzeit Zugriff auf die darüber erreichbaren öffentlichen, insbesondere auch die visuellen Inhalte. Als unregistrierter Nutzer kann man es als sich selber laufend aktualisierende Suchmaschine gebrauchen, die weitergehende Nutzung incl. der sozialen Funktionen erfordert eine Registrierung. Nach dem follower-Prinzip kann man anderen Nutzern folgen und Suchvorgänge koordinieren. Die angezeigten Daten werden nicht gespeichert, Suchen können aber in angelegten Boards abgelegt werden.

In der Praxis eignet sich Scan the Net dank seiner Aktualität und der Integration der Bildkommunikation besonders zum Monitoring von Veranstaltungen und aktuellen Ereignissen, zudem ist die Suche regional bzw. örtlich eingrenzbar. Man kann es als eine Art erweiterte Twitterwall nutzen – aber ebenso als eine  Quellenbasis für ein analytisches Monitoring oder weitere Forschung wie etwa einer Netnographie. Werkzeuge liefern Daten, aber diese Daten müssen in den jeweils speziellen Sinnzusammenhang gestellt werden – und dazu braucht es Hintergrundwissen  und analytische Fähigkeiten. Ein weiterer Einsatz sind Wettbewerbe und Fragestellungen   mit vielen Teilnehmern bzw. Probanden, die dabei gängige – auch mobile – Dienste nutzen können. Mit vereinbarten #hashtags gekennzeichnete Inhalte werden ohne weiteres gefunden und können zusammengefasst werden.
Im folgenden habe ich als Beispiel zwei Widgets eingebaut, die die eingehende Social Media Kommunikation deutlich machen: zum Thema Fashion week – ein visuell sehr ergiebiges Thema, als zweites zum Thema Big Data

Klaus Janowitz (klausmjan)

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