Demokratische Produktentwicklung und Crowdsourcing

Kabelhalter
Kabelhalter am Kragen

10/05/16 kmjan
Anstelle von Crowdsourcing spricht Florian Meise, Produktdesigner und Gründer des Solinger Start-Up manugoo lieber von Demokratischer Produktentwicklung. Damit meint er vor allem die vollständig aus der Community hervorgehende Entwicklung von der Produktidee bis zur Vermarktung.
Crowdsourcing hat sich als Begriff nicht so ganz durchgesetzt, wie etwa Crowdfunding (der Finanzierung durch die “crowd“). Zu unterschiedlich sind die Ansätze, die darunter zusammengefasst werden, zu sehr klingt Outsourcing, die Ausgliederung von Unternehmensbereichen, durch. Crowdsourcing ist definiert als die Auslagerung traditionell interner Teilaufgaben an eine Gruppe freiwilliger User (wikipedia). Es geht um Innovation. Unternehmen suchen Kunden und Interessenten bei der Produktentwicklung einzubeziehen: CoCreation. Zum einen bedeutet es eine Möglichkeit der Mitgestaltung, zum anderen  unbezahlte (oder oft nur geringfügig erstattete) Unterstützung in der Wertschöpfung. CoCreation Plattformen von Unternehmen werden mit unterschiedlichen Konzepten betrieben, die Übergänge zu Marktforschungs- Communities sind fließend. Bemerkenswert ist u.a. Tchibo ideas, wo Teilnehmer zumindest an Erlösen realisierter Produkte beteiligt werden.

In anderen Fällen spricht man von kollaborativen Plattformen, ein auf die Zugangsgesellschaft nach Jeremy Ruskin zurückgehendes Konzept. Nach einer Definition von W.Felser  (01/2016, s.u.) bilden Plattformen “einen kollaborativen Kontext dem man sich anschließen kann, zusammen mit einem Governance-Modell, das die Regeln der Kollaboration (Standards, Logik, Rechte/Pflichten, …) festlegt. Damit sind natürlich auch Märkte und Organisationen Plattformen”.
Fraglich ist allerdings, ob man die sog. Sharing Economy als kollaborativ bezeichnen kann: in den bekanntesten Beispielen AirBnB und Uber werden Anbieter und Kunden über Plattformen vermittelt. Faktisch lassen sie sich als Vermittlungsleistung für Ferienwohnungen bzw. Softwarelizensierung sehen. Kollaborativ bedeutet letztlich, dass die Beteiligten in Zusammenarbeit Wertschöpfung erreichen.

3-D Drucker

manugoo ist zumindest in Deutschland (seit 2013) Pionier als kollaborative Plattform zur Produktentwicklung. Eine Plattform, die einen vom Ausgangsproblem bis zur Gewinnbeteiligung sehr übersichtlich gestalteten Zugang  bietet. Im Mittelpunkt steht die gemeinsame Entwicklung. Gewinne werden dem Engagement entsprechend  aufgeteilt. Vorfinanziert wird die Produktion via Crowdfunding bei Kickstarter. Fertige Produkte werden über den eigenen Shop vertrieben, bislang sind es Gadgets, Zubehöre des digitalen Alltags, wie Kabelhalter, Docking- Stationen, Tickethalter. Dinge, die zunächst einfacher zu realisieren sind, zudem über die Schiene der Werbemittel zu vermarkten – originelle Gegenstände zu denen eine Geschichte erzählt werden kann sind beliebt als Giveaways. Aber auch LED- Leuchten und – passend zur Klingenstadt Solingen – Messerblöcke, werden entwickelt. Bisher wurden über tausend Ideen eingereicht, zwischen 150 u. 200 Personen beteiligen sich pro Projekt. Follower tragen die Stories weiter in Social Media.
3D-Drucker eröffnen weitere Möglichkeiten: zunächst begrenzt in der Materialwahl, werden nun auch Metalle verwendbar, zunächst z.B. im Schmuckdesign. Florian Meise blickt optimistisch in die Zukunft und sieht manugoo als ein Modell für weitere Produktschienen: Warum sollen Waschmaschinen oder Kühlschränke der Zukunft nicht in demokratischer Produktentwicklung entstehen?

Deckenfluter mit LEDs
Deckenfluter mit LEDs

Traditionelle Produkteinführungen “floppen” trotz umfangreicher Marktforschung in vielen Fällen. CoCreation soll diese Risiken reduzieren. Den Ansatz von manugoo kann man als de-hierarchisierte Weiterführung verstehen.
Allen Modellen von CoCreation liegt das Konzept der Open Innovation nach Henry Chesbrough zu Grunde. So auch die von der Münchner Firma Hyve entwickelte Version von Netnography (immer in englischer Schreibweise), die Netnographie nach Kozinets mit Open Innovation (+ dem Lead User Konzept von Eric Hippel) verbindet.

Vgl.: Winfried Felser: Kollaborative Plattformen 4.0, eine neue Hoffnung, LinkedIn 01/2016; Chesbrough, H. W. (2003): Open Innovation. The New Imperative for Creating and Profiting from Technology, Boston: Harvard Business School Press

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